Berlin, 14. Oktober (ssl) Mit einem engagierten Plädoyer für eine grundlegende Reform der Forst- und Holzwirtschaft hat der Forstwissenschaftler Wilhelm Bode die Diskussion um die Zukunft der Wälder auf der Erde bereichert. Er setzt sich in „Waldendzeit“, erschienen in der Nature-Writing-Reihe „European Essays on Nature and Landscape“ des KJM-Verlages dafür ein, Forstflächen mit Dauermischwäldern zu bewirtschaften.
Damit stellt Bode sich allerdings dem seit 150 bis 200 Jahren aus Deutschland weltweit exportierten und praktizierten Modell des Altersklassenwaldes, also der Fichten- oder Kiefern-„Plantage“, ebenso entgegen wie der romantisierenden Idee „Zurück zum Naturwald“ verschiedener Natur- und Waldschützer. Diese tut er als unnütz und wenig nachhaltig ab, denn der Wald müsse genutzt werden, nicht als Brennstoff, sondern um Holz zur Ablösung der CO2-intensiven Zement- und Betonbaustoffe bereitzustellen.
Meine Lektüre im zweiten Drittel 2024 – Folge 15 des Lesetagebuchs
Berlin, September 2024 (ssl) Meine erste Graphic Novel berichtet von einer deutschen Familie in der Nazizeit. Überhaupt kommt reichlich NS-Geschichte, fiktiv und dokumentarisch, in dieser Leseliste des zweiten Drittels 2024 vor. Aber auch die Reiseberichte von Marco Polo, Analysen von Zeichnungen der Stadt Rom aus der Renaissance und, wie eigentlich immer, wahre Abenteuergeschichten aus der Kolonialzeit, in denen sich, je jünger sie sind, zunehmende Distanz der Autoren zu ihrem Thema findet.
Meine Lektüre in den ersten vier Monaten 2024 – Folge 14 des Lesetagebuchs
Berlin, Juni 2024 (ssl) Ein Bestseller und zwei uralte Bücher sind die Highlights der Lektüre des ersten Drittels dieses Jahres. Am meisten beeindruckt hat mich neben „Unsereins“ von Inger-Maria Mahlke der mehr als 200 Jahre alte Reisebericht von Georg Forster „Reise um die Welt“, der viele der heute diskutierten ethischen Probleme des „Westens“ bereits andiskutiert, und zwar aus einer Perspektive, die von der deutschen Geschichtsschreibung lange Zeit bewusst ignoriert wurde.
Dieses Faksimile einer Einladung an Kant mit handschriftlichen Notizen des Philosophen ist Bestandteil des hier besprochenen Buchs „Der alte Kant“.
Berlin, 4. Mail (ssl) „Menschenliebe und die politischen Systeme von Europa harmonieren nicht miteinander.“ Das ist eine der Erkenntnisse des Buches, das ich gerade gelesen habe. Auch wenn knapp ein Vierteljahrtausend zwischen der Niederschrift und meiner Lektüre liegt, hat es mich in den vergangenen Wochen sehr in seinen Bann gezogen: „Eine Reise um die Welt“ von Georg Forster aus den Jahren 1778-1780. Der Autor, vor 270 Jahren geboren, ist ein wenig unterbewertet in einer Zeit, in der Aufklärung und reine wie praktische Vernunft bei vielen auf dem Prüfstand stehen.
Meine Lektüre im zweiten Halbjahr 2023 – Folge 13 des Lesetagebuchs
Berlin, 22. Dezember 2023 (ssl) Rechtzeitig bevor sich neue Bücher zum Lesen aufdrängen, will ich die Lektüre des zweiten Halbjahres abarbeiten. Es beginnt schön leicht zum Einlesen mit Axel Hackes Eichelhecht, schraubt sich über Bestseller-Romane zu Münklers sehr lesenswertem und nachdenklich machenden Monumentalwerk über den Dreißigjährigen Krieg hinauf und endet mit einem Roman, der zur Zeit der Olympischen Spiele 1936 in Deutschland spielt.
Liebe Verlage, die das lesen: Wenn Sie hier auch erscheinen wollen – nur zu. Senden Sie mir Ihr Programm: thomas.rietig@rsv-presse.de Ich bestelle garantiert nur Rezensionsexemplare, von denen ich mir Lesegenuss verspreche. Jedes Buch bekommt eine eigene Besprechung von ca. 3.000 bis 5.000 Zeichen plus Buchdeckelbild und eine Kurzrezension in der vierteljährlichen Buchliste. Zur Systematik (oder besser gesagt: Anarchie) der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.
Berlin (ssl) Im neuesten Band der „European Essays on Nature and Landscape“ des KJM-Verlages lässt die Autorin Laura Kranich ihre Leser mal nicht nach unten oder bis zum nächsten Wald oder zum Horizont schauen. Vielmehr richtet die Meteorologin und Klimaforscherin den Blick nach oben.
Meine Lektüre im ersten Halbjahr 2023 – Folge 12 des Corona-Lesetagebuchs
Berlin, 20. Juli 2023 (ssl) Wieder sind zehn Bücher über meinen Tisch gegangen, obwohl Corona vorbei ist. Die Inhalte reichen von echten Klassikern wie Alexander von Humboldts Tagebüchern über Sachbücher, die sich mit Ausgrabungen 9.000 Jahre alter Frauen- und Kinderleichen beschäftigen, uns aber viel über das menschliche Zusammenleben in der Jetztzeit lehren, bis zu spannenden Spionagethrillern. Das erste hier besprochene Buch ist ein meiner Ansicht nach unterschätzter Klassiker der Linguistik, der ebenfalls zahlreiche Aha-Effekte im Lesenden hervorruft: Victor Klemperers „LTI – lingua tertii imperii“ über die Sprache des Dritten Reiches.
Berlin, 13. Mai 2023 (ssl) „Strand“ von Hella Kemper und Karsten Reise liegt nun als dritter Band der „European Essays on Nature and Landscape“ des KJM Verlags vor. Die Schnittstelle zwischen Land und See beschreiben die Autoren teils wissenschaftlich, teils feuilletonistisch. Kein Wunder: Reise ist Meeresbiologe, Kemper Feuilletonjournalistin. So bringt sie uns die Strandbilder von Max Beckmann und Caspar David Friedrich nahe, während Reise uns (unter anderem) aufklärt, was der Maulwurfskrebs mit seinen zwei Federn tut.
Meine Lektüre im ersten Quartal 2023 – Von Joseph Conrad über Frisch/Bachmann zu Manesse
Berlin, 31. März 2023 (ssl) Es sind tatsächlich hundert Bücher in den plusminus drei Jahren der Pandemie geworden, die ich gelesen und kurz oder lang besprochen habe. Genauer: Hunderteins. Wenn sich auch die zu Beginn dieser Aufzeichnungen erwähnte Lektüregrund „Kulturmangel während des Lockdowns“ schon lange erledigt hat, ist daraus doch eine neue nachhaltige Freizeitbeschäftigung entstanden. Sie besteht aus mehr als nur „Lesen“. Zunehmend wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr einfach nur zum Zeitvertreib lesen und mich bestenfalls in die Welt der Handelnden oder des beschriebenen Sachgebiets hineindenken wollte. Vielmehr habe ich mir mit der selbst gegebenen Archivierungsstruktur ein bisschen Disziplin verordnet, nämlich: das Was, Wie und Warum jedes Buches zu erkennen und im Kopf mitteilungsfähig aufzuarbeiten. Am Ende hat man so tatsächlich mehr von der Lektüre. Deshalb lese ich nicht nur weiter, sondern schreibe die gewonnenen Erkenntnisse auch weiter in diesem Blog auf.
Liebe Verlage, die das lesen: Wenn Sie hier auch erscheinen wollen – nur zu. Senden Sie mir Ihr Programm: thomas.rietig@rsv-presse.de Ich bestelle garantiert nur Rezensionsexemplare, von denen ich mir Lesegenuss verspreche. Jedes Buch bekommt eine eigene Besprechung von ca. 3.000 bis 5.000 Zeichen plus Buchdeckelbild und eine Kurzrezension in der vierteljährlichen Buchliste. Zur Systematik (oder besser gesagt: Anarchie) der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.
Vielversprechende Nature Writing-Reihe des KJM-Buchverlags
Positiv ist schon der erste Eindruck der beiden Bände von „European Essays on Nature and Landscape“, mit der der KJM-Buchverlag in Hamburg das Genre des Nature Writing bedient. Die literarische Form des Essays, heute zumindest in gedruckter Form außerhalb von Wochenzeitschriften nicht besonders präsent, und die wertige Aufmachung passen zum Ziel des Verlags, das „Wo wir leben“ auf individuelle und zeitgerechte Weise zu beschreiben. „Die Autorinnen und Autoren haben freies Spiel, ihr persönlicher Zugang zur jeweiligen Landschaft bestimmt und führt den Text“, heißt es im Waschzettel. Außerdem legt der Verlag Wert darauf, dass alle verwendeten Materialien so nachhaltig und gesundheitsverträglich wie möglich ausgewählt wurden. Wir haben es nicht nachgeprüft, aber wenn es stimmt, beweist es, dass sich auch rücksichtsvoll bibliophiles Druckwerk schaffen lässt.
Meine Lektüre im vierten Quartal 2022 – Von Rilke über Grimm bis Lalami
Berlin, 31. Dezember 2022 (ssl) Ob Rache oder Imperialismus: Reisen aus Rache oder zu imperialistischen Zwecken bergen stets ein hohes Risiko des Scheiterns. Das zeigen die Berichte schicksalhafter Unternehmungen, die einen wesentlichen Anteil an meiner Lektüre im vierten Quartal 2022 ausmachten. Tragisch endete der Rachefeldzug der Nibelungen ins Land der Hunnen, tragisch auch so manche Eroberung in der Neuen Welt – nach vielen Jahren erfolgreich dagegen aber die wissenschaftliche Expedition zur Vermessung der Erde ins heutige Ecuador. Daneben standen Klassiker wie der einzige Roman Rainer Maria Rilkes oder die Kurzgeschichten voll englischen Humors von Saki in einer bibliophilen Ausgabe.
Nicholas Cranes „Breitengrad“ beschreibt eine chaotische Forschungsreise in den Anden
Berlin, 02. November (ssl) Vor fast 300 Jahren, im Mai 1735, brach eine französisch-spanische Forschergruppe aus dem damals bedeutenden französischen Atlantikhafen Rochefort auf, um in den Anden am Äquator der Frage nachzugehen, ob die Erde eine an den Polen abgeflachte oder eine am Äquator „zusammengedrückte“ Kugel ist. Dazu war es nötig, die Länge eines Breitengrades am Äquator mit der Länge möglichst weit im Norden oder Süden zu vergleichen. Es dauerte rund zehn Jahre, bis sie die Frage beantworten konnten, und das nur unter großen Opfern und Entbehrungen. Der Ablauf dieser Reise ist Thema des Buches „Breitengrad“ des britischen Geografen und Autors Nicholas Crane.
Leisters neuer Roman „Das U-Boot“ spielt wieder mit dem Tunnelmotiv
Berlin, 07. Juli (ssl) Als Hans Leister mir sein neuestes Buch „Das U-Boot“ zur Rezension anbot, zögerte ich vor der Zusage kurz. Das Buch eines langjährigen Bekannten und Kollegen besprechen? „Was“, dachte ich, „wenn du es am liebsten verreißen würdest?“ Ich hatte sein erstes Buch nicht gelesen, deshalb wusste ich nicht, was mit dem „Thriller“ auf mich zukam, einem Genre, dem ich weniger zuneige. Dann dachte ich: Das muss die Bekanntschaft aushalten. Nach der Lektüre kann ich sagen: Es wird nicht zum Bruch kommen.
Der Autor hat Glück gehabt, dass Lothar-Günther Buchheim seinen epochalen Bestseller über ein Unterseeboot im Zweiten Weltkrieg nur „Das Boot“ genannt hat, sodass Leister etwas präziser werden konnte. Bei allem Wohlwollen lasse ich mal offen, ob „Das U-Boot“ die Berühmtheit von „Das Boot“ erreichen wird. Vielleicht sollte Leister Herbert Grönemeyer oder Jürgen Prochnow ein Exemplar schicken.
Meine Lektüre im zweiten Quartal 2022 – Viel über die „lost generation“ und „lost“ Polarforscher
Berlin, 26. Juni 2022 (ssl) Die Leseerfahrungen der vergangenen drei Monate umfassen Sachbücher zu historischen und aktuellen Themen, etwa Verschwörungstheorien, aber auch Romane aus Gegenwart und Vergangenheit. Dabei stellten sich sowohl erwartete als auch überraschende Erkenntnisfortschritte ein. Es sind etwas mehr geworden als in der vorherigen Folge, weil sich immer mehr Bücher aufgefordert und unaufgefordert in meinem Briefkasten bzw. den Gabentischen sammeln und zugleich die anderen Aktivitäten, wohl wegen der Nachwehen der Pandemie, noch nicht wieder volle Fahrt aufgenommen haben. Allerdings habe ich eine Fernreise mit dem Neun-Euro-Ticket unternommen , die reichlich Gelegenheit zum Lesen bot.
Zur Systematik, oder besser gesagt: Anarchie, der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.
Ronald H. Fritze: Jahrhunderte voller Hoffnung, Angst und Schrecken durch Verschwörungen
Berlin, 09. Mai (ssl) Vor gut 2700 Jahren wurde Samaria, die Hauptstadt des antiken Nordreichs Israels, von den Assyrern erobert. Samaria liegt im heutigen Westjordanland, nicht weit von Nablus. Bei der Eroberung kamen viele Menschen ums Leben, viele wurden unterworfen, einigen gelang die Flucht. Dieses Ereignis und die letztgenannte Gruppe sind der Ausgangspunkt einer der langlebigsten Verschwörungstheorien, nämlich die der Zehn Verlorenen Stämme Israels. Die Geflüchteten oder Vertriebenen leben und vermehren sich angeblich irgendwo auf der Erde weiterhin, beobachten das Weltgeschehen und warten auf eine Gelegenheit, sich für das ihnen Angetane zu rächen, und sei es über das Mittel der Weltherrschaft. Allein: bis heute hat es nicht geklappt. Oder doch?
Meine Lektüre bis Ende März 2022 – Viel Frankreich, einmal Zwischenkriegszeit, einmal internationale Krisen
Berlin, 29. März 2022 (ssl) Aus pandemischen Leseerfahrungen werden jetzt auch noch krisenhafte Leseerfahrungen. Die Liste der gelesenen ebenso wie der zu lesenden Bücher wird immer länger, und das schöne Wetter im März hat die Lesezeit etwas verkürzt. Ein kurzer Paris-Aufenthalt beeinflusste die Liste ebenfalls massiv, nachdem schon vorher ein aktueller Bestseller mit Frankreich-Bezug vor mir lag. Hier also nun die Lektüren Nummer 56 bis 60.
Zur Systematik, oder besser gesagt: Anarchie, der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.
Meine Lektüre im ersten Quartal 2022 – Von Younghusband über Zweig zu Schrott
Berlin, 17. Februar 2022 (ssl) Nun gehen meine gesammelten pandemischen Leseerfahrungen schon ins dritte Jahr. Es ist eher Zufall, dass sie diesmal mit Büchern über individuelle Methoden und Erfahrungen beginnen, wie sich der/die Einzelne durch Naturerfahrung, ob extrem oder alltäglich, möglicherweise höhere, auf jeden Fall aber optimistische Lebensperspektiven aneignen kann, aber in anhaltenden Corona-Zwängen kann das ja nicht schaden. Bemerkenswert ist dabei, dass das Erscheinungsdatum der beiden ersten Bücher knapp 90 Jahre auseinander liegt.
(Zur Systematik, oder besser gesagt: Anarchie, der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.)
Ewald Webers Pflanzenbuch: Wo die wilden Pflanzen wohnen
Berlin, 03. Februar (ssl) Wussten Sie, dass es Rechtswinder und Linkswinder gibt? Im Gegensatz zu den HänderInnen beim Menschen sind bei den Schlingpflanzen die Rechtswinder die Ausnahme, also jene, die sich – wie der Hopfen – im Uhrzeigersinn um ihre Stütze herum hochwinden. Dies und andere botanische Details wild wachsender heimischer Pflanzen lernt, wer „Wo die wilden Pflanzen wachsen“ des Potsdamer Biologen Ewald Weber liest. In dem mit anschaulichen bunten Aquarellen und Schwarzweiß-Zeichnungen von Rita Mühlbauer ausgestatteten Buch nimmt er sich kleine und große, unscheinbare und geradezu gewaltige Pflanzen vor und erklärt, wo ihr Platz im Gefüge der Biosphäre ist beziehungsweise wo der Mensch in seinem Bemühen, die Welt zu kultivieren, ihnen einen Platz gelassen hat.
In „Mondnacht – Fünf vor Zwölf“ trifft Klimaschutz auf Poesie
Berlin, 6. Oktober (ssl) Ein Buch, das lediglich politische Artikel über die Anforderungen des Klimaschutzes enthält, würde ich mir nicht kaufen, nicht einmal leihen, auch wenn in ihm verschiedene Standpunkte zusammengeführt werden, wie die Pariser Ziele zur Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen sind. Ich brauche es nicht mehr: Es hieße Eulen in Athen zu züchten. Das Buch „Mondnacht – Fünf vor Zwölf“ habe ich trotzdem gelesen, weil es solche Artikel mit klassischen Gedichten von Andreas Gryphius über Shakespeare, Goethe und Eichendorff bis Günter Plessow verbindet.
Und tatsächlich: Zunächst macht sich Enttäuschung breit, weil all die Forderungen und Statistiken wiederholt werden, die wir schon kennen. Da wirken die Gedichte, die nicht immer direkt mit dem Klimawandel in Zusammenhang zu bringen sind, beruhigend.
Berlin, 29. Oktober (ssl) Der vierte Teil meiner gesammelten pandemischen Leseerfahrungen beginnt mit einem Buch über eine prägende Fernseh- und Theatererfahrung meiner Kindheit und Jugend: „Herzfaden“ von Thomas Hettche, einem „Roman der Augsburger Puppenkiste“. Mal sehen, wie lange es diesmal dauert, elf Bücher zu lesen. Die Pandemie ist noch nicht zu Ende, mehr Arbeit als im zweiten Quartal gibt es auch nicht, sodass Zeit zur Verfügung steht. Wie immer, ist die Auswahl der Bücher mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Natürlich lese ich weder Bücher über Sachen, die mich überhaupt nicht interessieren, noch Romane, die mir schon vom Klappentext her nichts zu bringen scheinen. Aber das Bedürfnis, das Wissen in einem bestimmten Gebiet zu vertiefen. Oder (Vor-) Urteile innerhalb der Gesellschaft zu verifizieren oder zu falsifizieren. Oder Neugier. Oder eine Empfehlung oder einfach ein „Festlesen“ in einem Buch, das einem beim Nachschlagen in einem anderen in die Hände fällt. Oder ich greife mir eins, das ich schon immer mal lesen wollte. Die ersten drei Teile mit jeweils elf Buchbesprechungen mit Empfehlungen – oder eben auch nicht – finden die Leser hier und hier und hier. Und in diesem Beitrag stehen die nächsten.
Berlin, 22. August (ssl) Der dritte Teil meiner gesammelten pandemischen Leseerfahrungen beginnt mit einem aktuellen Topseller: „Sprich mit mir“ von TC Boyle. Auch wenn ich selbst im tiefsten Winter das „Draußen“ nie vernachlässigt habe, nahm doch der Literaturkonsum einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Nun, da der Frühling endlich eintritt, kann es sein, das der Buchkonsum quantitativ hinter Outdoor-Aktivitäten zurückstehen muss. Durch die harte Phase der Pandemie haben die Bücher aber sehr wohl geholfen. Deren Auswahl war und ist mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Das kann die Idee sein, das Wissen in einem bestimmten Gebiet zu vertiefen. Oder (Vor-) Urteile innerhalb der Gesellschaft zu verifizieren oder zu falsifizieren. Eine Empfehlung oder einfach ein „Festlesen“ in einem Buch, das einem beim Nachschlagen in einem anderen in die Hände fällt. Oder ich greife mir eins, das ich schon immer mal lesen wollte. Oder, wie bei Boyle, der Gang zum glücklicherweise geöffneten Buchladen. Die ersten beiden Teile mit jeweils elf Buchbesprechungen mit Empfehlungen – oder eben auch nicht – finden die Leser hier und hier , und in diesem Beitrag stehen die nächsten.
Berlin, 10. Januar (ssl) Die Pandemie verlangt uns allen mehr oder weniger große Verhaltensänderungen ab. Manche sind auch ganz willkommen. Zum Beispiel liest man mehr Bücher. Bei mir fing es mit der Diskussion um die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße an. Dazu nehme ich hier gar nicht weiter Stellung, aber ich überlegte mir, wenn alle vom deutschen Kolonialismus reden, würde ich doch gerne mal wissen, wie er sich in der Gesellschaft objektiviert hat, als „wir“ noch Kolonien hatten, und ich erinnerte mich eines Jugendbuches aus dem frühen 20. Jahrhundert in meinem Besitz. Es gab tatsächlich Aufschluss über den strukturellen Rassismus und Nationalismus in der damaligen deutschen Gesellschaft.