9000 Jahre in sechs Monaten

Meine Lektüre im ersten Halbjahr 2023 – Folge 12 des Corona-Lesetagebuchs

Berlin, 20. Juli 2023 (ssl) Wieder sind zehn Bücher über meinen Tisch gegangen, obwohl Corona vorbei ist. Die Inhalte reichen von echten Klassikern wie Alexander von Humboldts Tagebüchern über Sachbücher, die sich mit Ausgrabungen 9.000 Jahre alter Frauen- und Kinderleichen beschäftigen, uns aber viel über das menschliche Zusammenleben in der Jetztzeit lehren, bis zu spannenden Spionagethrillern. Das erste hier besprochene Buch ist ein meiner Ansicht nach unterschätzter Klassiker der Linguistik, der ebenfalls zahlreiche Aha-Effekte im Lesenden hervorruft: Victor Klemperers „LTI – lingua tertii imperii“ über die Sprache des Dritten Reiches.

(102) Klemperer, Victor: LTI – Notizbuch eines Philologen.

Gelesen als: Ditzingen (Stuttgart): 2010, 2020 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Reclam Taschenbuch Nr. 20624. Broschiert, 416 Seiten, kommentierte und mit einem Nachwort von Elke Fröhlich versehene Ausgabe. ISBN 978-3-15-020624-9, 13,– €

Über den Autor: Klemperer (9.10.1881 Landsberg (Warthe) – 11.2.1960 Dresden), Sohn eines Rabbis und Cousin des Dirigenten Otto Klemperer, studierte in München, Genf, Paris und Berlin Philosophie, Romanistik und Germanistik. Während seines Studiums konvertierte er zum Protestantismus. Im Ersten Weltkrieg diente er als Artillerist, und als Mitarbeiter der Militärzensur. 1920 wurde er zum Professor für Romanistik an die Technische Hochschule Dresden berufen. Verheiratet mit einer Nichtjüdin, wurde er während des Dritten Reichs nicht den schlimmsten Verfolgungen ausgesetzt, erhielt jedoch de facto Berufsverbot. Er überstand die verheerenden Luftangriffe in Dresden und entkam danach „im allgemeinen Chaos“ der Deportation. Unmittelbar danach entstand „LTI“, das 1947 erschien. Klemperer trat der KPD bei, blieb in der DDR, lehrte an verschiedenen Universitäten und wurde 1950 Mitglied der Volkskammer. LTI (Lingua Tertii Imperii – Die Sprache des Dritten Reiches) ist eines seiner bekanntesten Werke. Mehr Biografisches hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Klemperer

Inhaltsangabe: Der Autor arbeitet die Vereinnahmung der deutschen Sprache durch die Nationalsozialisten in ihrer Gewaltherrschaft auf und erläutert im Detail, wie sie in alle Lebensbereiche eindringt und selbst Unverdächtige oder Regimegegner ihr erliegen können. Unterlegt wird die Darstellung von autobiographischen Details.

Anlass der Lektüre: Stand schon lange auf meiner To Read-Liste. Zu Kauf und Lektüre bewog mich ein Tweet, der die Nazi-Methoden indirekt mit heutigen Versuchen der Sprachmanipulation in Beziehung setzte.

Bewertung: Eines der wichtigsten Bücher, die ich in den letzten drei Jahren gelesen habe. Es zeigt an wirklichen Beispielen, wie Worte in den Dienst grausamer Ideologien gestellt werden können. Ich befürchte, dass es aufgrund seines wenig aussagekräftigen Titels zu selten gelesen wird. Dabei ist es dank der ausführlichen Kommentierung nicht nur etwas für Sprachwissenschaftler/-historiker.

(103) Baticle, Jeannine: Goya – Höfling und Rebell

Gelesen als: Ravensburg: Maier, 1992. Abenteuer Geschichte, Bd. 24 (Ravensburger Taschenbuch). Übersetzt von Annette Fiebig. Originalausgabe: „Goya – d’or et de sang“ © 1986 Gallimard, Paris. Broschiert. 177X124 mm, 192 Seiten, viele farbige Abbildungen, ISBN 3-483-51024-6

Heute lieferbar: Nur antiquarisch, z. B. https://www.amazon.de/Francisco-Goya-H%C3%B6fling-Jeannine-Baticle/dp/B00DO0CL2S

Über die Autorin: Baticle (1920-2014) war eine französische Kunsthistorikerin und galt weltweit als eine der besten Kennerinnen der Spanischen Malerei. Sie arbeitete jahrzehntelang am Louvre und wurde dort zur Ehren-Chefkonservatorin ernannt.

Inhaltsangabe: Monographie Francisco de Goyas (1746-1828), einer der berühmtesten spanischen Maler. Neben einer auch für kunsthistorische Laien verständlichen Interpretation der Werke Goyas und ihrer Bedeutung für die Entwicklung der gegenständlichen Malerei zu Strömungen wie Impressionismus schildert die Autorin auch die Umwälzungen der Jahrzehnte der Französischen Revolution, die heftige Auswirkungen auch auf die spanische Gesellschaft hatte. Sie hebt besonders die zwiespältige Rolle eines Hofmalers hervor, der sich den neuen Strömungen nicht verschließen wollte, aber dennoch von den alten monarchistischen Hierarchien profitieren konnte.

Anlass der Lektüre: Stand ungelesen im Bücherregal.

Bewertung:Sowohl für historische als auch für kunsthistorisch Interessierte profitieren von der Lektüre, die wahrscheinlich für Fachleute nichts Neues bringt, aber das Leben und die Epoche Goyas so zusammenfasst, dass das Lesen Spaß macht. Das Buch ist sehr üppig mit Bildern ausgestattet. Manchmal holpert die Übersetzung ein wenig.

(104) Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.): Arktis – Zwischen Konflikt und Kooperation

Gelesen als/Heute lieferbar: Berlin: Auslandsinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung, 39. Jahrgang, Heft 1/2023. 124 Seiten, broschiert. Zahlreiche Fotos und Graphiken. ISSN: 0177-7521, 10,– €

Inhaltsangabe: Überblick über den Stand der politischen Entwicklungen im Nordpolargebiet unter dem Aspekt des Klimawandels und der gegenwärtigen Krise zwischen den Arktis-Anrainern und den an Polarforschung und -exploration interessierten Staaten. Die Region bietet, wenn das Eis weiter schmilzt, geo- und machtpolitische Herausforderungen, wie sie seit der Kolonisierung nicht bewältigt wurden. Dazu ein kurzes Kapitel über die Verhältnisse am Südpol.

Anlass der Lektüre: Bestandteil einer regelmäßigen Zusendung.

Bewertung: Hervorragende Zusammenfassung, die nicht nur ein Licht auf die Probleme der internationalen Forschung seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine gibt, die sich ähnlich auf anderen Gebieten internationaler Zusammenarbeit stellen, bei denen es auch um globale Dominanz geht, etwa der Raumfahrt. Dazu kommen die ohnehin vorhandenen Probleme, die der Klimawandel aufwirft, die aber auch Chancen bedeuten. Die Berichte weisen auf wichtige offene Fragen hin, mit denen sich Forschung und vor allem Politik schnellstens auseinandersetzen müssen, etwa, ob die Ausbeutung der Ressourcen, nach denen die Staaten (noch) gieren, überhaupt klimapolitisch verantwortbar ist. Anders formuliert: Es mag ja sein, dass da Milliarden Barrel Öl und Kubikkilometer Gas liegen, aber was sollen wir damit nach der Energiewende machen?

© Hanser Verlag

(105) Boyle, T.C.: Blue Skies Was passiert, wenn die Natur zurückbeißt?

Gelesen als: Roman, übersetzt von Dirk van Gunsteren. München: Carl Hanser Verlag 2023. Gebunden, Schutzumschlag, 400 Seiten. ISBN 978-3446276895. 28,–€

Über den Autor: Boyle (*1948 New York) ist eine der derzeit populärsten amerikanischen Romanschriftsteller. Er erfreut sich besonders in Deutschland großer Beliebtheit. Sohn eines Busfahrers und einer Sekretärin, studierte er an der State University of New York Englisch und Geschichte und begann während seiner Tätigkeit als Lehrer an einer High School zu schreiben. „An der University of Iowa nahm er erneut das Studium auf und erwarb 1977 einen Doktorgrad (Ph.D.) in englischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Außerdem besuchte er den Writers‘ Workshop derselben Universität unter der Leitung von John Irving, der zu seinem Mentor wurde.[3] Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit lehrte Boyle seit 1978 Englisch an der University of Southern California, seit 1986 als ordentlicher Professor. … Seit 2009 ist er Mitglied der American Academy of Arts and Letters.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/T._C._Boyle)

Inhaltsangabe: Eine ganz normale amerikanische Familie mit all den Mainstream-Verrücktheiten und irren Konsum- und Stilansprüchen leidet unter den apokalyptischen Entwicklungen wie Dürre und Überflutungen, die der Klimawandel in Kalifornien und Florida verursachen könnte.

Bewertung: Obwohl er regelmäßig die Bestsellerliste stürmt, gehört Boyle zu meinen Lieblingsautoren, und er hat mich mit seiner Erzählweise auch mit diesem Buch nicht enttäuscht. Auch wer immer noch nicht an den Klimawandel glaubt, sollte es lesen.

(106) Lewis, Herbert Clyde: Gentleman über Bord

Gelesen als: Roman, übersetzt von Klaus Bonn, mit einem Nachwort von Jochen Schimmang. 1. Auflage, Hamburg: mareverlag 2023, 172 Seiten, Ganzleinen im Schuber, ISBN 978-3-86648-696-6, 28,– €. Originalausgabe: Gentleman Overboard, New York: Viking Press, 1937

Über den Autor: Lewis (1909-1950) war ein amerikanischer Journalist, Drehbuchautor und Schriftsteller, der unter anderem als Nachrichtenredakteur beim New York Herald arbeitete. „Gentleman Overboard“ ist sein erstes Buch. Die vorliegende Ausgabe ist die erste deutsche Übersetzung.

Inhaltsangabe: Ein Mann in der Midlife Crisis nimmt eine Auszeit auf einem langsamen Dampfer von Honolulu nach Panama. Zwischen all den Herrschaften der besseren amerikanischen Gesellschaft der 1920/30er Jahre stolpert er eines Tages so unglücklich , dass er über Bord geht, was aber zunächst niemand merkt. Wer nun allerdings Abenteuer auf See erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr gibt der Autor dem Schiffbrüchigen in den Weiten des Pazifiks Gelegenheit, über sein Leben und die besagte Gesellschaft nachzudenken. Er schafft es hervorragend, daneben die Spannung über die Frage aufrechtzuerhalten, ob der Schiffbrüchige gerettet wird oder nicht. Der Leser schwimmt geradezu mit.

Anlass der Lektüre: Geschenk.

Bewertung: Perfekte Satire auf das Leben in New York und die fragwürdigen Probleme der reicheren Amerikaner, die sich seit der beschriebenen Zeit in ihrer Struktur wohl kaum geändert haben. Das Buch ist nicht nur eine wahre Lesefreude, sondern ein gelungenes Experiment einer ungewöhnlichen Erzählperspektive für innere Monologe. Auch die Äußerlichkeiten des Buches sind perfekt: Aufwändig gestaltet, eignet es sich hervorragend als Geschenk. Wer es verschenkt, sollte es aber wirklich selbst lesen, um nichts zu verpassen.

(107) Slessor, Tim: First Overland. Als erste im Land Rover 18.000 Meilen von London nach Singapur.

Gelesen als: Reisebericht, übersetzt von Ulrike Frey und Monika Keipert. Mit einem Vorwort von Sir David Attenborough. München: Malik (Piper Verlag) 2023, 384 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Karten, Hardcover, Schutzumschlag. ISBN 978-3-89029578-7, 26,– €. Originalausgabe: First Overland, London-Singapore by Land Rover. Oxford: Signal Books 2015. Frühere Ausgabe: Forst Overland. The Story of the Oxford and Cambridge Far Eastern Expedition, London: George G. Harrap & Co. Ltd. 1957

Über den Autor: Slessor (*1931) ist einer von sechs Studenten, die sich 1955/56 zu der im Titel beschriebene Reise aufmachten. Danach arbeitete er 30 Jahre lang für die BBC und brachte es bis zum stellvertretenden Chef der Dokumentarfilmabteilung, bevor er als freier Autor niederließ. 2019 wollte er die beschriebene Reise mit anderen, darunter einem seiner Enkel, in (u.a.) einem der originalen Land Rovers in die andere Richtung wiederholen, konnte aber wegen Krankheit nicht teilnehmen. Die Expedition war trotzdem erfolgreich. (https://en.wikipedia.org/wiki/Tim_Slessor)

Inhaltsangabe: Die Reise von sechs Studenten von London in den Fernen Osten auf dem Landweg. Die Länge der Strecke und der Weg waren in den 1950er Jahren ein „First“. Sie wurde gesponsert von der Autofirma und von umfangreichen Marketingaktivitäten der sechs Studenten vor und während der Reise.

Anlass der Lektüre: Geschenk.

Bewertung: Spannende Lektüre. Wer Abenteuer mag, ist hier gut bedient und kann nur wie der Schweizer Autor Raoul Schrott (der immerhin ein Buch über die Magellan-Weltumsegelung geschrieben hat) sagen: „Ich wollte, ich wäre bei dieser Fahrt dabei gewesen.“ (Q: Schutzumschlag)

© Rowohlt Verlag

(108) Meller, Harald, und Michel, Kai: Das Rätsel der Schamanin – Eine archäologische Reise zu unseren Anfängen

Heute lieferbar: Hamburg, Rowohlt 2022. 368 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, zahlreiche Abbildungen, Grafiken und Karten. ISBN 978-3-498-00301-2. 28,– €

Über die Autoren: Meller (*1960) ist Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Museumsdirektor und Professor für Archäologie in Halle (Saale). Er war an der Sicherstellung der Himmelsscheibe von Nebra beteiligt und leitete die Ausgrabungen an der Grabstätte der Schamanin. Michel (*1967) ist Historiker und Literaturwissenschaftler. Mitautor an „Tagebuch der Menschheit“ und „Die Wahrheit über Eva“. Beide zusammen schrieben „Die Himmelsscheibe von Nebra“, laut Klappentext „das erfolgreichste deutsche Archäologiebuch der letzten Jahre“.

Inhaltsangabe: Das Buch fasst die Forschungen zu Ausgrabungen seit 1936 in Bad Dürrenberg zusammen, bei die sterblichen Überreste einer Frau freigelegt wurden, die zunächst für einen Mann gehalten wurde und deren Tätigkeit als Schamanin erst bei einer gründlicheren Untersuchung ohne nationalsozialistische Scheuklappen ans Licht kamen . Zugleich beleuchten die Analysen aus den Grabbeigaben und dem Zustand des Skeletts das Leben auf dem Boden des Landes, das wir heute Deutschland nennen, in den Jahren des Übergangs vom Jäger-und-Sammler-Dasein zur Sesshaftigkeit und dem Entstehen der Landwirtschaft vor rund 9000 Jahren.

Anlass der Lektüre: Geschenk.

Bewertung: Verständlich geschriebenes Sachbuch, das mit zahlreichen Mythen und Vorurteilen rassistischer Art aufräumt und zugleich interessanten Einblick in die Forschung zur Lebenswirklichkeit des beginnenden Holozäns gibt. Wer auf zugleich wissenschaftliche und unterhaltsame Weise lernen will, wo er wirklich herkommt, ist mit dieser Lektüre gut bedient.

(109) Boyd, William: Ruhelos

Gelesen als: Berlin: Berlin Verlag 2007; 3. Auflage 2007. Gebunden, Schutzumschlag, 368 Seiten. Heute lieferbar: Taschenbuch, Berliner Taschenbuch Verlag, 384 Seiten, ISBN:‎ 978-3833305368, 12,– €

Über den Autor: Boyd (*1952 Ghana) schreibt Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher. Für „Ruhelos“ erhielt er den Costa Novel Award 2006.

Inhaltsangabe: Spionagethriller mit allen üblichen Zutaten, insbesondere aber mit dem den Geheimdiensten üblicherweise nachgesagten Um-die Ecke-denken. Spielt zwischen London, Paris, New York.

Anlass der Lektüre: Wiedergelesen; Buch stand im Regal, und ich konnte mich an den Inhalt nicht mehr erinnern.

Bewertung: Spannend von vorne bis hinten ohne Risse im Erzählfaden. Wer zu Paranoia neigt, sollte es nicht lesen.

(110) Humboldt, Alexander von: Das Buch der Begegnungen. Menschen – Kulturen – Geschichten aus den amerikanischen Reisetagebüchern

Gelesen als: München: Manesse (Random House) 2018. 400 Seiten, Ganzleinen, gebunden, Großformat, zahlreiche Abbildungen und Karten, ausführlicher Apparat. ISBN 978-3-7175-2444-1. 45,–€

Über den Autor: Alexander von Humboldt (1769-1859 in Berlin) war Forschungsreisender und wird oft als einer der größten Universalgelehrten Deutschlands bezeichnet. Er hatte ein umfassendes Bildungsideal und ist der Prototyp des aufgeklärten Wissenschaftlers. In Deutschland wurde er zwar zu Lebzeiten hoch geachtet, aber dann bis zum Ende des 20. Jahrhunderts eher unterbewertet. Er sympathisierte mit den Ideen der französischen Revolution und lebte viele Jahre in Paris. Einen große Teil seiner Veröffentlichungen verfasste er in französischer Sprache.

Als erster Europäer machte er sich an die Besteigung des zweithöchsten Berges der Amerikas, des Chimborazo. Obwohl er es nicht bis zum Gipfel schaffte, gelten seine Forschungen auf den Reisen durch Südamerika als bahnbrechend. Im Gegensatz zu den meisten zeitgenössischen Wissenschaftlern propagierte er von Anfang seiner Laufbahn an einen bereichsübergreifenden Wissenschafts- und Erkenntnisbegriff, missbilligte den Kolonialismus und sprach sich vehement gegen die Sklaverei aus. Zwar konnte er seine Amerika-Reisen aus dem Erbe seiner Eltern finanzieren, später war er aber auf eine Anstellung am preußischen Hof angewiesen. Mit seinem umfassenden Werk „Kosmos“ versuchte er die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Erde integriert zu erfassen.

Inhaltsangabe: Auszüge aus Humboldts Tagebüchern seiner Amerikareise. Sie blenden den naturwissenschaftlichen Aspekt weitgehend aus und konzentrieren sich auf soziologische und zwischenmenschliche Aspekte.

Anlass der Lektüre: Geschenk.

Bewertung: Schon die aufwändige und geschmackvolle Aufmachung reizt zum Lesen, für Humboldt-Fans wie mich hätte es dessen nicht bedurft. Vermutlich bergen die Tagebücher noch viele versteckte Einzelheiten zum Lernen und zum Korrigieren von Vorurteilen. Zum Beispiel mutmaßt er, dass es in Südamerika Menschengruppen geben könnte, die sich bereits einer Schrift bedienten, diese Kultur aber später wieder aufgegeben haben. Außerdem erinnerte ich mich bei Humboldts Schilderung einer Begräbnisstätte am Oberlauf des Orinoco an Rituale ähnlich den europäischen, die im gerade zuvor gelesenen Buch über die Schamanin von Bad Dürrenberg (#108) beschrieben werden, und dachte mir, dass die Theorie, dass manche heute als kulturelle Handlungen bezeichnete Verhaltensweisen vielleicht doch strukturell irgendwie in der menschlichen Rasse angelegt sind. Aber ich bin ja kein Forscher.

Warum ich das blogge

Warum ich das blogge? Mit „Nachhaltig lesen“ ist für mich eine neue Freizeitbeschäftigung entstanden. Sie besteht aus mehr als nur „Lesen“. Zunehmend wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr einfach nur zum Zeitvertreib lesen und mich bestenfalls in die Welt der Handelnden oder des beschriebenen Sachgebiets hineindenken wollte. Vielmehr habe ich mir mit der selbst gegebenen Archivierungsstruktur ein bisschen Disziplin verordnet, nämlich: das Was, Wie und Warum jedes Buches zu erkennen und im Kopf mitteilungsfähig aufzuarbeiten. Am Ende hat man so tatsächlich mehr von der Lektüre. Um dem Vergessen vorzubeugen, lese ich nicht nur weiter, sondern schreibe die gewonnenen Erkenntnisse auch weiter in diesem Blog auf.

Ein Wort an die Verlage

Liebe Verlage, die das lesen: Wenn Sie hier auch erscheinen wollen – nur zu. Senden Sie mir Ihr Programm: thomas.rietig@rsv-presse.de Ich bestelle garantiert nur Rezensionsexemplare, von denen ich mir Lesegenuss verspreche. Jedes Buch bekommt eine eigene Besprechung von ca. 3.000 bis 5.000 Zeichen plus Buchdeckelbild und eine Kurzrezension in der vierteljährlichen Buchliste. Zur Systematik (oder besser gesagt: Anarchie) der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.

Zur Auswahl der Bücher

Wie immer, ist die Auswahl der Bücher mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Dass ich hier Beschreibungen meiner Lektüre veröffentliche, hat folgenden Hintergrund: Oft sind mir Inhalte der Lektüre nach einiger Zeit nicht mehr präsent. Da habe ich mir gedacht, ich schreibe sie nach der Lektüre kurz auf. Und wenn ich das schon tue, dachte ich mir weiter, kann ich das Geschriebene auch gleich in das Blog stellen, um vielleicht andere Menschen zu Lektüre anzuregen.

Natürlich lese ich keine Bücher zu Themen, die mich überhaupt nicht interessieren, oder Romane, die mir schon vom Klappentext her nichts zu bringen scheinen. Meine Auswahl wird bestimmt durch das Bedürfnis, das Wissen in einem bestimmten Gebiet zu vertiefen. Oder (Vor-) Urteile innerhalb der Gesellschaft zu verifizieren oder zu falsifizieren. Oder die Bücher werden mir als Besprechungsexemplare angeboten. Oder Neugier. Oder eine Empfehlung oder einfach ein „Festlesen“ in einem Buch, das einem beim Nachschlagen in einem anderen auffällt. Oder ich greife mir aus meinen überfüllten Regalen eins, das ich schon immer mal lesen wollte. 

Die mehr als 100 Bücher, die seit Pandemiebeginn bereits über meinen Nachttisch gegangen sind, finden Leserinnen und Leser beim Blättern durch den Blog https://www.schienestrasseluft.de

Für Anregungen und konstruktive Kritik bin ich jederzeit dankbar. Falls jemand sich in irgendwelchen Rechten verletzt fühlen sollte, bitte ich vor der Einleitung rechtlicher Schritte um ein klärendes Gespräch. Probleme lassen sich bestimmt gütlich und ohne Aufwand lösen.