Leisters neuer Roman „Das U-Boot“ spielt wieder mit dem Tunnelmotiv
Berlin, 07. Juli (ssl) Als Hans Leister mir sein neuestes Buch „Das U-Boot“ zur Rezension anbot, zögerte ich vor der Zusage kurz. Das Buch eines langjährigen Bekannten und Kollegen besprechen? „Was“, dachte ich, „wenn du es am liebsten verreißen würdest?“ Ich hatte sein erstes Buch nicht gelesen, deshalb wusste ich nicht, was mit dem „Thriller“ auf mich zukam, einem Genre, dem ich weniger zuneige. Dann dachte ich: Das muss die Bekanntschaft aushalten. Nach der Lektüre kann ich sagen: Es wird nicht zum Bruch kommen.
Der Autor hat Glück gehabt, dass Lothar-Günther Buchheim seinen epochalen Bestseller über ein Unterseeboot im Zweiten Weltkrieg nur „Das Boot“ genannt hat, sodass Leister etwas präziser werden konnte. Bei allem Wohlwollen lasse ich mal offen, ob „Das U-Boot“ die Berühmtheit von „Das Boot“ erreichen wird. Vielleicht sollte Leister Herbert Grönemeyer oder Jürgen Prochnow ein Exemplar schicken.
Aber im Ernst: Tunnelangst sollte man nicht haben, wenn man zu lesen beginnt. Leisters Buch startet zwar relativ harmlos in der realen Welt. Wobei ich das unter dem Vorbehalt schreibe, dass es in der israelischen Marine tatsächlich U-Boote gibt, in denen, vom Kommandanten abgesehen (er stirbt im Lauf der Handlung), nur Frauen Dienst tun. Ich weiß es schlicht nicht. Der Autor lässt an keiner Stelle Zweifel daran, dass es sich bei einem U-Boot um nichts anderes als eine Waffe handelt, die außer zum Verbreiten tödlichen Schreckens nur noch zur Abschreckung eventueller Feinde dient. Ein Offizier eines US-Atom-U-Boots bringt es bei einer Begegnung auf den Punkt: Es gebe nur zwei Sorten von Schiffen auf den Meeren, nämlich „U-Boote und Ziele.“ Also nichts mit bitter-herber „Jawoll, Herr Kaleu!“-Nostalgie.
Das spürt auch die Protagonistin, für die Romantik lediglich zu Lande stattfindet. Leister legt zu Anfang des Buches geschickt eine Finte, indem er die ich-erzählende israelische Soldatin Leah und – mit Hilfe eines auktorialen Erzählers – den jungen Palästinenser Tarik abwechselnd Dinge erleben lässt, die durchaus hätten passieren können. Leah macht Karriere im U-Boot, Tarik baut Tunnel zwischen Ägypten und Gaza. Der Leser denkt: „Tja, politisch kompliziert, aber die kriegen sich“, obwohl Leah von ihrem geliebten Mann schwanger wird. Es wird noch ein bisschen komplizierter und verlässt nach dem ersten Drittel, für die Protagonisten natürlich unter Wasser bzw. im Tunnel, die Realität in Richtung auf eine apokalyptische Fiktion, die wir hier aus Spannungsgründen nicht weiter elaborieren wollen. Und die auch bitte Fiktion bleiben möge. Nur so viel: Sie kriegen sich nicht wirklich.
Ein U-Boot – ein Tunnel
Mit Tunnels hat es Leister ohnehin. Er war jahrelang Sprecher für Eisenbahnunternehmen, und sein erstes Buch trägt den Titel „Der Tunnel“. Daher nimmt auch der neue Gotthardtunnel im „U-Boot“ einen prominenten Platz ein, sorry für das Wortspiel. Und ein U-Boot ist auch irgendwie ein Tunnel.
Dass Leister viel recherchiert hat, ist dem Buch anzumerken. Es wertet es ebenso auf wie der Umstand, dass viel Politisches einfließt. Die israelisch-arabisch-palästinensische Lebenswirklichkeit kommt gut rüber. Wie es in der Armee des Landes, speziell in der Marine, zugeht, weiß ich natürlich nicht, Leisters Schilderung klingt aber plausibel. Warum soll es dort anders sein als in der Bundeswehr? Nur Nazis wird es dort wohl nicht geben, und Frauen haben wahrscheinlich ein besseres Standing als bei uns. Auch das deutsch-israelische Verhältnis thematisiert der Autor. Denn die (alle?) israelischen U-Boote kommen aus deutschen Werften, sie tragen (nicht in Deutschland gebaute) Atomwaffen, mit denen sie durchs Mittelmeer und wer-weiß-wo-noch fahren, um eventuell angriffslustige Feinde mit der Möglichkeit eines nuklearen Gegenschlags abzuschrecken.
Das Buch ist unprätentiös geschrieben. Es wollte etwas erzählen und keine Stilikone werden. Man legt es nur schwer wieder weg, wenn man einmal begonnen hat. Stilistisch etwas gebrochen kam mir die unterschiedliche Beschreibung des Ambientes zwischen Realität und Fiktion vor: Während am Anfang ganz Israel und Gaza sich vor uns ausbreiten, reduziert sich der Schluss mehr oder weniger auf abstraktes Setting. Auch wenn das Absicht gewesen sein sollte, so ganz gefällt es mir nicht. Und etliche Cliffhanger im ersten Teil wären nicht nötig gewesen, etwa: „Wäre es anders gekommen, wäre ich heute tot. Wie so viele.“ Es ist auch so spannend genug.
Leister, Hans: Das U-Boot. Thriller. München: Benevento Verlag 2022. Gebunden mit Lesezeichen, 408 Seiten. ISBN 978-3-7109-0123-2, 22,– €