Meine Lektüre im vierten Quartal 2022 – Von Rilke über Grimm bis Lalami
Berlin, 31. Dezember 2022 (ssl) Ob Rache oder Imperialismus: Reisen aus Rache oder zu imperialistischen Zwecken bergen stets ein hohes Risiko des Scheiterns. Das zeigen die Berichte schicksalhafter Unternehmungen, die einen wesentlichen Anteil an meiner Lektüre im vierten Quartal 2022 ausmachten. Tragisch endete der Rachefeldzug der Nibelungen ins Land der Hunnen, tragisch auch so manche Eroberung in der Neuen Welt – nach vielen Jahren erfolgreich dagegen aber die wissenschaftliche Expedition zur Vermessung der Erde ins heutige Ecuador. Daneben standen Klassiker wie der einzige Roman Rainer Maria Rilkes oder die Kurzgeschichten voll englischen Humors von Saki in einer bibliophilen Ausgabe.
Gerhard Rekels Biographie über „Monsieur Orient-Express“ Georges Nagelmackers
Berlin, 15. Oktober (ssl) Es gehört schon Mut dazu, noch ein Buch über den Orient-Express zu veröffentlichen. Die Literatur über das transeuropäische Netz von Luxuszügen und das zugehörige Verkehrsunternehmen „Compagnie Internationale de Wagons-Lits“ (CIWL) füllt bereits einige Regalmeter, weshalb viel Neues über die Welt der reichen und schönen Touristinnen und Touristen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts nicht mehr zu recherchieren ist. Im Gegenteil, es ist bereits einiges hinzugedichtet worden, wenn wir nur an Agatha Christie oder Ian Fleming denken.
Gerhard J. Rekel hat als Sujet seines Buchs „Monsieur Orient-Express“ die noch nicht ganz so „ausliterarisierte“ Biographie Georges Nagelmackers‘ gewählt, der vor 150 Jahren, am 1. Oktober 1872, die „Compagnie Internationale de Wagons-Lits“ gründete. Damit wollte er sein Projekt realisieren, internationale Fernzüge ohne Rücksicht auf Grenzen von Nationalstaaten durch Europa fahren zu lassen.
Meine Lektüre im zweiten Quartal 2022 – Viel über die „lost generation“ und „lost“ Polarforscher
Berlin, 26. Juni 2022 (ssl) Die Leseerfahrungen der vergangenen drei Monate umfassen Sachbücher zu historischen und aktuellen Themen, etwa Verschwörungstheorien, aber auch Romane aus Gegenwart und Vergangenheit. Dabei stellten sich sowohl erwartete als auch überraschende Erkenntnisfortschritte ein. Es sind etwas mehr geworden als in der vorherigen Folge, weil sich immer mehr Bücher aufgefordert und unaufgefordert in meinem Briefkasten bzw. den Gabentischen sammeln und zugleich die anderen Aktivitäten, wohl wegen der Nachwehen der Pandemie, noch nicht wieder volle Fahrt aufgenommen haben. Allerdings habe ich eine Fernreise mit dem Neun-Euro-Ticket unternommen , die reichlich Gelegenheit zum Lesen bot.
Zur Systematik, oder besser gesagt: Anarchie, der Buchauswahl finden Sie etwas am Ende des Posts.
Maria Kapellers „Lovely Planet“: Grundlagen für ethisch reflektiertes Reisen
Berlin, 15. April (ssl) Wie der Zufall so spielt, lag zeitgleich mit der Lektüre von „Lovely Planet“ ein Prospekt eines großen deutschen Bekleidungshauses im Briefkasten. Bei dem Buch der österreichischen Reisejournalistin Maria Kapeller mit dem Untertitel „Mit dem Herzen reisen und die Welt bewahren“ geht es darum, den nach ihrer Ansicht dem Menschen immanenten Drang zur Mobilität so weit zu zähmen und in den Dienst des verantwortungsvollen Lebens zu stellen, dass das schlechte Gewissen Ruhe gibt. In dem Prospekt geht es darum, Klamotten zu verkaufen. Beide Publikationen beschäftigen sich zugleich mit der Klimakrise: der Prospekt, weil das Unternehmen das einschlägige Zertifikat für die Compliance braucht; das Buch, weil die Autorin das Reisen kritisch-konstruktiv reflektiert.
Zur Erinnerung an Gerd Reuter: 6. Oktober 1944 – 19. Dezember 2017
Berlin, 09. Januar (ssl) Es gibt Menschen, die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes geschrieben haben und trotzdem fast nie auf Bildern historischer Ereignisse zu sehen sind. So einer ist Gerd Reuter. Als Korrespondent arbeitete er für die Deutsche Presse-Agentur in Paris, Kopenhagen und Buenos Aires, zuletzt in Bonn und Berlin. Meines Wissens hat er keine Journalistenpreise gewonnen. Wenn doch, bitte ich um Entschuldigung. Dann hat er jedenfalls nicht darüber gesprochen, sodass ich nichts davon mitbekommen habe, und das spricht für seine Bescheidenheit.„Wir sehen uns beim Aftertable“ weiterlesen →
Anekdoten und ein Nachruf zum Tod des Kanzlers der Einheit
Berlin, 17. Juni (ssl) Helmut Kohl hat mein Selbstverständnis als politischer Journalist nachhaltig geprägt. Ehrlich gesagt, habe ich niemals das klassische Interview mit ihm geführt, anders als mit Gerhard Schröder oder Angela Merkel. Aber ich habe von 1995 bis zu seiner Abwahl 1998 zahlreiche Auslandsreisen und Parteitage mit ihm erleben dürfen, darunter auch solche mit sehr wenigen anderen Journalisten. Ich habe von ihm gelernt, wie ein professionelles zoon politicon tickt. Aber ich habe von ihm auch gelernt, dass Lust und Freude ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist. Nicht gelernt habe ich von ihm, wie man seine Familie behandelt. Da war er eher das abschreckende Beispiel. Der sachliche Teil des folgenden Nachrufs, im folgenden kursiv geschrieben, erschien in der heutigen Ausgabe der „Nürnberger Zeitung“. Der 17. Juni ist wahrlich ein passender Tag, um an Helmut Kohl zu denken.Reisen mit Helmut Kohl weiterlesen →
Eine Lehrstunde in Pressearbeit der türkischen Regierung
Berlin, 9. März (ssl) Nur selten haben deutsche Journalisten in diesen Tagen die Möglichkeit, türkischen Regierungsmitgliedern direkt und ohne Voranmeldung Fragen zu stellen. Am Mittwoch auf der ITB Berlin 2017 war das möglich. Es trat auf: der türkische Minister fürTourismus, Nabi Avci, flankiert von einigen Hotel- und Fremdenverkehrsverbandsfunktionären. Der gemütlich aussehende ältere Herr hatte die undankbare Aufgabe, in Deutschland für Urlaub in der Türkei zu werben. „Waren Sie schon mal in der Türkei?“ weiterlesen →