Meine Lektüre im vergangenen Corona-Jahr
Berlin, 10. Januar (ssl) Die Pandemie verlangt uns allen mehr oder weniger große Verhaltensänderungen ab. Manche sind auch ganz willkommen. Zum Beispiel liest man mehr Bücher. Bei mir fing es mit der Diskussion um die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße an. Dazu nehme ich hier gar nicht weiter Stellung, aber ich überlegte mir, wenn alle vom deutschen Kolonialismus reden, würde ich doch gerne mal wissen, wie er sich in der Gesellschaft objektiviert hat, als „wir“ noch Kolonien hatten, und ich erinnerte mich eines Jugendbuches aus dem frühen 20. Jahrhundert in meinem Besitz. Es gab tatsächlich Aufschluss über den strukturellen Rassismus und Nationalismus in der damaligen deutschen Gesellschaft.
Nachdem ich dieses Buch hinter mir hatte, überlegte ich mir, dass ich einige andere der teilweise ungelesenen Bücher, die in meinen Regalen verstauben, lesen könnte, um den pandemiebedingten Kulturmangel auszugleichen. Das Ergebnis war ein willkürlicher Streifzug durch (bisher zufällig nur Deutschland betreffende) Literatur und Geschichte. Nachstehend die zugehörigen Notizen, erstens, um mich später leichter erinnern zu können, und zweitens, um hier im Blog die eine oder andere Anregung zu geben.
(1) Meister, Friedrich: Muhérero rikarera (Nimm dich in acht, Herero!)
Gelesen in: Originalausgabe: Leipzig: Abel und Müller 1904. Als Paperback lieferbar: Verlag CreateSpace Publishing 2018 (Serie: Die ferne Zeit, Band 31) ISBN: 9781986606219 (lt. Verlag neu https://www.barnesandnoble.com/w/muherero-rikarera-friedrich-meister/1128231683)
Inhaltsangabe: Willy und Karl sind junge Offiziere in der kaiserlichen Kriegsmarine. Als sie auf einem Ballfest des britischen Gouverneurs von Malta sind, kommt es zu einem Streit, der weitreichende Folgen hat. Unterdessen braut sich über Deutsch-Südwestafrika ein Sturm zusammen.
Über den Autor: Friedrich Meister war ein deutscher Seeoffizier und Schriftsteller. Er wurde 1848 Baruth, Brandenburg geboren und starb in 1918 Berlin. Beruhend auf seinem zehnjährigen Leben auf See schrieb er zahlreiche See- und Kolonialerzählungen und bearbeitete klassische Abenteuerromane, u.A. von Marryat und Cooper. Er verfasste auch einige Science-Fiction-Geschichten. https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/meister.html
Bewertung: Außer zu Studienzwecken über das gesellschaftliche Klima in deutscher Kolonialzeit nicht lesenswert, erst recht nicht als Jugendbuch. Ja, es hat rassistische Tendenzen. Europäer, speziell Deutsche, werden als überlegen hingestellt, es wird kein Zweifel daran gelassen, dass sich die Ureinwohner unterzuordnen haben (siehe auch Titelübersetzung). Von dem bevorstehenden Völkermord ist allerdings nichts zu ahnen, er wird durch den Autor auch nicht im entferntesten als bevorstehend beschrieben.
Anlass: Dekolonialisierungsdebatte in Deutschland, Originalausgabe auf kolonialistisch-rassistische Tendenzen hin gelesen.
(2) Mann, Heinrich: Pippo Spano
Gelesen in: Ders., Novellen. Erstmals erschienen 1903. Leipzig: Reclam (DDR) ca. 1970. Heute lieferbar: Heinrich Mann: Künstlernovellen. Pippo Spano – Schauspielerin – Die Branzilla. (= Reclams Universal-Bibliothek. 8381). Stuttgart 1987, ISBN 3-15-008381-8.
Inhaltsangabe: Der Schriftsteller Mario Malvolto möchte tapfer sein wie weiland sein Idol, der Türkenbezwinger Pippo Spano. Der Modeliterat wird aber als Mörder verschrien. (https://de.wikipedia.org/wiki/Pippo_Spano)
Über den Autor: Heinrich Mann (1871-1950), berühmt eher durch seine Romane. Präsident der Preußischen Akademie der Künste 1930-1933.
Anlass der Lektüre: Nach (1) entstand der Wunsch nach einem Stück „hoher“ Literatur aus derselben Zeit.
Bewertung: Wunsch erfüllt. Menschliches Problem des Versagens beim Erreichen hoher Ziele an einem in historischen Kontext eingebettetes Schicksal dargestellt. Für heutige Verhältnisse sehr abstrakte Schilderung, aber gut lesbar.
(3) Bermann, Richard: Das Urwaldschiff
Gelesen im Original: Erschienen 1927. Das Urwaldschiff. Ein Buch vom Amazonenstrom. Von Richard A. Bermann. Mit acht farbigen Bildern nach Aquarellen von Franz Heckendorf. Berlin: Volksverband der Bücherfreunde, Wegweiser-Verlag 1927. Heute lieferbar: Kostenlos als E-Book im Amazon eBook-Shop (https://amzn.to/3mZ2PQm)
Inhaltsangabe: Ein Realschullehrer will für eine gewisse Zeit dem Schulalltag entfliehen und bucht ein teures Ticket für eine Amazonas-Flusskreuzfahrt. Er scheitert tödlich, wahrscheinlich durch Selbstmord, weil aus der Kreuzfahrt aus politischen Gründen nichts wird. In einem brasilianischen Bundesstaat im weiteren Verlauf der Flussreise ist ein Rebellion ausgebrochen. Am erzwungenen frühzeitigen Wendepunkt geht der Lehrer wie viele andere vorübergehend zur Stadtbesichtigung von Bord und mehr oder weniger zu Fuß in den Dschungel, kehrt aber im Gegensatz zu den Mitreisenden nicht wieder aufs Schiff zurück, um die Rückreise anzutreten.
Über den Autor: Richard Arnold Bermann (1883 in Wien – 1939 in Saratoga Springs, USA), Pseudonym Arnold Höllriegel, war ein österreichischer Journalist und Reiseschriftsteller.(https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Arnold_Bermann). Promovierter Romanist. Bereiste die Welt, u.a. das Amazonasgebiet. 1938 nach dem „Anschluss“ emigriert.
Anlass der Lektüre: Buch war im Bestand, und da mich der Zeitraum der Veröffentlichung interessierte, las ich es.
Bewertung: Unbedingt lesenswert. Der Autor produziert ein durchaus kritisches Bild der Mehr-Klassen-Gesellschaft angesichts des elitären 1.-Klasse-Publikums auf dem Dampfer, verwendet aber, wenn auch äußerst selten, ein Vokabular, das heute nicht bestehen würde, in dem etwa pejorativ konnotiert das Adjektiv „vernegert“ vorkommt.
(4) Tanera, Karl: Wolf der Junker
Gelesen in Originalausgabe Kriegsgeschichte aus der Zeit Ludwigs XIV. Erschienen 1907 als Buch für „die reifere männliche Jugend“. („Prachtband 3,50 Mark“), 3. Auflage: Leipzig: Ferdinand Hirt & Sohn 1907.
Inhaltsangabe: Eine Liebes- und Abenteuergeschichte aus der (auch nach aktueller Geschichtsschreibung) teils unmenschlichen Besetzung des linksrheinischen Speyer 1688 während des pfälzischen Erbfolgekriegs durch die Franzosen.
Über den Autor: Karl Tanera (1849 Landshut-1904 Lindau) war ein Offizier der bayerischen Armee und bekannter Schriftsteller. Er nahm am 1870/71er Krieg teil, reiste weltweit.
Anlass der Lektüre: Buch im Bestand, als Hintergrund zur Jugendbildung im Kaiserreich gelesen.
Bewertung: Mantel-und-Degen-Handlung mit teilweise stark nationalistisch, anti-französisch geprägten Einschätzungen des Erzählers. Aus dem Vorwort des Verlegers geht hervor, dass das Buch („ein Bild deutscher Treue“) aus einer früher erschienen Trilogie „Durch ein Jahrhundert“ (1892) posthum umgeschrieben wurde, weil „es besser sei, den Roman nicht wieder erscheinen zu lassen, sondern lieber der Jugend eine neue Gabe zu widmen“. Worin die Fragwürdigkeit der früheren Ausgabe besteht, geht aus dem Vorwort nicht hervor. Aus dem vierten Kapitel: „Von Westen her reckte der kriegslustige König Ludwig XIV. seine beutegierige Hand herüber und suchte sich in die inneren Angelegenheiten Deutschlands zu mischen…“
(5) Friedell, Egon: Kulturgeschichte der Neuzeit
Gelesen in: München: Beck’s Sonderausgabe 1970. Erschienen 1927-1930. Noch lieferbar: München: dtv 1993-2011, zwei Bände ISBN 978-3423300612 und 978-3423300629
Über den Autor: Egon Friedell (Geburtsname Egon Friedmann, (1878 in Wien – 1938 in Wien) war ein österreichischer Journalist und Schriftsteller, der als Dramatiker, Theaterkritiker und Kulturphilosoph hervortrat. Außerdem wirkte er als Schauspieler, Kabarettist und Conférencier. (https://de.wikipedia.org/wiki/Egon_Friedell). Er wurde als Jude geboren, konvertierte aber 1897 zum evangelisch-lutherischen Glauben. Das Abitur erlangte er erst im vierten Anlauf. Er wurde 1904 zum Doktor der Philosophie promoviert. Er starb, nachdem er sich aus dem Fenster seiner Wiener Wohnung gestürzt hatte, weil die SA unmittelbar vor dem „Anschluss“ Österreichs ihn zu Hause aufsuchte.
Bewertung: Von hoher Belesenheit getragene Beurteilung der europäisch-US-amerikanischen Kulturgeschichte. Es gibt viel zu lernen, und es ist mehr als nur Name Dropping, obwohl das Experiment, auf gut 1.500 Seiten die Zeitspanne von der Pest in Mitteleuropa (1348) bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, theoretisch nicht viel mehr hergibt. Aber er definiert die unterschiedlichen Epochen vorurteilsfrei und in einem unterhaltsamen Stil.
(6) Löw, Peter: Flusenflug -Die Bekenntnisse eines Firmenjägers
Gelesen als E-Book (pdf). Hamburg: Osburg Verlag 2020, 418 Seiten (E-Book), E-Book 12,99 Euro, Gebundene Ausgabe 24 Euro. ISBN-13: 978-3955102333
Über den Autor, Inhaltsangabe, Bewertung: Siehe ausführliche Besprechung:
Anlass: Formal: Angebot des Verlags zur Buchbesprechung mit kostenloser Übersendung des E-Books. Inhaltlich: Der Autor war eine Zeitlang Eigentümer der Nachrichtenagentur dapd, bei der ich angestellt war.
(7) Schiller, Friedrich: Der Geisterseher
Gelesen in: Bellermann, Ludwig (Hrsg.):Schillers Werke, Band 3 (von 9). Leipzig: Bibliographisches Institut o.J. (1895). Erschienen 1787ff.
Über den Autor: Friedrich Schiller (1759-1805), neben Goethe prominentester Repräsentant der deutschen klassischen Literatur. Berühmt vor allem durch seine Dramen und Balladen. „Der Geisterseher“ ist ein Romanfragment, das im zweiten Teil die aufklärerische Briefromanform aufnimmt. Es erschien 1787-1789, auch das zeittypisch, zuerst in Fortsetzungen in der Zeitschrift „Thalia“. Obwohl Schiller damit großen Erfolg hatte, führte er es nie zu Ende.
Inhaltlich geht es um Zauberer und Wahrsager sowie um einen deutschen Adligen, der in Venedig dem Spiel verfällt und zugleich von einer jesuitischen Geheimgesellschaft instrumentalisiert wird, die den protestantischen Fürsten zum Katholizismus bekehren will, um dann unterschwellig die Herrschaft zu übernehmen.
Bewertung: Man muss sich für das vorrevolutionäre Deutschland interessieren, um dem Roman noch etwas abgewinnen zu können. Die Sprache ist deutlich einfacher zu verstehen als man vermutet, was bestätigt, wie nachhaltig sprachbildend die deutsche Klassik wirkte.
Anlass: Angeregt durch Erwähnungen in Friedell, Egon: Kulturgeschichte…, siehe (5)
(8) Wolfe, Thomas: Eine Deutschlandreise
Gelesen im deutschen Original. Wolfe, Thomas: Eine Deutschlandreise. München: Manesse (Verlagsgruppe Random House) 2020. Gebunden, 410 Seiten mit Abbildungen (Fotos und Wolfes Notebook-Seiten). ISBN: 978-3-7175-2424-3. Geschrieben 1927-1937.
Über den Autor: Thomas Wolfe (1900-1938, Tuberkulose) war ein amerikanischer Schriftsteller und Dozent, Sohn eines deutschen Einwanderers. Er studierte u.a. Literaturwissenschaft. Sein Roman „Look Homeward, Angel“, brachte ihm den Durchbruch in der amerikanischen Gegenwartsliteratur des 20. Jahrhunderts.
Inhaltsangabe: Wolfes Tagebücher aus mehreren Deutschlandreisen zwischen 1925 und 1938. Er beobachtete und beschrieb den Wandel von einem romantischen, liebenswerten Land zur mörderischen Diktatur, der in ihm selbst auch einen Wandel der Einschätzung des Landes bewirkte. Das Buch endet mit einer entsprechenden Novelle: Ein Amerikaner reist Mitte der 1930-er Jahre aus Deutschland Richtung Belgien/Frankreich und erlebt an der Grenze hilflos, wie der Versuch eines Juden scheitert, das Land zu verlassen.
Bewertung: Erstklassige Hintergrundlektüre für Menschen, die verstehen wollen, wie und warum sich das Ansehen Deutschlands in der übrigen westlichen Welt trotz positiver Vorurteile angesichts der NS-Diktatur zum Bösen wendete.
Anlass der Lektüre: Kauf des Buches, nachdem ich es im Buchladen gesehen und den Waschzettel gelesen hatte.
(9) Hesse, Hermann: Unterm Rad
Gelesen in: Hesse, Hermann: Die Romane und die großen Erzählungen. Erster Band (von acht). Frankfurt (M): Suhrkamp o.J. (1977)
Über den Autor: Hesse (1877-1962) ist neben Thomas Mann einer der großen deutschen Prosaschriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Weimarer Zeit erfuhr er mit wenig revolutionären, aber psychologisch interpretierbaren Werken hohe Auflagen, in den 1960-er Jahren erlebte er eine ‚Renaissance, weil einige seiner sehr individualistischen, spiritualistischen Werke den Zeitgeist der damaligen Jugend trafen. Am spektakulärsten äußerte sich das darin, dass eine Rockband sich nach einem seiner Romane „Steppenwolf“ nannte. Hesse erhielt 1946 den Literatur-Nobelpreis.
Inhaltsangabe: Ein Musterschüler aus der Schwarzwaldstadt Calw zerbricht zwischen den Anforderungen der Kleinstadtgesellschaft, am eigenen Ehrgeiz, seinem Wunsch nach tiefgehender Freundschaft.
Anlass: Angeregt durch Erwähnung in einem satirischen Fernsehbeitrag.
Bewertung: Im Stil leicht angestaubt, gibt es Einsichten in die deutsche Gesellschaft im kleinstädtisch-ländlichen Raum, die keine Rücksicht auf die Befindlichkeit ihrer Kinder und Schüler nimmt. Man merkt dem Buch die autobiografischen Züge an.
(10) Nettles, John: Hitlers Inselwahn
Gelesen als deutsches Original. Nettles, John: Hitlers Inselwahn. Die britischen Kanalinseln unter deutscher Besetzung 1940-1945, Hamburg: Osburg Verlag 2016. Gebunden, Abbildungen, 480 Seiten, ISBN 978-3955100940
Über den Autor: Nettles OBE (*1943) ist Historiker und Schauspieler. Er spielte den ersten Inspektor Barnaby. Davor hatte er die Hauptrolle in der 87-teiligen Serie „Jim Bergerac ermittelt“, die auf Jersey spielte und gedreht wurde. Danach begann er neben der Ermittlungstätigkeit als Barnaby mit dem Buch, das in Großbritannien als umstritten gilt (https://de.wikipedia.org/wiki/John_Nettles).
Inhaltsangabe: Die britischen Kanalinseln unter deutscher Besetzung. Schon der Umstand, dass britischer Boden besetzt werden konnte, wobei die Royal Army nichts tat, um das zu verhindern, rührt an den britischen Stolz. Aber auch das Verhalten der Inselbürokratie und der Bewohner gegenüber den Besatzern, das nicht frei von Kollaboration war, war bis dahin kaum aufgearbeitet. Es verlief im wesentlichen nach dem Motto: Wenn du von dem bissigen Hund nicht gebissen werden willst, darfst du sein Missfallen nicht erregen, zumal du keine Widerstandskraft hast.“ Vor allem vor Ort, aber auch in ganz Großbritannien berührte Nettles damit ein Tabuthema, das den frühen, untauglichen Versuchen der Vergangenheits-“Bewältigung“ in Deutschland mikrokosmisch ähnelt.
Bewertung: Besonders aus deutscher Sicht ist das Buch sehr aufschlussreich und lesenswert. Einerseits relativiert es die bundesdeutsche Sonderstellung in der frühen Nachkriegszeit, indem es differenziert zeigt, wie breit die Spanne zwischen Kollaboration, „Durchwurschteln“ (das Wort kommt natürlich in dem Buch nicht vor) und Widerstand ist, aber auch, wie soziale Kontrolle und Klatsch und Tratsch, aber auch menschliche Unzulänglichkeiten in einer abgeschlossenen, überschaubaren Gesellschaft funktionieren.
Anlass: Meine Frau als leidenschaftliche Barnaby-Guckerin hat sich das Buch gewünscht, ich habe es ihr geschenkt und jetzt auch gelesen.
(11) Leonhardt, Rudolf Walter: X-mal Deutschland
Gelesen in: Sonderausgabe Europäischer Buchklub, Stuttgart o. J. (1961)
Über den Autor: Rudolf Walter Leonhardt (1921 in Altenburg – 2003 in Hamburg), promovierter Germanist, war ein deutscher Journalist, Feuilleton-Chef und stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“ und Verfasser von zahlreichen Büchern zu Themen aus Politik und Kultur. Seit 2013 unter dem Verdacht, in der „Zeit“-Redaktion sexuell übergriffig gegenüber Frauen geworden zu sein. Auch ein Artikel L.s zu der Pädophilie- und Päderastie-Debatte 1969 wurde posthum scharf kritisiert (etwa Theo Sommer 2013, https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Walter_Leonhardt)
Inhaltsangabe: Spiegel vom 22.11.1961: „Der 40-jährige Journalist … hat … seine – deutsche – Heimat beschrieben, erläutert und erläuternd verteidigt, wobei das Titel-X … wirklich für alles steht, worüber überhaupt geredet werden kann: über Vorurteile, die Nationalhymne, Ulbricht, den Kölner Karneval und Heinrich Böll, über Dresden, die Hotelpreise, Finanzämter, sächsischen Witz und den Straßenverkehr. …in einer angenehm zu lesenden, zart belehrenden Art geschrieben, die das bekräftigende Zitat, die passende Anekdote, aber auch den einleuchtenden Beweis stets an der rechten Stelle zur Stelle hat. (R. Piper Verlag, München; 532 Seiten; 19,80 Mark.)“ (https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43367640.html)
Bewertung: Amüsant und flüssig geschrieben. Lektüre lohnt sich als Zeitdokument eines Liberalen im Deutschland der 60er Jahre. Hochinteressant seine Vergangenheits-“bewältigung“, die heute so nicht mehr politisch korrekt wäre. Es gibt zahlreiche politische Einschätzungen, die, aus dem Zusammenhang gerissen, auch heute noch (oder wieder) gültig sind. Andere wiederum zeigen, dass entgegen heutigen Moral- und Ethikbegriffen vielfach höhere Toleranz herrschte, aber, je nach gesellschaftlichem Sektor, auch vielfach höhere Intoleranz.
Anlass: Fiel mir im Bestand als ungelesen ins Auge.