Privatbahnen ermitteln mehr Potenzial der Schiene als der Bund

„Ambitioniertes, aber realistisches“ Ziel: 10 Millionen Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr

Berlin, 03. September (ssl) Die Privatbahnen in Deutschland sehen ein deutlich höheres CO2-Einsparpotenzial bei der Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene als das Bundesverkehrsministerium (BMVI) . Das geht aus einer Studie der Verkehrsberatung KCW hervor, deren erste Ergebnisse der Verband Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) am Dienstag (03. September) in Berlin vorstellte. Danach könnten im Jahr 2035 bis zu zehn Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden , wenn es gelänge, den Anteil der Schiene am Güterverkehr bis dahin von jetzt 17-18 auf 35 Prozent zu erhöhen. Tendenz auch danach steigend. Wachstumsprognosen eingerechnet, hätte das – abgesehen von der Klimafreundlichkeit – auch die erfreuliche Wirkung, dass rund 15 Prozent weniger Lastwagen auf den Straßen verkehrten.

Der Verkehr hat bisher nichts zur Reduzierung der CO2-Eimissionen beigetragen. © Grafik NEE/KCW

Der Vorstandsvorsitzende des NEE, Ludolf Kerkeling, forderte vom Schienenverkehrsbeauftragten der Bundesregierung, BMVI-Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU), die Berechnungen des eigenen Ministeriums zu überprüfen: „Für die bevorstehenden Beratungen des Klimakabinetts zum Klimaschutzgesetz kommt es auf handfeste Technologiestrategien und belastbare Zahlen an.“

NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger nannte das Ziel „ambitioniert, aber realistisch. Man muss es allerdings organisieren.“ Er verwies auf Ministeriumsangaben, wonach lediglich zwei Millionen Tonnen eingespart werden könnten, und zwar bei Schiene und Binnenschiff zusammen. Die Differenz führte er unter anderem darauf zurück, dass das Ministerium die Einsparungen, die sich aus dem Kohleausstieg bei der elektrisch betriebenen Bahn ergäben, vermutlich den Kraftwerken und damit dem Bereich des Wirtschaftsministeriums zugeschlagen habe. Darüber hinaus hat die Bundesregierung bei ihren Klimarechnungen aber auch das Jahr 2030 und nicht das Jahr 2035 im Blick.

Bartol: „2030, das ist morgen“

Am Vorabend hatte bereits SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol bei einer NEE-Veranstaltung von der Beobachtung berichtet, dass sich die einzelnen Sektoren, denen besonders große Herausforderungen bei der notwendigen Klimawende bevorstehen, gewissermaßen gegen den Mobilitätsbereich „verbünden“ würden. Der Verkehrssektor sei aber noch nicht so weit, in Sachen Klima gemeinsam vorzugehen. Bartol sagte, das gelte auch für das zuständige Ministerium, dessen Vorschläge für den am 20. September bevorstehenden Klimagipfel sogar von Kanzleramt inoffiziell als unzureichend bezeichnet worden seien. Dabei dränge die Zeit: „2030, das ist morgen“, sagte Bartol unter Verweis auf die langen Fristen bei der Umsetzung von Investitionen in Infrastruktur oder rollendes Material.

Das NEE hatte bereits vor einigen Monaten eine Studie vorgestellt, der zufolge sich das Verlagerungsaufkommen von der Straße auf die Schiene durch verhältnismäßig geringe Infrastrukturmaßnahmen zusätzlich zu den im Bundesverkehrswegeplan genannten Vorhaben bis 2035 verdoppeln ließe. Allerdings ging sie dabei nicht auf den CO2-Effekt näher ein.

Einer der beiden Studienansätze in Zahlen. © Grafik: KCW/NEE

In der neuen Studie verglich KCW zwei Ansätze, die diese Prämisse aufnehmen. Der erste Ansatz unterstellt die höhere Schienenverkehrsleistung nur auf längeren Transportrelationen und kommt zu einem Einsparpotenzial zwischen 7,9 bis 8,8 Millionen. Tonnen CO2 . Der zweite Ansatz bezieht den Nahbereich mit ein und kommt auf ein Minus von 9,6 bis 10,6 Mio. Tonnen im Jahr 2035. Bedingung: “Weniger energiefressende Überholungshalte, die weitere Modernisierung der Fahrzeugflotten und ein fast vollständiger Betrieb mit Strom aus erneuerbaren Energien. Dazu käme eine „weitere realistische Effizienzsteigerung beim Lkw“.

René Naumann von KCW, Verfasser der Studie, wies darauf hin, dass die Verlängerung der Güterzüge auf 740 Meter in die Ergebnisse eingerechnet sei. Dazu müssten bis 2035 noch etliche Gleisanlagen ausgebaut werden. Anfänge sind allerdings bereits gemacht. Kerkeling räumte ein: „Auch wir als Branche müssen dafür sorgen, dass wir andere Produkte anbieten.“ Mit Stahl und Kohle könne die Eisenbahn als Transportmittel nicht groß am Wachstum teilhaben, wenn die entwickelten Gesellschaften immer kleinteiligere Güter transportieren wollten. Westenberger rief die Beteiligten dazu auf, sich auf „erprobte Konzepte“ zu konzentrieren anstatt sich in langen Versuchen, etwa mit Oberleitungen über Autobahnen, zu verzetteln. Die vollständige Studie soll am 10. September vorliegen.

Bei den Privatbahnen nicht so gern gesehen: Lastzug mit Oberleitung. ©Foto: Rietig