Was ein mittelständischer Busunternehmer von Technik und Politik erwartet
Berlin, 09. Juli 2018 (ssl*) Peter Heser ist Busunternehmer im oberfränkischen Warmensteinach. Er fährt Liniendienste, ist Auftragnehmer des regionalen Verbundes und bietet Fernreisen mit dem Bus an. Im Interview zählt er auf, was er von Technik und Politik erwartet. Zugleich liefert er damit ein typisches Unternehmerbild seiner Branche.
Hesers Unternehmen im Fichtelgebirge hat 24 Mitarbeiter. 20 davon sind Busfahrer. Die Verwaltung erledigt der Mittfünfziger mit Frau und Schwester sowie einem Angestellten. Der Jahresumsatz von heserbus liegt bei 1,6 Millionen Euro. 40 Prozent davon generiert die Firma im ÖPNV und je 30 Prozent mit eigenen Fahrten und Mietaufträgen.
Im ÖPNV betreibt er unter anderem die täglich mehrmals bediente Strecke Bischofsgrün – Weidenberg in Oberfranken/Fichtelgebirge. Das sind 270.000 Kilometer pro Jahr. Darüber hinaus ist er Auftragnehmer der RBO (Regionalbus Ostbayern) für Linien in und um die Städte Wunsiedel, Selb, Marktredwitz und Schirnding, die sich auf 200.000 Jahreskilometer summieren.
Heser ist der Ansicht, dass der öffentliche Personennahverkehr insgesamt zunehmen wird, auch auf dem Land. „Seit vor einigen Jahren entschieden wurde, die Bahnstrecke von Bayreuth über Weidenberg wieder bis ins Fichtelgebirge zu verlängern und Verbundanschlüsse zu schaffen, die bis zum Anruf-Linientaxi gehen, sind es wieder mehr Fahrgäste geworden. Auch der Schülerverkehr nimmt zu, nicht zuletzt wegen der Asylbewerber. Die haben Kinder, und die sind ausschließlich auf die Öffentlichen angewiesen“, sagt der Busunternehmer. „Da sie und ihre Familien mit ihrem Fahrausweis bis Bayreuth fahren können, steigt die durchschnittliche Reiseweite pro Person und damit das Entgelt für uns.“ Alles in allem hat das dazu geführt, dass man heute vom Fichtelsee, einem vielbesuchten Gewässer am Fuße des Ochsenkopfes, fünfmal täglich bis nach Nürnberg fahren kann. Im günstigsten Fall dauert die Reise auf der mehr als 110 Kilometer langen Strecke nur anderthalb Stunden.
Heser weist aber auch darauf hin, dass die Regierung Bayerns stark in den ÖPNV investiert. „Für einen Niederflurbus gibt es 70.000 Euro Zuschuss bei Gesamtanschaffungskosten von rund 200.000 Euro.“ Sein Fahrzeugpark umfasst 16 Standard-12-Meter-Busse mit einem Durchschnittsalter von etwa vier Jahren. Vier davon sind reine Reisbusse, zehn sind Nieder- und Hochflurbusse für den Linienverkehr. Sie erfüllen die Schadstoffnorm Euro VI für dieselbetriebene Busse. Zwei weitere Busse mit Euro II stehen als Reserve oder Stoßzeiten- Ergänzung für den Schülerverkehr bereit.
Zu zukünftigen Antriebstechniken sagt der Unternehmer: „Wir müssen zügig weg vom Diesel“, schon wegen der geopolitischen Abhängigkeiten. Erdöl sei zu wertvoll, um es einfach zu verbrennen. Er hoffe, „dass sich jetzt mehr tut als bisher“, ergänzt er mit leichtem Vorwurf an die Hersteller, die sich der alternativen Energien bis vor kurzem nicht nachdrücklich genug angenommen hätten. Der Druck, sich diesen Technologien verstärkt zuzuwenden, habe aber nachgelassen wegen der anhaltend niedrigen Kraftstoffpreise.
Angesprochen auf die holländische Provinz Limburg, die in Kürze emissionsfreien ÖPNV erreicht haben will, sagt er: „Das ist gut so, aber hier in der Gegend müssen wir im Gegensatz zu den Niederlanden mit sehr gebirgigen Strecken und im Winter mit Minustemperaturen bis 20 Grad zurechtkommen.“ Er sei nicht sicher, ob die Elektromobilität am Ende als Sieger aus dem derzeitigen Wettbewerb der Technologien hervorgehen werde. „Es könnte auch Wasserstofftechnologie sein.“
Vorreiter muss nach Hesers Ansicht der Lkw-Verkehr werden. Und dort sieht er vor allem stark frequentierte Strecken wie etwa die A2 als Verbindung von Polen nach Rotterdam als Wegbereiter. An Strecken mit hohem Frachtaufkommen könnten Wasserstofftankstellen entstehen.
Soweit es Bustechnologie betrifft, sieht er große Unternehmen in der Pflicht, den Vorreiter zu spielen. „Wer 300 Busse betreibt, kann es sich leisten, vier bis fünf mit experimenteller Technologie auszurüsten und Reservebusse mit konventionellem Antrieb vorzuhalten.“ Heser nennt hier explizit die Hamburger Hochbahn AG, die mit gutem Beispiel vorangehe.
Vom Auspuff her gedacht
Wer rechtzeitig plant und die Zukunft im Blick hat, hat kaum Probleme mit neuen Bestimmungen zur Ausstattung der Fahrzeuge, meint Busunternehmer Heser. Von heute auf morgen wird der Diesel nach seiner Ansicht nicht verschwinden.
Er sagt aber auch, die Dieseltechnologie sei noch nicht ausgereizt. „Wir werden sicher noch 20 bis 30 Jahre dieselbetriebene Fahrzeuge auf den Straßen haben“, meint er. Es müsse gelingen, zwischen Verbrauch und Emission zu trennen. Erst beim Euro-VI-Standard sei „vom Auspuff her gedacht“ worden, das heißt, die Abgasreduzierung habe im Vordergrund gestanden und nicht mehr die Verbrauchsreduzierung.
Und es werde in den Städten beginnen. „Eine Frankreich-Rundreise mit einem Elektrobus auch nur zu planen, ist völlig unmöglich“, meint er, aber in den Städten habe die Verringerung der Schadstoffemissionen Vorrang. Er „sehe völlig ein“, dass dort Fahrverbote nicht mehr ausgeschlossen seien. Wenig Verständnis bringt er für die Verbände auf, die jetzt im Auftrag etwa von Handwerksbetrieben klagen, dass ihre Dieselflotte den Grenzwerten nicht gerecht werde und eine Neuanschaffung für sie ruinös wäre. „Die Grenzwerte sind seit Jahren bekannt. Wer einigermaßen weitsichtig investiert, müsste über passende Fahrzeuge verfügen.“
Hesers Reisebusse sind mit Abstandswarnsystemen ausgerüstet, die die Fahrer nicht abschalten können – ein Feature, das regelmäßig nach Auffahrunfällen auf der Autobahn kritisiert wird. Die Busse haben auch einen Spurhalte-Assistenten, „den sie allerdings abschalten können“. Bei den oft sehr kurvenreichen Strecken im Fichtelgebirge sei das unerlässlich, weil manche eigentlich sinnlose Warnung letztlich dazu führe, dass der Fahrer nervös werde, sagt Heser. „Wir fahren mit sämtlichen verfügbaren Sicherheitssystemen. Viele dieser Systeme haben wir bereits gekauft, als sie noch nicht gesetzlich vorgeschrieben waren. Wenn wir die Busse nach acht Jahren wieder verkaufen, wenn die Vorschriften sich geändert haben, erzielen wir bessere Preise.“ Das schließt auch Brandmelder und bei den Reisebussen Feuerlöschanlagen in den Motorräumen ein.
Mehr als ein digitaler Fahrscheindrucker
Er genießt die Errungenschaften der Digitalisierung, soweit sie in seinen Bussen bereits realisiert sind, besonders das RBL (rechnerbasierte Leitsystem), das DB Regio entwickelt hat. Es ist viel mehr als ein digitaler Fahrscheindrucker. „Damit ist es dem Fahrer und vor allem dem Fahrgast möglich, andere Busse zu erreichen, etwa wenn er will, dass der Kollege in Bus 2 an der Umsteige-Haltestelle wartet, um Fahrgäste aus seinem Bus 1 aufzunehmen. Ein Monitor mit Touchscreen im Cockpit ermöglicht die Kontaktaufnahme mit den Rechnern in den anderen angeschlossenen Bussen, und im Beispielfall erscheint auf dem Monitor von Bus 2 der Wunsch aus Bus 1. Er könne sich gut vorstellen, dass das in einigen Jahren automatisch passiert, also ohne dass der Fahrer noch extra einen digitalen Ruf absetzen muss.
Fahrgäste werden weder beim Ein- noch beim Aussteigen in Hesers Bussen automatisch gezählt. Fahrscheinkontrollen per Lichtschranke „würde ich einführen“, wenn es sie gebe und wenn die Datenschutzbedenken ausgeräumt seien, etwa dass die genauen Bewegungsprofile ohne Zustimmung des Fahrgasts aufgezeichnet würden.
Heser fährt nicht im Auftrag von Flixbus. „Das lohnt sich für die Endkunden, für die Fahrer und für die Unternehmen, die daran nicht teilnehmen“, sagt er. Wer sich bei Flixbus engagiere, könne als Mittelständler kaum noch etwas anderes machen. Vom übrigen Markt seien diese Unternehmen deshalb weitgehend verschwunden, was neue Chancen für die nicht Teilnehmenden eröffne.
Der enorme Passagierzuwachs bei den Busreisen habe einen hohen Bedarf an Fahrern hervorgebracht, der sich auch bei heserbus bemerkbar macht. Deshalb plant Heser, bald Fahrer auszubilden. Ihnen wird er den Busführerschein finanzieren.
Das ist durchaus noch keine Selbstverständlichkeit. „Meine Generation und vielleicht noch zehn Jahre Jüngere hatten es leicht, als die Bundeswehr noch eine Wehrpflichtarmee war. So wie bei mir war es bei vielen jungen Männern: Sie kamen mit dem Führerschein für Lkw aus der Kaserne und mit ihnen jedes Vierteljahr 30 weitere pro Kaserne.“ Ein großes Reservoir für Speditionen und Busunternehmer. „Der Busführerschein zum Lkw-Führerschein kostete damals 1200 D-Mark.“ Heute kommt das gesamte Paket auf 10.000 Euro. „Aber dafür fährt der Auszubildende in der ersten Zeit für ein Lehrlingsgehalt, und so amortisiert sich die Ausgabe recht schnell.“ Eine Verpflichtung des Auszubildenden auf einige Jahre, in denen er wegen der Anfangsinvestition seines Chefs den Arbeitsplatz nicht wechseln darf, sei nicht legal, meint Heser. Das richtige Einstiegsalter für Busfahrer liegt für ihn bei etwa 20 Jahren.
Dringender Wunsch an die Politik
Heser kommt also mit den technologischen Entwicklungen gut zurecht. An die Politik, die diesen Weg begleitet, hat er aber einen alles übergreifenden Wunsch: „Treibt die europäische Integration so weit voran, dass die Bürokratie möglichst gering ist. Kümmert euch um das große Ganze und überlasst den Rest den Menschen vor Ort.“
Zwar sieht der Unternehmer mögliche Einschränkungen durch schärfere Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten gelassen. „Die Reisenden wollen ja auch spätestens nach viereinhalb Stunden Fahrt mal aussteigen und sich die Füße vertreten. Da ergibt sich die Pause automatisch.“ Die Konkurrenz ausländischer Fahrer zu Billiglöhnen ist für ihn auch deshalb kein großes Problem.
Aber wenn die Rede auf Bürokratie kommt, bringt er wieder das Ausland ins Spiel. Die „A1-Bescheinigung“ (ein Formular zur Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland) macht ihm große Probleme. Sie muss – wie in Vor-EU-Zeiten die Grüne Versicherungskarte – bei Fahrten im Ausland mitgeführt werden. Mit ihr weist der Fahrer die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach. Im Gegensatz zur Grünen Karte muss sie für jede Reise und jeden Fahrer individuell ausgestellt werden. Da muss drinstehen, „wann und wo er arbeitet und wo er hinfährt. Was mache ich, wenn der Fahrer, für den ich das beantragt habe, am Tag vor der Fahrt krank wird und ich einen Ersatzmann auf die Tour schicken muss?“, fragt Heser. Auch mit der Fahrerkarte, auf der für die zurückliegenden 28 Tage die Fahrt-Daten jedes Busfahrers gespeichert sind, hat er Probleme. „Wenn der Fahrer in Frankreich in eine Routinekontrolle kommt und es stellt sich beim Auslesen der Karte heraus, dass er vor 26 Tagen in Deutschland die Lenkzeit um fünf Minuten oder die Geschwindigkeit um ein paar Stundenkilometer überschritten hat, werden Bußgelder nach französischen Regeln fällig. Die können um das Zehnfache über denen in Deutschland liegen. Daher wäre es dringend geboten, die Bußgelder im Straßenverkehr zu vereinheitlichen.“
Beruf mit Zukunft
Unterm Strich: Busfahrer ist für Heser allemal ein Beruf mit Zukunft. „Auf das autonome Fahren können wir noch lange warten.“ Das sei allenfalls eine massive Bedrohung für das Taxigewerbe in seiner heutigen Form. „Der Busfahrer in Unternehmen wie unserem ist ja auch Sozialarbeiter für die Rentnergruppe“, schmunzelt der Unternehmer. Eine Herausforderung, die vielfach thematisiert wird, ist bei seiner Firma kein Thema: der demografische Wandel, das Generationenproblem. Heser sagt, bei einem seiner Söhne sei er ganz zuversichtlich, „dass das was wird“.
*) Transparenzhinweis: Dieser Beitrag entstand als Auftrag für die BUS2BUS, ein Produkt der Messe Berlin GmbH, auf deren Internetpräsenz er ebenfalls erscheint. Die BUS2BUS findet vom 19.-21. März 2019 statt und versteht sich als High-End Plattform für „Busunternehmer, Bushersteller, Zulieferer, Dienstleister und Visionäre“.