Umweltverbände klagen gegen Gigaliner

Allianz pro Schiene, BUND und DUH halten Verordnung über Lang-Lkw für rechtswidrig

Gigaliner von Georgi Transporte. Foto: Georgi

Berlin, 05. April (ssl) Mehrere Umweltverbände haben gegen die Rechtsverordnung geklagt, die auf deutschen Straßen überlange Lkw („Gigaliner“) im Regelbetrieb zulässt. Die Zulassung der bis zu 25,25 Meter langen Lastzüge verstoße gegen EU-Rechtsnormen, erklärte der Anwalt Remo Klinger am Mittwoch in Berlin im Namen der Deutschen Umwelthilfe, des BUND und der Allianz pro Schiene (ApS). Darüber hinaus wollen die Verbände in den bevorstehenden Wahlkämpfen gegen die Lang-Lkw mobil machen, wie ApS-Geschäftsführer Dirk Flege ankündigte. Der Regelbetrieb ist seit 1. Januar möglich. Spediteure wünschen sich weitere Ausdehnungen des Netzes.

Klinger sagte, die Klage sei am (gestrigen) Dienstag beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht worden. Die erste Hürde in dem Verfahren sei die Anerkennung des Verbandsklagerechts, die in Deutschland mit zahlreichen Vorbehalten versehen sei, was ebenfalls gegen EU-Rechtsnormen und womöglich sogar gegen Völkerrecht verstoße. Inhaltlich gab er sich zuversichtlich, die Verordnung deshalb zu Fall bringen zu können, weil Lkw, die länger als 18,75 Meter sind, nur dann eingesetzt werden dürften, wenn bestimmte Ladungen befördert werden müssten. Als Beispiel nannte er die Forstwirtschaft, und auch dann dürften die Zulassungen nur zeitlich begrenzt erteilt werden.

Das Verkehrsministerium hatte zum 1. Januar 2017 den Verkehr mit den langen Lastzügen nach einem fünfjährigen Feldversuch in den Regelbetrieb überführt. Die Umweltverbände kritisieren, dass dies dem Ziel der Bundesregierung entgegenwirke, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Die Auto- und Speditionslobby hält dagegen, dass zwei Lang-Lkw drei herkömmliche Sattelzüge ersetzten und daher weniger Lastzüge auf den Straßen unterwegs seien, vorausgesetzt, das Frachtaufkommen insgesamt nimmt durch das Angebot der neuen „Gefäßgröße“ nicht zu. „Wir haben einen langen Atem“, sagte Klinger im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit des Klageinhalts, für die er möglicherweise bis zum Europäischen Gerichtshof gehen muss.

„Todesstoß“ für den Schienengüterverkehr

Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, bei der Regelzulassung handele es sich um eine „Richtungsentscheidung für den Güterverkehr in Deutschland“. Verkehrsminister Alexander Dobrindt verstoße „vorsätzlich gegen EU-Recht“ und versetze dem Schienengüterverkehr den Todesstoß, warf er dem CSU-Politiker vor. Statt den Straßengüterverkehr immer mehr zu fördern, solle die Bundesregierung die Elektrifizierung des Schienennetzes vorantreiben, verlangte die DUH. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung würden nicht erreicht, wenn in Kauf genommen werde, dass sich die Emissionen des Verkehrs erhöhten, wie in den letzten Jahren geschehen.

Für den BUND erklärte Verkehrsexperte Werner Reh, der Regelbetrieb sei zugelassen worden, ohne dass „massiv in die Straße investiert“ worden sei. Für die längeren Lastzüge müssten Nothaltebuchten in Tunnels ebenso verlängert werden wie Parkstände an Autobahn- und anderen Raststätten. Reh appellierte an die Bundesländer, keine weiteren Strecken für die Lang-Lkw freizugeben und an die Fuhrunternehmer, angesichts der mit der Klage entstandenen Rechtsunsicherheit nichts in die Fahrzeuge zu investieren.

Die verschiedenen Möglichkeiten, einen Lastzug auf Gigaliner-Format zu bringen.

Flege kündigte an, in den bevorstehenden Wahlkämpfen gegen die Gigaliner mobil zu machen. Er warf dem Bundesamt für Straßenwesen, das den Feldversuch mit Studien begeitete, mangelnde Wissenschaftlichkeit vor. Darüber hinaus griff er die Bundesländer scharf an, weil sie sich „weggeduckt“ hätten vor der Autolobby und der Bundesregierung. Tatsächlich hatten zu Anfang des Feldversuchs zahlreiche Länder die Teilnahme verweigert, im Verlauf waren aber fast alle „umgefallen“. Das Land Berlin etwa lässt immer noch keine Lang-Lkw auf seinem Straßennetz zu. Da die Fahrzeuge hauptsächlich dem Überlandverkehr dienen sollen, ist die Hauptstadt aber auch kein interessantes Ziel. Spediteure dagegen loben die betriebswirtschaftlichen Vorteile der Lang-Lkw, die etwa 25 bis 30 Prozent gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen ausmachen. 

Außer in der Bundesrepublik verkehren Gigaliner in skandinavischen Ländern, in den Niederlanden und Dänemark. Schweden und Finnland seien Ausnahmeregelungen bei ihrem EU-Beitritt zugestanden worden, sagte Flege auf die Frage, wieso dort Lang-Lkw verkehrten, wenn es doch gegen EU-Recht verstoße. In Dänemark und den Niederlanden habe seines Wissens noch niemand geklagt. Dass auch die EU nicht gegen den Regelverstoß geklagt habe, begründete Klinger damit, dass es im Ermessen der EU stehe, wogegen sie klage oder nicht. Reiche dagegen jemand eine Klage ein, so müsse sie behandelt werden.

Die drei Verbände schalteten darüber hinaus am Mittwoch das Internetportal www.keine-gigaliner.de frei, auf dem sie die Argumente gegen den Lang-Lkw darlegten und die User anregten, Protestbriefe an die Bundesländer zu schreiben. Sogar ein Musterbrief ist dort zu finden.