Zwischenbilanz der Verkehrsunternehmen fällt entmutigend aus
Berlin, 13. Februar (ssl) Deutliche Kritik haben sich die deutschen Omnibushersteller bei einer Zwischenbilanz der Marktsituation für Elektrobusse des Verbandes Deutscher Verkehrsbetriebe (VDV) anhören müssen. In Stichworten: Es gibt keine Busse auf dem Markt. Die Lieferzeiten sind zu lang, die Hersteller haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt, die Busse werden immer teurer. Kurz: Die Herausforderungen der künftigen Mobilität werden hierzulande nicht angegangen. Konsequenz: Wenn das so bleibt, kaufen die deutschen Betreiber chinesische Busse.
Bis heute gebe es in Deutschland 97 vollelektrisch fahrende Busse, die überwiegende Mehrheit komme von ausländischen Herstellern. Die Gesamtzahl der im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) betriebenen Busse in Deutschland liege bei 35.000. Zumindest die Unternehmen in den Städten wollten versuchen, bis 2030 ihre Busflotten auf elektrischen Betrieb umzurüsten. Ob das gelingen kann, darauf wollte sich Wortmann nicht festlegen.
E-Bus-Förderbescheide lägen für 630 Stück vor, könnten jedoch nicht eingelöst werden. Lieferzeiten von zwölf bis 18 Monaten seien die Regel, berichtete VDV-Präsident Ingo Wortmann bei der Jahrespressekonferenz seines Verbandes am Mittwoch in Berlin. Er machte kein Hehl daraus, dass er den vollelektrischen Bus momentan noch nicht für den idealen Ersatz des Dieselbusses halte, besonders nicht im ländlichen Raum. So liege die Reichweite derzeit bei 280 Kilometer, die längsten Tagesumläufe in München beispielsweise – wo Wortmann Vorsitzender der MVG ist – betrügen aber 400 km. Wollte man diese Linien elektrisch betreiben, müssten sie aufgesplittet werden, was den Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge und zusätzlichen Personals bedeute. Ein normaler Bus habe eine wirtschaftliche Lebensdauer von zwölf Jahren ohne Austauschmotor, bei einem Elektrobus müsse dagegen nach vier bis sechs Jahren die Batterie ausgetauscht werden, was mit Kosten von 50.000 bis 150.000 Euro zu Buche schlage. Wortmann taxierte die Kosten der Umstellung auf Elektroantrieb bis 2030 auf rund 400 Millionen Euro. „Und damit ist noch kein zusätzlicher Fahrgastplatz geschaffen“, fügte er hinzu.
Offenbar ist es aber auch nicht so eilig. Ein zeitgemäßer Diesel-Gelenkbus mit einer Kapazität von 136 Plätzen (50 Sitz- und mehr als 80 Stehplätze) stoße Stickoxid-Mengen aus, die mit denen eines modernen Pkw vergleichbar seien – nicht pro Person, sondern pro Fahrzeug. Damit sei der moderne Dieselbus per se bereits extrem umweltfreundlich. Zugleich räumte Wortmann ein, dass sich die großen kommunalen Unternehmen derzeit mit Dieselbussen neuster Technologie eindeckten, um „alte Euro-4-Busse zu ersetzen und den Zuwachs zu bewältigen“. Tatsächlich gehe es aber auch darum, vor „der großen Umstellung auf Elektrofahrzeuge mit zuverlässigen Dieselbussen gut gerüstet zu sein“. Die Unternehmen nehmen damit ihre eigenen Aussagen ernst. Sinngemäß lauten diese: „Wir bestellen ab 2030 keine Busse mit fossilem Antrieb mehr.“ Das fällt natürlich umso leichter, je geringer das Durchschnittsalter der Flotte ist. Würde am 31.12.2029 der letzte Dieselbus bestellt, würde er am 31.12.2041 ausgemustert.
Auf lange Sicht ist der E-Bus unverzichtbar
Auf lange Sicht jedoch seien die alternativen Antriebe unverzichtbar, erklärten Wortmann und VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff. Hier müssten die „Anbieter noch viel lernen“, warf ihnen Wolff vor. Bedenke man, dass Busse ohnehin ein Nischenprodukt seien im Vergleich zum Lkw, so müssten die Konzerne angesichts der Bestellungen allein von den Berliner und Hamburger Betrieben „jetzt aufwachen und produzieren“. Wortmann kritisierte, dass die Preise für Elektrobusse seit Erhöhung der Fördergelder extrem gestiegen seien. Ein Standard-E-Bus mit zwölf Meter Länge sei von rund 480.000 Euro Stückkosten im Jahr 2015 auf rund 570.000 Euro 2018 gestiegen, während die aktuelle Dieselversion bei 220.000 Euro im Preis stabil geblieben sei. Dies, obwohl die Industrie nicht müde wurde zu behaupten, mit zunehmender Stückzahl sänken die Preise.
Der im vergangenen Jahr vorgestellte und in wenigen Exemplaren bereits testweise betriebene E-Citaro von Mercedes sei erst in sehr wenigen Exemplaren im Einsatz, berichtete Wortmann, darunter in Berlin und Mannheim.
Mit einem uneingeschränkten „Ja“ beantwortete er die Frage, ob die ÖPNV-Unternehmen auf chinesische Produkte zurückgreifen würden, wenn die deutschen Hersteller nicht in der Lage seien, den Bedarf hierzulande zu decken. Es gebe bereits Versuche mit Fahrzeugen aus dem Fernen Osten. Sie hätten bislang keine Beanstandungen an der Technik und dem Elektroantrieb ergeben. Auch die Rechweite sei in Ordnung. Es hapere aber mit der Qualität des Karosseriebaus. „Vielleicht kaufen die Chinesen ja einen europäischen Karosseriebauer“, regte Wortmann an. Ein weiteres Problem sei das Nichtvorhandensein einer Service-Struktur für Ersatzteile in Europa.
Wenig Zukunft sagte der VDV dem O-Bus-System voraus, das, obwohl seit Jahrzehnten bewährt, sich in Deutschland nicht durchgesetzt habe. Es gibt nur wenige „Inseln“ für den Oberleitungsbus, etwa Eberswalde oder Solingen. Nachteil sei, dass dafür an der Straße Infrastruktur errichtet werden müsse, die nicht nur Geld koste, sondern auch auf geringe bis keine Akzeptanz bei den Anwohnern stoße. Außerdem gebe es keine Förderung dafür.