Die BVG lässt (k)einen fahren

Test mit autonomen Kleinbussen auf Charité-Campus

Auf in den Regelbetrieb. Links am Mikrofon Charité-Präsident Karl Max Einhäupl, neben dem Bus stehend von rechts Regierender Bürgermeister Michael Müller, Bundesumweltministerin Svenja Schulze, BVG-Vorstandschefin Sigrid Nikutta und BVG-Digitalisierungs-Vorstand Henrik Haenecke. Alle Fotos © Thomas Rietig

Berlin, 26. März (ssl) Jetzt leuchten die autonom fahrenden Kleinbusse auf dem Charité-Campus im BVG-Gelb. Es fehlt nicht einmal der kesse Spruch an den Seiten: „Wir lassen keinen fahren.“ Kurzum, der Regelbetrieb des Modellversuchs hat am Montag (26. März) nach einer mehrmonatigen Testphase begonnen. Vorerst lassen sie aber doch einen (mit-) fahren, denn sie wissen noch nicht ganz genau, ob der kleine Bus mit dem Big-Data-Speicher auch wirklich immer ganz genau weiß, was er tut und was er tun sollte.

Die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ließ es sich nicht nehmen, ihren ersten öffentlichen Termin in diesem Bus zu verbringen. Das Ministerium fördert den insgesamt 4,1 Millionen teuren Busverkehr mit 3,2 Millionen. Während Charité-Chef Karl Einhäupl noch den Scherz wagte, dass autonomes Fahren wegen des kontrollierten Verkehrsumfelds auf dem Campus probiert werde und nicht etwa, weil ein Krankenhaus in der Nähe sei, beruhigte Schulze Skeptiker unter den Zuhörern mit der Versicherung, dass die beiden Busse vollständig auf Sicherheit ausgelegt seien. Das, was hier in Berlin stattfinde, sei „vollkommen anders“ als der Modellversuch, der kürzlich in den Vereinigten Staaten zum Tod einer Passantin beim Zusammenprall mit einem selbstfahrenden Uber-Testfahrzeug geführt habe.

Der Bildwitz ist ein bisschen fake news: „Innere Medizin“ heißt eine Haltestelle des nebenher verkehrenden Dieselbus-Shuttles. Der autonome Elektrobus hält hier nicht, sondern fährt vorbei.

„Wir machen langsame Schritte“, sagte die Ministerin. Es handele sich um eine völlig andere Geschwindigkeit. Tatsächlich können die beiden Kleinbusse des französischen Herstellers easy-mile rund 12-15 Personen stehend und sitzend befördern und sind dabei maximal 12 km/h schnell. Nahezu jeder Radfahrer auf dem Campus kann da leicht überholen. Bisher erschließt sich dem gesunden Fußgänger bei trockenem Wetter nicht so recht, warum er diesen Shuttle-Bus nehmen sollte, anstatt zu Fuß zu gehen.

Mit einem Joystick vor dem Bauch lässt sich der Bus auch manuell bewegen.

Aber sowohl Schulze als auch BVG-Chefin Sigrid Nikutta erklärten, worum es tatsächlich geht: „Die letzte Meile“ einer Reisekette sollso gestaltet werden, dass kein Pkw mehr nötig ist. Der Fahrgast tippt zum Beispiel in der U-Bahn abends auf dem Weg nach Hause kurz vor der U-Bahn-Endhaltestelle ein paar Daten ins Smartphone, und schon kommt, scheinbar aus dem Nichts, ein autonom fahrender Kleinbus an die Endhaltestelle und bringt ihn fahrerlos bis an die Haustür. Wenn das auch noch elektromobil passiere, entlaste es sowohl die Städte als auch den Reisenden finanziell und ökologisch.Und noch eine Botschaft hatte die BVG-Vorstandsvorsitzende an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Nein, die Beschäftigten der BVG, die Busfahrerinnen und Busfahrer müssen sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen!“ Die Komplexität der Berliner Innenstadt werde noch „sehr, sehr lange“ verantwortungsbewusste und geduldige Menschen am Steuer erfordern.

Der dritte im Prominenten-Bunde war Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. Er weiß gut, dass er Gefahr läuft, sich mit Wörtern wie „innovativ“, „Digitalisierung“ oder Superlativen aller Art bei solchen Anlässen eher dem Gelächter der Kritiker auszusetzen als ernst genommen zu werden. Wohlgesetzt formulierte er deshalb, er sei froh, an diesem Objekt den Willen zu dokumentieren, dass „wir wieder führend sein wollen“ auf dem Weg zu einer Smart City und zeigen, „wie man in Partnerschaft einen Test- und Regelbetrieb umsetzen kann“.

Noch ist es ein Mischbetrieb

Bis jetzt ist der Shuttle, streng genommen, noch ein Mischbetrieb zwischen fahrerlosem Verkehr und Bus mit Fahrer. Noch ist das System also alles andere als rentabel. Nach Auskunft von easy mile-Vertriebschef Benedikt Sperling-Zikesch kostet ein Exemplar mehr als 200.000 Euro. Tendenz mit den Batteriepreise und steigenden Produktionszahlen stark sinkend. 70 Stück davon verkehren bereits weltweit, die Fabrik in Frankreich verlassen pro Woche zwei Busse.

Ein BVG-Mitarbeiter ist also am Charité-Campus immer dabei, er hat eine Art tragbaren Joystick, mit dem sich der Bus auch manuell steuern lässt. In der Praxis zeigte sich, dass das nötig ist. Die Intelligenz fährt diesen Bus äußerst vorsichtig, er hält lieber an, statt irgend etwas zu riskieren. So hängte er sich bei einer Probefahrt zwar nicht wegen „Sicherheitsbedenken“ der Algorithmen im Bus, sondern aus unerfindlichen Gründen mitten auf der 1,2 Kilometer langen Strecke auf. Mit einigen Handgriffen am Steuergerät sowie einem Restart kam er wieder in Fahrt.

Es ist eben noch ein Modellversuch. Manchmal hängt sich die künstliche Intelligenz auf. Auf diesem Bus ist von außen zu lesen: „Fährt selbst und ständig.“

Zunächst fahren auf dem Charité-Campus in Mitte ab sofort zwei gelbe Busse montags bis freitags von 09:00 bis 16:00 Uhr. Ab Mitte April sollen am Virchow-Klinikum weitere zwei des ebenfalls französischen Herstellers Navya dazu kommen. Nach etwa einem Jahr soll die „Begleitperson“ entbehrlich sein, wenn nichts schiefläuft.