Das jahrelange Hin und Her bei der Zulassung von Lokomotiven und Zügen in Deutschland soll bald der Vergangenheit angehören. Bundesregierung, Bahnindustrie und Bahnbetreiber werden voraussichtlich am (morgigen) Dienstag beschließen, dass das Zulassungsverfahren für Schienenfahrzeuge vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ähnlich wie bei Flugzeugen in die Hände privatrechtlich organisierter, aber staatlich zertifizierter Prüfinstanzen gegeben wird. Die Behörde soll dann nach Prüfung der Vollständigkeit und der Unterlagen nur noch den Stempel auf die Papiere drücken. Das verlautete am Montag aus dem Bundesverkehrsministerium.
Am Dienstag wird der Runde Tisch, den Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer nach anhaltenden gegenseitigen Schuldzuweisungen aller drei Beteiligten eingerichtet hat, über einen entsprechenden Vorschlag von Arbeitsgruppen aus allen drei Gruppen entscheiden. Die Bundesregierung und das Bundesamt kommen damit einer Forderung vor allem der Bahnindustrie weitgehend entgegen. Bis das neue Verfahren vollständig gesetzlich abgesichert ist, werden allerdings noch rund zwei Jahre vergehen, da Gesetze geändert werden und Verordnungen neu geschrieben werden müssen.
In der Zwischenzeit soll ein Interimsverfahren angewendet werden, bei dem sich das EBA auf die vier gefahrenträchtigsten Prüffelder – Zugsicherung, Radsätze, Bremsen und Fahrtechnik – beschränkt und die anderen 20 Felder bereits von privaten zertifizierten Instituten abnehmen lässt. Dieses Interimsverfahren wird dann voraussichtlich auf die neue ICx-Baureihe angewendet, den größten Einzelauftrag für die deutsche Bahnindustrie seit Bestehen der DB AG, der sich auf rund sechs Milliarden Euro beläuft.
In der Vergangenheit begleitete das EBA als Zulassungsbehörde praktisch jeden Entwicklungs- und Fertigungsschritt bei neuen Schienenfahrzeugen. Vor anderthalb Jahren hatte das Verkehrsminisertium mit der Erstellung des „Handbuchs Eisenbahnfahrzeuge“ bereits gehofft, die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen EBA und Industrie beenden zu können. Es stellte sich jedoch heraus, dass sowohl die Verfahrensbeschreibungen zu viel Interpretationsspielraum ließen als auch die Lösungsschritte im Konfliktfall nicht geregelt waren.
Die Hersteller hatten dem Amt vorgeworfen, während laufender Zulassungsverfahren immer neue Anforderungen einzuführen, deren Befolgung dann wieder zeitraubend Änderungen bei anderen Komponenten habe. Die Behörde und die Betreiber hatten aber auch an der Lieferqualität der Schienenfahrzeuge viel auszusetzen.
Zwei besonders betroffene Baureihen, die seit Jahren für Schlagzeilen sorgen, sind die „Talent-2“-Nahverkehrszüge des Herstellers Bombardier und 16 „Velaro D“-Hochgeschwindigkeitszüge von Siemens. Erstere sind bereits zahlreich in Betrieb, und laut EBA ist auch die lange Zeit verweigerte Zulassung für Tempo 160 bei Mehrfachtraktion erteilt. Bei den ICE-3-„Velaros“ hat sich zuletzt der Hersteller selbst sehr zurückhaltend hinsichtlich eines genauen Lieferdatums geäußert. Sie sollen aber so gut wie fertig sein.