Neue Siemens-Velaros fahren zwischen Köln und Stuttgart – Paris und Brüssel als Ziele haben hohe Priorität
Frankfurt(M)/Köln, 18. Februar (ssl) Eine durchgehende Bahnverbindung der Deutschen Bahn nach London ist in weite Ferne gerückt. Bei einer Pressefahrt aus Anlass der Auslieferung der ersten ICE-Züge des Siemens-Typs Velaro D wollte sich der Produktionsvorstand von DB Fernverkehr, Andreas Busemann, am Dienstag nicht darauf festlegen lassen, dass diese einst zu den Olympischen Spielen in London 2012 geplante Verbindung noch in diesem Jahrzehnt realisiert wird.
Busemann nahm demonstrativ einen großen Zugschlüssel von dem für Hochgeschwindigkeitszüge zuständigen Siemens-Chef Jürgen Wilder entgegen. Bis Ende März sollen acht der bestellten 16 Velaro-ICE bei der Bahn angekommen sein. Das Gesamtvolumen der gut zwei Jahre zu spät gelieferten Züge beläuft sich auf etwa eine halbe Milliarde Euro.
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Wilder räumte im Zusammenhang mit der verspäteten Auslieferung ein, dass Siemens sich bei der Entgegennahme des Auftrags nicht über die Zeit im klaren gewesen sei, die die zahlreichen Neuerungen und die dafür nötigen Zulassungsprozeduren in Anspruch nähmen. Er verwies aber auch auf die in Deutschland extrem umständlichen und lagwierigen Zulassungsprozeduren. Lobend merkte er an, dass das Handbuch Eisenbahnen der Bundesregierung hilfreich sei, um diese Verfahren berechenbarer zu gestalten.
Bislang hat die Bahn vier dieser Züge als Baureihe 407 in Betrieb. Zwei davon verkehren sporadisch schon im Fahrplan der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main bis Stuttgart, die übrigen absolvieren Test- und Personalschulungsfahrten. Wilder sagte, die Züge sein gegenüber den bereits verkehrenden der Baureihe 405 fast komplett neu entwickelt. Äußerlich unterscheiden sie sich unter anderem durch eine neue Front und durch ein „Hochdach“, unter dem sich unter anderem leistungsfähigere Klimaanlagen verbergen.
Verbesserte Aerodynamik und optimierte Wirkungsgrade sollen einen um 20 Prozent reduzierten Energieverbrauch bewirken. Siemens gibt an, dass er nun umgerechnet 0,33 Liter Benzin auf 100 Kilometer pro Sitzplatz entspricht. Die Traktionsleistung gibt der Konzern mit 8.000 Kilowatt an. In der 1. Klasse bietet der Zug 111 und in der 2. Klasse 333 Sitzplätze plus 16 in dem recht klein dimensionierten Bordrestaurant. Die DB rechtfertigt das unter anderem mit dem erweiterten Am-Platz-Service in der 1. Klasse. Die Züge sind für Tempo 320 zugelassen und erreichen auf der rechtsrheinischen Hochgeschwindigkeitsstrecke 300 km/h.
Künftige Auslandseinsätze sind zunächst für Belgien und Frankreich vorgesehen. „Wir konzentrieren uns darauf, mit dem Velaro nach Brüssel und Paris fahren zu können“, sagte Busemann. Die schon produzierten, aber noch nicht ausgelieferten „acht bis neun“ (Busemann) Züge sind zurzeit in den beiden Nachbarländern, um die dortigen Zulassungen zu erhalten. Auf einen Zeitpunkt, von dem an nach Belgien und Frankreich gefahren wird, wollte er sich nicht festlegen.
Ebensowenig nannte er einen Zeitpunkt für die Betriebsaufnahme der geplanten Verbindung Frankfurt-London. „Wir haben das Ziel, nach London zu fahren, nicht aufgegeben“, sagte er. „Das ist Gegenstand einer späteren Betrachtung.“ Offiziell bedarf es für die Fahrt durch den Ärmelkanaltunnel zusätzlicher Sicherheitseinrichtungen in den deutschen Zügen. Inoffiziell klang aber in den letzten Jahren immer wieder an, dass es eine scharfe Rivalität zwischen der deutschen und der französischen Bahnindustrie gibt, die die derzeit eingesetzten „Eurostar“-Züge betreibt.
Die Deutsche Bahn hat 16 Stück bestellt, erhält aber als Teil der Kompensation für die verspätete Lieferung einen weiteren „kostenlos“. Über zusätzliche Geldzahlungen für die Verspätung werde noch verhandelt, sagte Busemann. Wilder sagte, in den letzten Jahren habe Siemens wegen der Verzögerungen 300 bis 360 Millionen Euro Kosten zurückstellen müssen. Die DB hatte stets erklärt, vor Auslieferung die Züge nicht zu bezahlen.
Für Siemens ist der Velaro gleichwohl ein Erfolgsmodell. In Spanien, Russland, und vor allem China verkehren laut Wilder bereits etwa 350 solcher Züge, 2013 erhielt Siemens einen Auftrag über sieben Züge für die Türkei.