Auch der modernste Diesel-Lkw kann die Umwelt verpesten

Wenn er manipuliert wird – 20 Prozent oder zwei Prozent betroffen? – Streit um Ausmaß des Betruges

Berlin, 24. Juli (ssl) Auch die modernsten Diesel-Lkw auf unseren Straßen und Autobahnen können die Umwelt verpesten, wenn sie nämlich in krimineller Absicht manipuliert werden. In welchem Ausmaß das tatsächlich der Fall ist, darüber streiten die Fachleute.

Abgasreinigung manipuliert oder nicht? Kontrolleure haben es schwer. © Foto: TollCollect

Die kriminelle Absicht ist nur sehr schwer nachzuweisen, wie die Deutsche Umwelthilfe am Mittwoch einräumte. Deshalb sei jeder fünfte Lkw auf deutschen Straßen vermutlich manipuliert. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) ermittelte dagegen eine Quote von nur 2,4 Prozent.

Die Diesel, Harnstoff und Maut sparende Manipulation der Abgasreinigungsanlage funktioniert bei Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen so: Ein Software- oder Hardware-Eingriff in die Anlage, ein sogenannter Emulator, spiegelt den Sensoren vor, dass der reinigende AdBlue-Kraftstoffzusatz, der extra getankt werden muss, in ausreichendem Maß vorhanden wäre. Tatsächlich fährt der Betrugs-Laster aber nur mit Diesel und spart dadurch eine Menge Geld, was ihm nicht nur einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Anständigen bringt, sondern auch umweltschädlich ist. Wären die schlechteren Abgaswerte der Verwaltung bekannt, würde sie die betroffenen Lkw überdies in eine teurere Mautklasse einstufen, sodass der Betrüger dem Staat zusätzliche Einnahmen vorenthält.

Die Messmethode „Plume Chasing“ der Universität Heidelberg. © Institut für Umweltphysik, Universität Heidelberg

Geht es nach der Deutschen Umwelthilfe (DUH), versagt dabei gerade die Bundesregierung samt der nachgeordneten Kontrollbehörden, weil sie durch mangelnde Kontrolldichte das Entdeckungsrisiko für die angeblich vornehmlich osteuropäischen Manipulateure auf nahezu Null senkt. Die DUH präsentierte eine Untersuchung , bei der Wissenschaftler der Universität Heidelberg durch Hinterherfahren mit Messfahrzeugen bei 20 Prozent der 141 kontrollierten Lkw zu hohe Abgaswerte ermittelte. 40 davon waren nach Euro-5-, 100 nach Euro-6-Norm zugelassen. 30 Prozent der Euro-5-Laster lagen über dem Prüfwert (also dem zulässigen Wert plus Toleranz) und 16 Prozent der Euro-6-Laster. Für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge ergab sich ein Sünder-Anteil von 13 Prozent, für Osteuropa plus Russland plus Türkei von 31 Prozent.

Andreas Mossyrsch vom Interessenverband Camion Pro und Jürgen Resch von der Umwelthilfe sahen vor allem in den kaum stattfindenden offiziellen Kontrollen quasi eine Einladung an die Unternehmer, die Software so zu manipulieren, dass die Lkw ohne Adblue auskommen. Das koste bei einem Euro-5-Fahrzeug etwa 35, bei einem Euro-6-Fahrzeug einige hundert Euro, rechne sich aber dank der Kraftstoff- und AdBlue-Einsparungen schon nach kurzer Zeit. Überdies sei es schwer nachweisbar. Bei Euro-VI wehre sich die Software gar „aktiv gegen die Aufdeckung“, sagte Mossyrsch.

Alle Beteiligten an der Präsentation betonten, dass es extrem schwierig sei, die Existenz eines Emulators im, Lkw nachzuweisen. Die Frage, dass bei einem doch recht komplexen IT-System wie einem Euro-6-Nutzfahrzeug mit umfangreichen Algorithmen und Datensammel-Funktionen ein externer Eingriff zumindest dem Hersteller auffallen müsste und also nachweisbar sei, beantworteten sie mit dem Hinweis, man sei zwar im Gespräch mit den Herstellern, aber es fehle eine Vorschrift, die sie dazu verpflichte. „Wir machen wieder einmal Regierungsersatzarbeit“, sagte Axel Friedrich, der Leiter des DUH-Emissions-Kontroll-Instituts. „Wenn jeder fünfte getestete Lkw die Abgasstandards nicht einhält, ist das ein Beleg dafür, dass die Abgasanlage manipuliert oder defekt ist.“

Resch führt darüber hinaus das angeblich große Angebot an Emulatoren im ausländischen Internet an, das nicht mit der geringen Manipulationsquote des BAG zusammenpasse, das diese (angeblich zu wenigen) Kontrollen offiziell durchführt, zusammenpasse. Das Amt hat nämlich im vergangenen Jahr nur bei 131 oder 2,4 Prozent der 13.298 geprüften Lkw Emulatoren gefunden , wie aus einem Bericht von Eurotransport.de hervorgeht, der auch anschaulich schildert, wie kompliziert die Einzelprüfungen sind.

Die Sünder-Anteile. © Institut für Umweltphysik, Universität Heidelberg

Vor ähnlichen Problemen stehen auch die Kontrolleure in anderen Ländern. Sie haben auch noch keine endgültige Lösung, aber andere Therapien, wie Resch erklärt. „In der Schweiz wird ein Fahrzeug mit stark überhöhten Abgaswerten solange stillgelegt, bis der Betreiber es vor Ort (also in der nächstgelegenen Werkstatt) „hat reparieren lassen und die Prüfer festgestellt haben, dass es die Werte erfüllt“. Wer weiß, welchen Zeitdruck Spediteure in ihre Wirtschaftlichkeitsberechnung einfließen lassen, der weiß auch, wie empfindlich sie diese Art der Behandlung treffen würde. Allerdings steht einer Übernahme dieser Praxis in Deutschland offenbar nicht nur der Aufwand, sondern auch die Angst vor Schadenersatzklagen entgegen. Resch mutmaßte sogar „eine Verweigerungshaltung auf allen Ebenen“.