Torsten Schäfers Buch „Wasserpfade“ über die Modau und den Klimawandel
„Vielleicht schreibt er mir aus der Seele“, dachte ich, als der oekom Verlag mir ein Besprechungsexemplar von „Wasserpfade“ von Torsten Schäfer anbot. Ich erwartete eine Geschichte, teils fiktional, vielleicht romantisch, selbstreflektierend in Natur-, genauer Wasserbeobachtung im deutschen Mittelgebirge. Diese Erwartungen wurden zwar nicht erfüllt, aber zu Ende gelesen habe ich es trotzdem. Ein informatives Sachbuch.
Berlin, 31. Januar (ssl) Torsten Schäfer, Professor für Umweltjournalismus in Darmstadt, ist das südhessische Flüsschen Modau abwärts gegangen und gefahren. Der Fluss entspringt im nördlichen Odenwald, fließt durch Darmstadt-Eberstadt und mündet nach etwa 44 Kilometern am Kühkopf in den Rhein. Darüber hat Schäfer ein Buch mit dem Titel „Wasserpfade“ verfasst. Er mischt darin die Schilderung des teils beklagenswerten Gewässerzustands mit autobiographischen Elementen.
Möglich wird das, weil er im direkten Einzugsbereich der Modau wesentliche Teile seines Lebens verbracht hat und noch verbringt und daher die Veränderungen miterlebt hat. Ihm gelingt zwar nicht immer die Lösung vom Anekdotischen, aber anhand der Beschreibung des Mikrokosmos Modau liefert der Autor eine plastische Darstellung der Umweltveränderungen der letzten Jahrzehnte, die sich zunächst durchweg negativ auf das Biotop auswirkten.
Frage an Torsten Schäfer: Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Buch gekommen? Ich bin schon immer viel an Flüssen, als Naturschützer, Angler und Camper, gewesen und habe mich immer mit Wasser und der Ökologie beschäftigt, aber auch als Ort der Versenkung, der Stille und der Schönheit. Das Schreiben über Natur bahnte sich seinen Weg, dann kam die Idee, meinen Heimatfluss zu porträtieren als Prototoyp eines kleinen Flusses in Deutschland.
In jüngster Zeit, so scheint es, hat das (zu) langsam erwachende Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein aber wenigstens ansatzweise zu einem Umdenken in Politik und vor allem in nachgeordneten Behörden geführt, sodass sich erste zarte Richtungswechsel hin zu einer nachhaltigen Landschaftsplanung und -gestaltung abzeichnen.
Zwar folgt Schäfer bei der handwerklichen Darstellung relativ genau der Definition des Literaturbegriffs „Nature Writing“ bei Wikipedia: „Charakteristisch für das Nature Writing ist der die Natur beobachtende, beschreibende und empfindende Mensch als Subjekt, woraus sich auch in der Form ein wesentlicher Unterschied zum objektiven Ansatz der Naturwissenschaft ergibt.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Nature_Writing).
Neugierig war ich auf das Buch, weil die Gegend um die Modau, wie überhaupt der Odenwald, eine Zeitlang eine meiner bevorzugten Erholungsregionen war, weniger wegen des Flusses als wegen der umgebenden Mittelgebirgslandschaft am Oberlauf. Außerdem hatte ich die irrige Vorstellung, Schäfer beschreibe, wenn er „eintaucht“ in die Wasserwelt, auch um den Einfluss von Wald und Natur auf das Individuum im Sinne von „Zurück zur Natur“, und nicht in erster Linie um das Beziehungsgeflecht zwischen gewässergeprägter Landschaft und Gesellschaft. Es geht also nicht um eine Art Selbstfindung oder das menschliche Experiment, möglichst naturnah zu leben, wie es der berühmteste der „Nature Writers“, Henry David Thoreau, in „Walden“ beschreibt. Nein, es geht eigentlich um Kultur, oder darum, zwischen Natur und Kulturlandschaft nennt, ein positives Verhältnis herzustellen.
Frage an Torsten Schäfer: Können Sie das „Eintauchen“ kurz beschreiben? Es bedarf dazu wohl keiner Taucherbrille?
Das ist ein Sinnieren, Beobachten, Schreiben und wieder Sinnieren, auch mal mit einer Meditation, am Ufer – oder eben wirklich ein kurzes Gesichtsbad, ein normales Bad, etwa an der Fischtreppe, oder auch ein Schwimmen.
Da ich das Buch in pdf-Form bekam, las ich weite Teile mit der „aufgeschlagenen“ topographischen Karte neben dem Text, auf der ich fast metergenau hinter oder neben Schäfer hergehen konnte. Deshalb machte es nichts aus, dass dem Buch keine Karte beiliegt. Das Fehlen von Illustrationen, sieht man von zeichnerischen Darstellungen des Flusses, der Auen und Teiche zu Beginn eines jeden Kapitels ab, macht sich ansonsten aber doch negativ bemerkbar. Schäfer ist Angler, und als Glied der Nahrungskette, das Fische frühestens im Laden, meist aber doch erst auf dem Teller wahrnimmt, hätte ich mich schon über die eine oder andere Abbildung gefreut, ganz zu schweigen von beispielhaften Fotos der landschaftsgestalterischen Sünden an den Ufern der Modau.
Dies insbesondere, weil das Buch sich entgegen seinem romantisierenden Titel und Anfang der Ankündigung im Waschzettel, dass er oft mit seinen Kindern unterwegs sei, am Ende doch als Sachbuch entpuppt. Dafür wiederum empfand ich den „auch in der Form wesentlichen Unterschied“ zum wissenschaftlichen Ansatz manchmal als störend. Ein paar Fußnoten mit präzisen Quellenangaben über die „Weiterlesen“-Liste am Ende des Buches hinaus hätten mir das Hinzu-Recherchieren deutlich erleichtert, gerade als pdf-Leser.
Frage an Torsten Schäfer: Wie reagieren Ihre Kinder auf die Natur, etwa bei gemeinsamen Spaziergängen?
Man muss manchmal die Brücke bauen vom Haus hinaus, gerade bei schlechtem Wetter. Sonst sind sie ja hier jeden Tag direkt am Wald und auch viel drin. Sie wollen entdecken und erobern! Schätzer verstecken, Burgen bauen; wir machen viel Stockkampf oder holen Wasser von Quellen, das ist immer ein Höhepunkt für sie.
A propos „am Ende des Buches“: Während auf den ersten Seiten noch Wörter wie „Himmelsfenster“, „Wolkentiere“ oder „Sonnenwesen“ vorkommen und Schäfer sich – etwa an der Siegfriedquelle – ein bisschen in Heimatkunde verliert, wird er gegen Ende immer mehr zum Aktivisten: „Denn die (Klima-)Folgen, denen ich in Feld, Wald und an den Ufern hinterhergelaufen bin, sind sichtbar, spürbar, sie riechen, stinken, brennen, tun weh, kosten Geld, Wald und Leben, vor allem Lebensqualität.“ Verständlich, wenn man Erscheinungsbild und Zustand der Modau unterhalb von Pfungstadt betrachtet.
Das Buch führt überzeugend vor, wie der Mikrokosmos in unmittelbarer Nachbarschaft die Unbilden des Klimawandels konkret widerspiegelt, und dass es allerhöchste Zeit wird, dagegen zu halten.
Torsten Schäfer: »Wasserpfade. Streifzüge an heimischen Ufern«, 288 S., Hardcover, München: oekom Verlag 2021 (Erscheinungstermin 09. Februar 2021) ISBN 978-3-96238-226-1, 24 Euro / 24,70 Euro (A).