Cleveres Bauen und gutes Fahren auf der Schiene

Runder Tisch erarbeitet Konzept für mehr Koordination und Kommunikation beim Baustellenmanagement –

Berlin, 05. Juni (ssl) Mal ist es die Gasleitung, mal das Telefonkabel, mal arbeitet niemand, mal sind es lange Umleitungen – so unkoordiniert geht es nicht nur bei Baustellen vorm Haus zu, sondern auch bei den nun stetig zunehmenden Investitionen der Bahn. Bis zu 800 Baustellen behindern täglich den Schienenverkehr im Lande. Dabei steht der Kunde nicht immer im Vordergrund, sondern wirtschaftliche Erwägungen, Diskoordination und Bequemlichkeit. Das soll nun anders werden. Der „Runde Tisch Baustellenmanagement“ im Schienenverkehr legte nach anderthalb Jahren Projektarbeit Verkehrsminister Andreas Scheuer ein Konzept vor, wie Struktur in einen offensichtlich chaotischen Zustand gebracht werden könnte. Problem: Es kostet Geld. Scheuer sagte aber zu, sich beim Finanzminister darum zu bemühen.

Momentaufnahme: „Baubedingte Fahrplanänderungen“ – nur in NRW, nur im Personenverkehr. © Grafik: Deutsche Bahn AG

Am Runden Tisch saßen die DB Netz, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV für den Güterverkehr, der Verband mofair für den Schienenpersonenverkehr und die BAG-SPNV für die Besteller von Nahverkehrsleistungen, also der Verkehrsverbünde. Sie alle haben, wenn es um Baustellen rund um die Schiene geht, verschiedene Interessen.

Beispielsweise wollen die Nahverkehrsunternehmen, dass möglichst nachts gebaut wird und möglichst ohne Streckenvollsperrungen. Das wiederum passt den Güterverkehrsunternehmen nicht, die nachts freie Fahrt haben wollen. Auch vielen Bauunternehmen nicht, weil sie dann höhere Löhne und Schichtzulagen zahlen müssen, wenn sie überhaupt in der derzeitigen Arbeitsmarktsituation Menschen finden, die zu ungewöhnlichen Zeiten auf der Baustelle ackern wollen. Im Fernverkehr fallen Vollsperrungen weniger auf, weil sie Reisende treffen, die nicht täglich auf derselben Strecke fahren (müssen) und in der Regel vorab planen können.

Sechs Wochen kein Zug in Wuppertal

Martin Husmann brachte für die BAG-SPNV ein Beispiel vom Berufsverkehr. Dort wurde in Wuppertal eine wichtige Pendlerstrecke für sechs Wochen gesperrt. „Da müssen die Verkehrsunternehmen bei Vollsperrungen Busse für Schienenersatzverkehr anmieten und haben wochenlang Leerlauf für Lokführer und Werkstattpersonal, abgesehen davon, dass sie von den Bestellern für ausgefallene Züge auch kein Entgelt bekommen.“

Der Netzbetreiber dagegen, der mit Bundes- und Landesmitteln arbeitet, ist gehalten, so günstig wie möglich zu bauen, was in der Regel Nacht- und Schichtarbeit ausschließt und Vollsperrungen begünstigt. Dauert es länger als geplant, waren bisher die Strafzahlungen vergleichsweise minimal. In Ballungsräumen wird es wegen der Anwohner schwierig mit der Nachtarbeit.

Die Zielvorgabe, möglichst billig zu bauen, „führte in der Vergangenheit dazu, dass das Ziel der Kundenorientierung konterkariert wurde“, sagte Martin Henke vom VDV. Er beklagte Umleitungen für den Güterverkehr, die teilweise zu spät angekündigt wurden und bei den Kunden der Güterbahnen den Produktionszyklus durcheinanderbrachten. „Wir brauchen bessere Kommunikation“, sagte er.

„Nicht angemessen“

Die bisherige Art zu bauen „ist nicht das, was angemessen ist“, resümierte mofair-Präsident Stephan Krenz am Dienstag. Wie bringt man das alles unter einen Hut, zumal die Zahl der Baustellen stetig ansteigt, weil inzwischen alle eingesehen haben, dass das Schienennetz sonst ruiniert wird? „Das Risiko muss angemessen verteilt werden“, beschloss der Runde Tisch.

Die Stakeholder wollen Schienenkorridor für Korridor betrachten und sich einigen, welche Interessen vorrangig zu berücksichtigen sind – mal die des Pendlerverkehrs, mal die des Güterverkehrs oder des Fernverkehrs, je nachdem, was die Nachfragesituation nahelegt, wie Thomas Schaffer, Vorstand Vertrieb und Fahrplan der DB Netz AG, am Dienstag erklärte. Zusätzlich vereinbarten sie höhere Pönalen (Strafzahlungen bei Terminüberschreitung), die laut Schaffer teilweise von derzeit zwei Euro auf 18 Euro pro Verspätungsminute ansteigen.

Nachtarbeit oder schärfere Verträge, ja sogar Anpassung bestehender Verträge, die teilweise auf 15 Jahre abgeschlossen wurden – all das kostet Geld. Finanzieren soll es der Bund, „schließlich geht es um fahrgastorientiertes Bauen“, wie es Krenz formulierte. Henke erinnerte an die Verursacher des Investitionsstaus: die Politik. „Ehrlich gesagt: Wer verpennt hat, muss dann auch dafür geradestehen und die Aufholjagd bei den Investitionen finanzieren.“

Scheuer lobt engen Schulterschluss

Die Teilnehmer, die am Dienstag dem Verkehrsminister das Ergebnis ihrer koordinativen Bemühungen überreichten, zeigten sich zuversichtlich, dass Scheuer ihr Anliegen in der Bundesregierung erfolgreich vertritt: „Er hat nicht „Nein“ gesagt, sondern sich offen gezeigt“, freuten sie sich. Scheuer wurde mit den Worten zitiert: „Ich begrüße es sehr, dass die Branche in engem Schulterschluss ein Konzept für cleveres Bauen und gutes Fahren erarbeitet hat.“ Wie es sich anhört, wenn er damit beim Finanzminister vorstellig wird, blieb offen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Kassenwart der Bundesregierung hartleibiger zeigte als ein Verkehrsminister.

Eine Summe in Millionen oder Milliarden konnten die Teilnehmer des Runden Tisches allerdings noch nicht nennen. Und die Illusion, dass die Mehrkosten für schnelleres Bauen durch frühere Inbetriebnahme der Strecken und daraus resultierende Trasseneinnahmen oder Fracht einnahmen wieder hereinkommen, nahm Schaffer den Beteiligten: „Es rechnet sich nicht.“ So könnte es sein, dass künftig zwar etwas weniger als geplant, aber qualitätvoller gebaut wird. Aber alle sind zufriedener.