Mehr Geld für die Güterzüge

Masterplan Schienengüterverkehr stößt auf allgemeines Wohlwollen – 350 Millionen pro Jahr für die Trassenpreissenkung

Überholgleise – wie hier nahe Mannheim – sollen verlängert werden. Foto: Rietig

Berlin, 23. Juni (ssl) Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will eine Senkung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr um jährlich 350 Millionen Euro durchsetzen. Das bedeutet nach seinen Angaben de facto eine Halbierung der Entgelte. Es soll die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs fördern. Die Summe werde aus allgemeinen Steuereinnahmen kommen und sei so im Entwurf für den Bundeshaushalt 2018 vorgesehen, sagte der Minister am Freitag in Berlin bei der Vorstellung des Masterplans Schienengüterverkehr.

Die Verkündung ging tatsächlich über das seit Jahrzehnten zu hörende „Mehr Verkehr auf die Schiene“-Mantra hinaus, indem eine klare Summe und konkrete Maßnahmen genannt wurden. Dobrindt erklärte, die Bereitstellung der Millionen sei nicht nur für ein Jahr geplant, sondern erst einmal für fünf Jahre. Vielmehr solle ein ständiges Monitoring sicherstellen, dass die mit dem Geld ergriffenen Maßnahmen auch die gewünschte Wirkung erzielten.

Schließlich kündigte Dobrindt den Aufbau einer Forschungsstruktur für den Schienenverkehr ähnlich der Bundesanstalt für Straßenwesen an, die weitere Potenziale des Systems Schiene definieren und Möglichkeiten der Nutzung entwickeln soll. Die „Struktur“ solle zunächst innerhalb des Ministeriums entstehen und „mittelfristig eine fest etablierte Institution“ werden.

Geld, Infrastruktur, Digitalisierung

Der Masterplan stellt laut Dobrindt vor allem auf drei Bereiche ab. So sollen die Frachtraten sinken, indem ein Teil der Zuwendungen an die Auftraggeber weitergereicht wird und damit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Lkw-Verkehr gestärkt wird. Zum zweiten soll die Infrastruktur für den Güterverkehr verbessert werden. Dobrindt nannte insbesondere den Bau bzw. die Verlängerung von Überholgleisen, um „auf dem ganzen Netz“ Güterzüge von 740 Meter Länge zu ermöglichen. Das gibt es bisher nur auf wenigen Strecken in Deutschland, etwa zwischen Maschen und Padborg in Dänemark. Dort dürfen sie sogar noch länger sein. Als drittes wichtiges Handlungsfeld nannte Dobrindt die Digitalisierung des Güterverkehrs.

Der für den Güterverkehr zuständige Vorstand der Deutschen Bahn, Berthold Huber, erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Zugbildung, also das Rangieren, 30 Prozent der Gesamtkosten des Einzelwagenverkehrs ausmache. Das liegt unter anderem daran, dass die Waggons immer noch wie seit gut 150 Jahren von Hand ge- und entkuppelt werden müssen. Er bestritt vehement, dass die DB diesen Güterverkehrszweig einzustellen plane. Als Beleg verwies Huber darauf, dass eines der großen Projekte der Digitalisierung die Automatisierung der Zugbildung sei. Noch in diesem Jahr soll im derzeit nur spärlich genutzten Rangierbahnhof München-Nord ein Testfeld für digitalisierte Zugbildung entstehen, dessen Ergebnisse dann auf die übrigen Zugbildungsanlagen übertragen werden sollen. Dabei geht es unter anderem um automatisch fahrende Lokomotiven. Weitere denkbare Maßnahmen wären automatische Kupplungen, wie sie bereits im Schienenpersonenverkehr vorherrschen, und/oder Kupplungsroboter.

Der Einzelwagenverkehr ist mit den hohen Trassengebühren und den überholten Zugbildungstechnologien nicht konkurrenzfähig zur Straße. Foto: Rietig

Huber verwies im übrigens auf den geplanten Ausbau des „Ostkorridors“, das sind bereits vorhandene Strecken durch die neuen Bundesländer und Ostbayern, die eine Ausweichstrecke für die hochbelasteten Hafenhinterlandrouten im Westen der Republik bilden sollen.

Das Ergebnis der Runde-Tisch-Sitzung wurde von allen Teilnehmern begrüßt. Im Vorfeld hatte es allerdings Kritik von den Binnenschifffahrtsverbänden gegeben, die sich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschränkt fühlen. Ihnen hielt Dobrindt entgegen, dass die meistbefahrene Bundeswasserstraße überhaupt keine Trassengebühren koste: „Der Rhein bleibt abgabenfrei!“

Möglicher Kritik der Straßenlobby kam der CSU-Minister zuvor, indem er darauf hinwies, dass die Bundesregierung sowohl das Platooning (mehrere Lkw fahren hintereinander, und die hinteren werden automatisch vom vorderen gesteuert) als auch die Lang-Lkw erlaubt habe bzw. teste. Allerdings verwies er auf den „geschlossenen Finanzierungskreislauf Schienenverkehr“. Dazu dürfte die Autolobby anmerken, dass dieser Kreislauf zumindest Zuwendungen von außen – also aus Steuermitteln – zulässt und insofern nur geschlossen ist, was den „Abfluss“ von Mitteln angeht.

Aber Dobrindt hatte eine selten zu hörende Antwort auf die Frage bereit, was denn die Verlängerung der Überholgleise kostet: „Die Frage ist zwar relevant, aber die Kostenbetrachtung folgt dem politischen Willen“, will sagen: Was es kostet, ist nicht ganz unwichtig, aber sekundär, wenn es dazu dient, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen.

Die Teilnehmer des Runden Tischs Schienengüterverkehr. In der Mitte Alexander Dobrindt. Foto: Rietig

Rein theoretisch könnte das 44-seitige Papier und insbesondere die Subventionszusage Ende des Jahres Makulatur werden, denn der Haushaltsentwurf 2018 fällt formal der Diskontinuität anheim. Das bedeutet, die nach der Bundestagswahl im September zu formende neue Regierung muss sich nicht daran halten, sondern kann die Prioritäten neu festlegen. Allerdings ist das in diesem Fall unwahrscheinlich, nachdem Dobrindt für seine Zusage mit dem Runden Tisch Schienenverkehr ein recht großes und einflussreiches Publikum ausgesucht hat, das aus allen maßgeblichen Stakeholdern des Schienengüterverkehrs besteht.