Das Geheimnis des undichten Dachs

Im Berliner Legoland entsteht der Berliner Hauptbahnhof im Maßstab 1:60

Lego-Baumeister Olaf Reichert auf seiner Baustelle. Bis Ende 2018 soll hier ein 1:60-Modell des Berliner Hauptbahnhofs entstehen. Finde die Dixiklos! © Foto: Rietig

Berlin, 20. Juni (ssl) Es gibt Termine, da lernt der Journalist auch mal spielerisch. Die Vorstellung der Baugrube des Berliner Hauptbahnhofs im Maßstab 1:60 war so einer. Seitdem weiß ich, warum es im richtigen Hauptbahnhof durchs Dach tropft und wie das mit der Genderfrage bei den bauarbeitenden Lego-Figuren ist (fast hätte ich „Männchen“ geschrieben). Und wann neuerdings pünktliche Züge abfahren.

Kurz die Fakten: Der 2006 kurz vor der Fußball-WM eingeweihte Berliner Hauptbahnhof soll im „Legoland Discovery Center“ im Berliner Sony-Center aus den berühmten Plastikbausteinen entstehen. Der Bau unmittelbar neben dem 1:60-Reichstagsgebäude und mit bereits bestehendem U-Bahn-Anschluss beginnt gerade. Fertig werden soll das Teil, das aus 450.000 Steinchen besteht, Ende 2018. Baumeister ist Lego-Profi Olaf Reichert, der sich die Pläne des großen Gebäudes ansehen durfte, aber dermaßen versiert im Legobauen ist, dass er seinerseits darauf verzichtet hat, das kleine Gebäude am Reißbrett zu entwerfen und einen Computer ausrechnen zu lassen, wieviele Teile er von den verschiedenen Varianten braucht. So machen es die Profibauer von Lego normalerweise.

Reichert hat sich erst einmal ein Modell im Maßstab 1:550 gebaut, um die Dimensionen in das Lego-Dungeon zu bringen. Tatsächlich „baue ich ihn so, wie er damals gebaut wurde“, sagte Reichert. Also erst eine Baugrube mit Kränen und Baupersonen. Die gendergerechte Ausdrucksweise verwende ich, weil Nina Zerbe, die Sprecherin des Lego-Centers, von einer Besucherin zu berichten weiß, die sich beschwert habe, dass da nur Männer arbeiteten. Zerbe musste ihr erklären, dass es sich eigentlich gar nicht um Männer handelt, da bei Lego-Figuren in 1:60-Größe sich die biologischen Geschlechter nur durch die Haarpracht und ggf. durch die Kleidung unterscheiden. Auf der Baustelle herrscht aber Overall- und Helmpflicht. „Entweder Helm oder Haare“, sagte Zerbe. Natürlich haben alle Bauarbeitenden einen Helm auf. Um solchen Problemen künftig aus dem Weg zu gehen, sollten vielleicht schnell noch ein paar Figuren mehr als üblich des Bartes entkleidet werden.

Mit Lippenstift 

Seit dieser Kritik hat das Center eine etwa 1:3 große Bauarbeiterin in der Nähe der Baugrube aufgestellt, bei der Mann und Frau das Geschlecht an den Haaren und am Lippenstift erkennen kann (im Bild links oben). Eine weitere Kritik entzündete sich (diesmal spaßeshalber) an dem Umstand, dass für die 100 gewerblichen Arbeitnehmenden nur sieben Dixi-Klos zur Verfügung stehen und die Frage der Kantine auch nicht zufriedenstellend geregelt ist. Dabei bleibt es offenbar erst einmal.

Aber dann kam die Frage, ob in der Endphase des Nachbaus auch Wasserspiele eingebaut werden, damit das Loch im Dach in der Nähe des Starbucks-Cafés vorbildgerecht nachgebildet werden kann. (Ich nenne hier frech alle Markennamen, betone aber, dass es außer einer Butterbrezel bei Lego nix und bei Starbucks schon gar nix umsonst gab.) Durch dieses und ein paar andere Löcher tropft es bei Regen nämlich beharrlich in dem doch relativ neuen und milliardenteuren Bau.

Hauptbahnhofschef Thomas Hesse (links) und Baumeister Olaf Reichert präsentieren das Mini-Modell im Maßstab 1:550. © Foto: Rietig

Glücklicherweise war ein höchst kompetenter Mann bei der Grundsteinlego anwesend: der Chef des echten Bahnhofs, Thomas Hesse. Während also Reichert für die Fotografen mal vor, mal hinter dem Baukran posierte oder mit kleinen Legostein-Säckchen jonglierte, nahm Hesse Stellung: „Wir haben das schon achtmal ausgebessert.“ Immer wieder habe sich das Regenwasser aber durchgesetzt.

Das Wasser hatte geflügelte Helfer: „Die Krähen.“ Die bearbeiteten mit ihren Schnäbeln das Silikon der Fensterdichtungen. „Sie benutzen auch die Glasflächen, um Nüsse zu knacken“, sagte Hesse. „Sie lassen die Walnüsse aufs Glas fallen, damit sie aufgehen. Manchmal nehmen sie auch Schrauben mit nach oben und lassen sie aufs Glas fallen.“ Im Gegensatz zu den eher harmlosen Walnüssen können Metallteile zu Rissen im Glas führen, und dann muss es ausgetauscht werden. „Eine Gefahr besteht nicht“, beruhigt Hesse, „denn es ist Mehrschichtenglas.“ Jetzt im Sommer sollen wieder 25 der insgesamt 15.000 Scheiben ausgetauscht werden. Jede muss einzeln angefertigt werden, da keine Normscheiben im Hauptbahnhof verbaut wurden. „Wir werden sehen, ob wir eine Krähen-Schutzschicht auf die Silikon-Dichtungen aufbringen können.“

Mit dem Zeigersprung

Und wie bei allen Gesprächen mit Menschen bei der Bahn kommt auch wieder das Thema Pünktlichkeit. Hesse erzählt, dass die Züge jetzt pünktlich mit dem „Zeigersprung“ im Berliner Hauptbahnhof abfahren (sollen). Also dann, wenn der Sekundenzeiger auf die Zwölf springt und der Minutenzeiger auf die im Fahrplan vorgesehene Minute. Im europäischen Ausland sei das schon weitgehend so, sagt Hesse. Bislang sind die Züge, wenn etwa 12:10 Uhr als Abfahrt dranstand, je nach Fahrgastaufkommen am Bahnsteig auch schon mal um 12:10:50 abgefahren, was ja irgendwie auch noch pünktlich ist. „Wenn diese 50 Sekunden aber in jedem Bahnhof dazukommen, ergibt sich während der Fahrt eine Verspätung, ohne dass irgendein anderes Ereignis dafür verantwortlich wäre“, erläutert er.

Erstaunlicherweise habe es kaum Beschwerden von Fahrgästen gegeben, die auf den letzten Drücker am Bahnsteig ankamen und nun die Rücklichter ihres Zuges ein paar Sekunden früher als sonst sehen durften. Wäre schön, wenn es hülfe. Die aktuelle Pünktlichkeitsstatistik der Bahn gibt im Mai gerade wieder wenig Anlass zur Freude. Sie ist deutlich unter die 80-Prozent-Marke im Fernverkehr gefallen, nachdem sie im April bei 83,8 Prozent lag. Bei DB Regio pendelt sie konstant um die 95-Prozent-Marke.

„Wir kleben nicht“

Zurück zum Lego-Hauptbahnhof. Ein Risiko des Vorbilds will auch Reichert eingehen: „Wir kleben die Steine nicht.“ Es sei daran erinnert, wie ein Stahlträger des 1:1-Hauptbahnhofs einst bei einem Unwetter vom Dach herunterkrachte, glücklicherweise ohne jemand zu verletzen. Dank der Noppen und Nuten oder wie das Gegenstück der Noppen in Legosteinen heißt – ist das Bruchrisiko bei der kleinen Variante geringer. Und eine ansonsten im Lego-Alltag hohe Gefahr gibt es im Discovery-Center auch nicht: dass jemand mit dem Bobby-Car dagegen fährt und es zum Einsturz bringt.