Ökologiestudentinnen auf der Grünen Woche
Es passte fast zu gut: Die 200.000. Besucherin der Grünen Woche in Berlin, die wir am Mittwoch küren konnten, studiert Ökologie, Evolution und Naturschutz in Potsdam. Lisa Giese kam mit ihrer Kommilitonin Stephanie Winter und erklärte freundlich und ernsthaft auf die Frage, ob sie gekommen seien, um sich satt zu essen: „Unser Interesse liegt eher auf der informativen Ebene.“ Und so verabredeten wir uns in der Biohalle 1.2 am Stand des Präsentkorb-Sponsors – dem BÖLN (Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen Nachhaltiger Landwirtschaft) – zu einer kleinen Talkrunde.
„Wir haben viel diskutiert, auch miteinander“, sagten die beiden Jubiläumsgäste nach dem ersten Messerundgang. Genau die Kontroversen, die im Umfeld der Messe thematisiert wurden, treiben sie auch um. „Auf einem großen Lastwagen für Tiertransporte stand ‚Wir fahren Tierschutz‘, erzählte Stephanie. „Da fühlt man sich doch auf den Arm genommen.“
„Tiere haben ein Recht auf artgerechte Haltung“, ist Stephanie Winter überzeugt. „Tageslicht gehört dazu, und sie sollten nicht die ihr ganzes Leben auf Stangen stehen.“ Sie sind beide keine Vegetarierinnen. „Aber wenn wir Fleisch essen, dann nicht das billige.“ Aber viele Menschen könnten sich das nicht leisten, lautet das Gegenargument. „Das ist nur eine Ausrede. Wir wissen als Studentinnen, wie man mit wenig Geld auskommt. Es geht, man muss sich nur ein bisschen mit der Problematik beschäftigen.“
Schwellenländer bestimmen die Fleischbilanz
Ein Lichtblick sei, dass immer mehr Menschen in den westlichen Industrieländern bewusst äßen. Aber die Fleischbilanz weltweit werde trotzdem von den Millionen Bewohnern der Schwellenländer bestimmt, deren Fleischkonsum mit ihrem Wohlstand exponentiell steigt. Andererseits könne man diesen Menschen auch nicht einfach vorschreiben, sich beim Fleischkonsum einzuschränken, gibt Lisa Giese zu bedenken.
Nachdenklich stimmte die beiden Studentinnen der Unterscheid in der Behandlung von Heim- und Nutztieren. Während bei letzteren der wirtschaftliche Aspekt ganz offensichtlich im Vordergrund stehe, würden erstere – jedenfalls auf der Grünen Woche – gehätschelt und getätschelt.
Prozessschutz und Artenschutz
Und schließlich die Diskussion über die biologische Vielfalt und die Stilllegung land- und forstwirtschaftlicher Flächen in deren Interesse, wie sie auch in Deutschland in der umstrittenen Nationalen Strategie von 2007 geführt wird. „Da kommt der Unterschied zwischen Prozessschutz und Artenschutz zum Tragen“, sagt Lisa Giese. Prozessschutz heißt sinngemäß: Der Wald wird sich selbst überlassen, in die Prozesse der Natur wird nicht (mehr) eingegriffen. Dabei gibt es zumindest in Deutschland kaum Landstriche, die nicht irgendwie von Menschen kultiviert wurden. „Oder wollen wir ursprüngliche Landschaften wieder herstellen?“ Artenschutz ist differenzierter: Wird der Wald sich selbst überlassen, geht möglicherweise ein Prozess weiter, der zur Ausbreitung importierter Arten führt, die dann möglicherweise das Aussterben der ursprünglich heimischen Arten beschleunigen.
Viel gelernt über die Themen der Grünen Woche. Differenzierte Argumente gehört und anerkannt, dass die Gestaltung der Zukunft der Land- und Forstwirtschaft „schwierig“ ist und einfache Lösungen wohl nicht möglich sind. Und: Wir versichern, dass die Auswahl des 200.000. Besuchers auf statistischen Größen beruhte und nicht auf dem Bildungshintergrund der Personen.
– Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: http://www.ble.de/DE/08_Service/04_News_Archiv/IGW_2014/IGW2014_Inhalt.html
– Studiengang Uni Potsdam: http://www.uni-potsdam.de/ibb/studium/masterstudiengaenge/master-oekologie-evo-naturschutz.html