Manchmal geht bei der Bahn alles schief

Als der ICE 893 Berlin-Leipzig alle Macken auf einmal hatte

(Aktualisierte Fassung, neu: DB erstattet Teil des Ticketpreises)

Berlin, 13. November (ssl) Man kennt das ja: Mal hat der Zug Verspätung, mal verpasst man einen Anschluss. Nachstehend das minutengenaue Protokoll einer Zugfahrt von Berlin nach Leipzig am Abend des 12. November, bei dem alles auf einmal schiefging. Aus 72 Minuten wurden knapp drei Stunden. 

20:39 Uhr, Berlin Hbf. Warten auf ICE 893 nach Leipzig. Laut Ansage hat der Zug aus Richtung Hamburg 25 Minuten Verspätung „wegen Verspätung aus einer vorhergegangenen Fahrt“. Statt 20:52 fährt er glücklich um 21:30 Uhr ab. Statt von Gleis 2 von Gleis 1, und die geänderte Wagenreihung wurde weder angesagt noch angezeigt. Wahrscheinlich sind weder die Zugzielanzeiger noch die Leute an den Mikrofonen nicht in der Lage, zwei oder mehr außerplanmäßige Ereignisse auf einmal anzuzeigen/anzusagen).

Als er dann in Südkreuz wieder abfährt, kommt eine weitere Durchsage: „Unser Zug wird heute über Falkenberg und Riesa umgeleitet und fährt deshalb nicht über Wittenberg“ (wie geplant). Das sind mehr als 100 Kilometer Umweg. „Er hält außerplanmäßig in Jüterbog. Fahrgäste, die nach Wittenberg wollen, steigen bitte in Jüterbog aus und nehmen von dort den Regionalexpress nach Wittenberg. Fahrgäste nach Leipzig verbleiben bitte im Zug.“ Ich bestelle einen Kaffee.

22:02 „Der Zug erreicht in wenigen Minuten Jüterbog. Reisende, die hier aussteigen und nach Wittenberge fahren wollen, kommen bitte in den Wagen vier. Ich komme auch in den Wagen vier und lasse sie dort hinaus“, sagt der Zugchef. Hintergrund ist offenbar, dass die Besatzung nur eine Tür öffnen wollte, um niemand hereinzulassen, da es kein offizieller Halt war.

22:12 Nach 10 Minuten Aufenthalt fährt der Zug mit gefühlten 50 km/h aus Jüterbog in die Dunkelheit. Ursprüngliche Ankunftszeit in Leipzig (22:04) nun um 8 Minuten überschritten. „Wir fahren ab jetzt eine Umleitung über Falkenberg und Riesa. Voraussichtliche Ankunftszeit in Leipzig um 23:40 Uhr (Dreiundzwanzig Uhr vierzig). Weitere Auskunft über Anschlusszüge kann ich leider erst später geben, da ich auf Weiterleitung warten muss.“ Im nächsten Wagen weint ein kleines Kind.

22:18 Der Kaffee kommt. 2,90 €. Großzügig gebe ich -,10 € Trinkgeld. Man hätte ihn ja auch ausgeben können.

22:20 „Verbindung wurde unterbrochen. Speichern wurde deaktiviert usw.“ Versuche umzuschalten auf Handy-Hotspot.

22:26 Hotspot mit Handy klappt.

22:36 Fahrscheinkontrolle. Mit Erinnerung, dass die BahnCard am 19.11. abläuft, und unaufgefordert mit Übergabe des Fahrgastrechteformulars. Der Zug beschleunigt auf gefühlte 80 km/h.

22:48 Habe mir jetzt auf der Karte angeguckt, wo Falkenberg und Riesa liegen. Nach Durchfahren eines größeren Rangierbahnhofs südlich von Herzberg und östlich (!) von Torgau – also dort, wo 1945 die Amis nicht mal hingekommen sind -, beschleunigt der ICE jetzt auf ca. 80 km/h. Internetverbindung weiterhin via Handy. „HotSpot Verbindung unterbrochen! Momentan besteht leider keine Verbindung mit dem Internet. Bitte versuchen Sie es später noch einmal“, sagt die „Telekom_ICE“-Seite bei dem Versuch, wieder über das Zug-WLAN ins Netz zu kommen.

22:56 „Bitte beachten Sie folgende Reisendeninformation: Voraussichtlich gegen 23:10 erreichen wir Riesa. Unser Zug hält zusätzlich in Riesa für Anschlussreisende nach Dresden.“ Habe auf dem Navi die Fahrt nach Leipzig (mit dem Auto) eingegeben. 78 km, 1:17 Stunden.

23:11 Zug kommt in Riesa an. „Bitte beim Aussteigen aus dem letzten Wagen besonders vorsichtig sein.“

23:13 Jetzt fährt er wieder los. Weitere Halte scheinen nicht geplant zu sein.

23:25 Zug-Internet geht wieder. Fahren jetzt parallel zur B6  und sind kurz vor Wurzen.

23:42 „Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Leipzig. Anschlüsse … Alle Fahrgäste, die in Richtung Basel, Karlsruhe, Offenburg fahren, kommen bitte noch einmal in Wagen neun. Travellers to Mannheim, please come to the Wagon nine.“ Wie ihnen wohl geholfen wurde? Und weiter ging es: „Reisende nach Erfurt, Weimar, Suhl und Eisenach wenden sich bitte an den Service Point im Bahnhof für Taxigutscheine.“

23:50 Der Zug rollt auf Gleis 13 des Leipziger Hauptbahnhofs ein. Erst auf die direkte Frage „Warum hat er jetzt eigentlich diesen gewaltigen Umweg genommen?“ erklärt die Zugbegleiterin erstmals während der gesamten Fahrt die Ursache: „Auf der Planstrecke gibt es eine Baustelle bei Wittenberg. Dort war vorgesehen, zu einem besimmten Zeitpunkt den Fahrstrom abzuschalten. Da der Zug bereits mit einer halben Stunde Verspätung ankam, konnte er nicht mehr auf der Planstrecke fahren und wurde umgeleitet. Das wurde uns als Ursache mitgeteilt.“ So ganz schien sie der Unabdingbarkeit dieser Ursache selbst nicht zu trauen.

07. Dezember 2015 Auf meinem Konto erscheint die Gutschrift von 9,75 Euro von DB Vertrieb GmbH. Das Ticket selbst kostete 39 Euro einschließlich Reservierung, ein Sonderpreis für die 1. Klasse.