Elektromobilität: Hilfe von unerwarteter Seite

China sorgt mit Restriktionen für Verbrennungsmotoren für Bedarf – Zetsche: Eine Million E-Autos 2020 „völlig unrealistisch“

Berlin, 4. Mai (ssl) Dieter Zetsche hatte kurz überlegt, ob er auf dem eMobility Summit des „Tagesspiegels“ dieselbe Rede halten soll wie schon vor zwei Jahren. „Es ist ein bisschen hier wie beim Dinner for One“, kokettierte der Daimler-Chef mit dem versammelten Who is Who der Elektromobilität, „same procedure as every year?“ Wir wissen nicht mehr genau, was er vor zwei Jahren sagte, aber diesmal redete er Klartext. „Das Ziel (der Bundesregierung), 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben, ist unter den augenblicklichen Rahmenbedingungen völlig unrealistisch.“ Es fehlen nämlich noch etwa 970.000 Autos.

Umweltfreundliche (vorn) und weniger umweltfreundliche Dienstwagen.
Umweltfreundliche (vorn) und weniger umweltfreundliche Dienstwagen.

Reichlich Hindernisse gebe es immer noch zu überwinden, fiel Zetsche dann doch in die Wiederholungs-Prozedur. Eines davon sind die Kosten, und zwar sowohl für die Endkunden, denen die Elektromobile immer noch zu teuer sind, als auch für die Hersteller. Trotz eines oftmals 50-prozentigen Aufschlags gegenüber einem vergleichbaren Diesel beim Endpreis „legen wir immer noch Geld mit ins Handschuhfach“, sagte der Daimler-Chef, „und auf die Dauer können wir uns das nicht leisten.“ Mehrere Redner auf dem Gipfel sprachen von einer Katze, die sich in den Schwanz beißt: Kommen die Stückzahlen, dann sinken die Kosten. Sind die Kosten zu hoch, kauft aber keiner (oder kaum einer) die E-Autos, und es kommen keine Stückzahlen.

Da naht aber vielleicht Hilfe von unerwarteter Seite – nämlich aus China. VDA-Präsident Matthias Wissmann berichtete von der Automesse in Schanghai, wo er gerade herkomme: „Da dürfen in einigen Städten nur noch an bestimmten Tagen Autos mit Verbrennungsmotor fahren.“ Die Betroffenen bräuchten dann eben Elektroautos. Und weil deutsche Hersteller im Reich der Mitte die Marktführerschaft behalten wollten, kämen sie gar nicht umhin, Elektroautos zu bauen. Und es gebe Restriktionen in immer mehr Städten, nicht in eher niedlichen Großstädten wie Stuttgart oder Frankfurt, sondern in Mega-Cities mit jeweils sieben Millionen oder mehr Einwohnern. Kaufen die Elektromobile, dann steigen auch die Stückzahlen der E-Mobility-Komponenten, und es rechnet sich hierzulande vielleicht doch ein bisschen leichter.

Zetsche wies auf einen anderen Zwang hin, nämlich den aus Brüssel, wonach Herstellerflotten bis 2020 einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von maximal 96 Gramm pro Kubikmeter erreichen müssen. „Das ist physikalisch nur möglich mit einem Durchschnittsverbrauch unter vier Litern“, sagte er, „und der ist nur zu erreichen, wenn wir einen hohen Anteil von Elektromobilen haben.“ Jedenfalls wenn man auch Oberklasse-Autos produziert. Also müssten die E-Mobile auf die Straße. „Wir müssen den Weg gehen, auch wenn wir wenige Kunden sehen.“ Ob es die immer wieder strapazierte Million sein müsse, ließ er offen. Aber da beide Zielmarken von der Politik vorgegeben seien, müsse sie auch die Rahmenbedingungen verbessern.

Andererseits gab er sich „zweigespalten“ im Hinblick auf mögliche staatliche Kaufanreize für Elektroautos wie Sonderabschreibungen für Flottenbetreiber. „Ich komme hier nicht als Spesenritter, ich befürworte die freie Marktwirtschaft.“ Wissmann hatte zuvor 50 Prozent für das erste Jahr angeregt, und im Verlauf des Gipfels hatte sich Peter Sallandt von der Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität – der Koordinierungsstelle der vier beteiligten Bundesministerien Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Entwicklung – aufgeschlossen gegenüber dieser Forderung gezeigt, zumal Wissmann sie mit dem Zuckerstückchen versüßt hatte: „Kostet langfristig nix.“ Denn der Businesskunde kann Dienstwagen auch jetzt schon zu 100 Prozent abschreiben, nur eben über einen längeren Zeitraum. „Betriebswirtschaftlich bringt das nicht viel, jedenfalls solange die Zinsen so niedrig sind wie jetzt“, meinte denn auch ein Marktbeobachter.

Macht sie sexy

Am Ende laufe es alles auf die Kernaufgabe hinaus, meinte der Daimler-CEO. Man müsse den Kunden attraktive Produkte anbieten. „Macht sie sexy“, die E-Autos, sagte er.

"Macht sie sexy." Dieser ist es. Kann aber auch an der Farbe liegen.
„Macht sie sexy.“ Dieser ist es. Kann aber auch an der Farbe liegen.

Volkswagen, so war auf dem Gipfel zu hören, versuche das jetzt mit einer Kampagne, in der der Hybrid-GTE-Golf (ab 35.000 Euro, Motto: „Das neue Schnell“) mit dem GTI (ab 30.000 Euro) in einem Atemzug vermarktet werden solle. Diese drei Buchstaben hatten vor vielen Jahren ein völlig neues, sportlich-innovatives, junges Publikum für das klassenlose Brot-und-Butter-Auto erschlossen. Auf den Straßen ist der GTE noch kaum zu sehen.

Im letzten Jahr habe kein Autohersteller an der Elektromobilität verdient, sagte Zetsche noch, und schränkte ein: „Außer Daimler. Aber nur, weil wir unsere Tesla-Aktien verkauft haben.“