Adolf Hitler entging am 8. November 1939 dem Attentat von Georg Elser im Münchener Bürgerbräukeller, weil er sich an jenem Abend genau an den Sonderfahrplan seines Führer-Sonderzuges nach Berlin hielt. Das geht aus einer Veröffentlichung des Historikers und Journalisten Ulrich Renz vom Georg-Elser-Arbeitskreises (Heidenheim) hervor. Der von Elser deponierte Sprengsatz explodierte, als der Reichskanzler bereits die Versammlung verlassen hatte. Schiene Straße Luft dokumentiert sie hier, unter anderem weil sie tiefe Einblicke in die Befindlichkeiten Hitlers zwei Monate nach dem Überfall auf Polen, aber auch in die Problematik der Rekonstruktion der Umstände dieses Attentats und nicht zuletzt über die Gepflogenheiten in der damaligen Reichsbahn gibt. Nach wie vor bleibt es für uns unfassbar, dass der Mann, der einen Weltkrieg vom Zaun brach und den Holocaust umsetzte, sich schlicht an einen Bahnfahrplan halten musste.
Auch Hitler musste sich an den Fahrplan halten
Nach dem Attentat: Der Sonderzug fuhr um 21:31 Uhr in München ab
Adolf Hitler hatte es wirklich eilig an jenem Abend, der beinahe der letzte seines Lebens geworden wäre. Um 21:31 Uhr fuhr sein Sonderzug im Hauptbahnhof von München ab, daran konnte auch der sonst allmächtige „Führer“ nichts ändern. So kam es, dass er schon unterwegs war, als im „Bürgerbäukeller“ die von Georg Elser eingebaut Bombe explodierte. Diese Tat ist hinlänglich bekannt und erforscht, doch über die Abreise Hitlers gibt es unterschiedliche Angaben. Laut einem seiner Gefolgsleute benützte er einen Sonderzug.
Unumstritten ist, dass der Diktator – der ursprünglich gar nicht zum jährlichen Treffen der „alten Kämpfer“ nach München kommen wollte – am 8. November 1939 ein verkürztes Programm im „Bürgerbräukeller“ absolvierte. Seine Rede begann er um 20 Uhr und damit eine halbe Stunde früher als sonst bei diesem Gedenken an den mißglückten Putsch vom November 1923.
Er sprach auch nicht so lange wie früher, sondern schloss seine Ausführungen um 21:05 Uhr und verließ um 21:07 Uhr den Saal. Er verzichtete damit auf das übliche „kameradschaftliche Gespräch“ mit den Veteranen. Als Elsers Bombe um 21:20 Uhr explodierte, war er mit seinem großen Gefolge schon auf dem Weg zum Bahnhof.
Als offizielle Begründung für die Eile wurden „dringende Staatsgeschäfte“ angegeben. Und das war kein Vorwand, denn die Vorbereitungen für den „Fall Gelb“, den Angriff im Westen, liefen auf Hochtouren. Die Entwicklung im November war so kritisch, dass der Historiker Anton Hoch in seinem Bericht über Elsers Attentat feststellen konnte, die von ihm aufgezählten Daten „dürften genügen, um anzudeuten, was Hitler damals bewegte“: Er „wollte in Berlin die Fäden in der Hand behalten“ und verhindern, dass ihm skeptische Generäle das Konzept verderben könnten. Hoch schrieb: „Es wird ihm kaum danach zumute gewesen sein, in diesen für ihn wichtigen Tagen die Zeit im Kreise der alten Marschierer vom 8./9. November zu verbringen.“
Und Hitlers alter Mitstreiter Alfred Rosenberg, Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, notierte damals in seinem politischen Tagebuch, der „Führer“ habe ihm am Tag nach dem Anschlag erzählt, dass er am Vorabend unbedingt nach Berlin habe zurückkehren müssen. Nach seiner „kürzeren Rede“ sei er noch gebeten worden, „auf die Galerie des Bürgerbräus zu den alten Kämpfern zu kommen“. Doch mit „Rücksicht auf die Bahnordnung“ – gemeint war der Fahrplan – sei er gleich weggegangen. Und Rosenberg berichtete weiter, auf Hitler habe ein Sonderzug gewartet.
Dass Nebel den Rückflug nach Berlin verhinderte, ist auch schon lange aktenkundig. Doch in der Literatur über das Attentat ist zum einen davon die Rede, dass Hitler einen oder mehrere Salonwagen benutzte, der oder die an einen fahrplanmäßigen Zug angekoppelt wurden. Diese Version vertrat vor allem Hitlers Pilot Hans Bauer („Ich flog Mächtige der Erde“), andere übernahmen diese Darstellung. So schrieb Jochen von Lang in seinem Buch über Martin Bormann („Der Sekretär“): „An den fahrplanmäßigen D-Zug nach Berlin waren für ihn (Hitler) und wenige Begleiter Sonderwagen angehängt worden.“ Am 10.11.1969 hieß es in einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ über das Attentat: „Hitler selber aber, dem das Attentat galt, saß zu dieser Zeit bereits im fahrplanmäßigen D-Zug 71 nach Berlin (Abfahrt 21:31 Uhr).“ Andere Autoren erwähnen einfach „den Nachtzug nach Berlin“.
In der Mehrzahl der einschlägigen Werke ist von einem Sonderzug die Rede, so bei den Elser-Biografen Hellmut Haasis („Den Hitler jag‘ ich in die Luft“) und Helmut Ortner („Der einsame Attentäter“). In ihrem Standardwerk „Georg Elser“ schreiben die Historiker Peter Steinbach und Johannes Tuchel, Hitler war „auf einen Zug der Reichsbahn angewiesen“. Und weiter: „… noch vor 22:00 Uhr fuhr der Zug am Münchener Hauptbahnhof ab, dessen planmäßige Abfahrtszeit 21:31 Uhr gewesen war.“
Der Historiker Anton Hoch vom Münchener Institut für Zeitgeschichte, der das von seinem Kollegen Lothar Gruchmann entdeckte Protokoll der Vernehmung Georg Elsers durch die Gestapo auswertete und auf seine Stichhaltigkeit überprüfte, hatte sich schon in seinem 1969 veröffentlichten bahnbrechenden Bericht festgelegt – auf einen Sonderzug. Damit legte er die Grundlage für viele folgende Veröffentlichungen. Und die Ergebnisse seiner Recherchen zum Fall „Bürgerbräukeller“ haben sich insgesamt als zutreffend erwiesen. In seinem Bericht für die „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte“ stützte er sich bei der Darstellung der Abreise Hitlers auf Unterlagen aus der NS-Zeit in seinem Institut, unter anderem auf das Tagebuch von Rosenberg, und schrieb: „Um 21:20 Uhr explodierte dann die Bombe, und um 21:31 Uhr fuhr sein Sonderzug von München ab.“
Erst um 21:45 Uhr folgte ein fahrplanmäßiger D-Zug via Regensburg und „mit Schlafwagen“, der den Anhalter Bahnhof in Berlin am nächsten Morgen um 8:02 Uhr erreichte. Dass Hitler sich bei Fahrten mit dem Sonderzug an den dann gültigen Sonderfahrplan halten musste, bestätigte ein Bahnexperte im Jahre 2013 mit seinem knappen Kommentar zur Materie: „Auch ein Sonderzug fährt pünktlich ab.“
Zuden Quellen: http://www.georg-elser-arbeitskreis.de/texts/renz9.htm