Allianz pro Schiene präsentiert Zahlen aus Schweden – Anhaltende Unsicherheit bei Spediteuren vermutet
Berlin, 18. September (ssl) Überlange Lastzüge haben bei ihrer Einführung in Schweden dem Schienengüterverkehr deutlich Marktanteile abgenommen. Das geht aus einer Statistik hervor, die die Allianz pro Schiene am Mittwoch in Berlin veröffentlichte. Die Schienenlobby berief sich dabei auf amtliche schwedische Zahlen zu Marktanteilen der verschiedenen Verkehrsträger. Danach stieg der Marktanteil des Straßengüterverkehrs im ersten Jahrzehnt nach der Einführung der Gigaliner 1990 um 6,5 Punkte von knapp über 50 auf etwa 58 Prozent. Im selben Zeitraum sank der Anteil des Schienenverkehrs um 3,9 Punkte auf etwa 30 Prozent. Der Rest ist nationale Schifffahrt.
Nach dem ersten Jahrzehnt des Megatruck-Betriebs in Schweden, also 1999, markierten diese Quoten jeweils historische Höchst- bzw. Tiefstände. Inzwischen haben sich die Anteile wieder ein wenig normalisiert. Für Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege widerlegen diese Zahlen die in Deutschland von Gigaliner-Befürwortern vertretene These, die Lang-Lkw seien nicht schädlich für das erklärte politische Ziel „Mehr Verkehr auf die Schiene“. Er wies darauf hin, dass die schwedischen Zahlen die einzig verfügbaren seien, die sich nicht auf einen zeitlich und räumlich begrenzten Feldversuch bezögen.
Im übrigen seien in Schweden bei der Einführung der Gigaliner die ohnehin schon recht großzügigen zulässigen Maße und Gewichte viel weniger erhöht worden, als das in Deutschland bei der flächendeckenden Zulassung der Fall wäre. Die zulässige Länge der Lastzüge ist mit 25,25 Meter zwar in Schweden und dem aktuellen deutschen Feldversuch gleich. Dort ist allerdings ein zulässiges Gesamtgewicht von 60 Tonnen erlaubt, während es hierzulande nach wie vor bei 44 Tonnen bleiben soll. Diese Grenze gilt für Fahrzeuge mit Normallänge von 18 Metern, die am Kombinierten Verkehr (Straße-Schiene) teilnehmen.
Der Feldversuch in Deutschland erfreut sich auch anderthalb Jahre nach seinem Beginn nur geringen Zuspruchs. Ob das an der Unsicherheit der Spediteure über die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen, an Überregulierung oder an mangelnder Erfordernis des Marktes („Lösen ein Problem, das es nicht gibt“) liegt, wird auch der Feldversuch nicht einleuchtend nachweisen können. Die federführende Bundesanstalt für Straßenwesen zählte Mitte August 25 Gigaliner, die auch tatsächlich regelmäßig im Einsatz waren. Sie legten allerdings durchschnittlich 500 Kilometer pro Fahrt zurück. Das sah Flege kritisch, da es bereits eine Konkurrenz für die Schiene bedeute, die ihre System- und Umweltvorteile gerade im Langstreckenverkehr ausspielen könne. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte den Versuch auf 400 Lastzüge angelegt.
Flege wies im Zusammenhang mit der abwartenden Haltung der Spediteure darauf hin, dass für Ende des Jahres eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ansteht. Die Karlsruher Richter müssen unter anderem beurteilen, ob der Feldversuch auf dem Weg einer Ausnahmeverordnung und damit ohne Abstimmung im rot-grün dominierten Bundesrat überhaupt hätte zugelassen werden dürfen.
Die Statistik über die schwedische Entwicklung wurde aus Anlass einer Anhörung im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments veröffentlicht, das über eine Neuregelung der aerodynamischen Gestaltung von Nutzfahrzeugen zu befinden hat. In diesem Richtlinienentwurf findet sich aber laut Flege auch die Erlaubnis, Gigaliner im grenzüberschreitenden Verkehr zuzulassen. Das würde in Deutschland erhebliche Rechtsunsicherheit verursachen, da zahlreiche Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, keine Gigaliner zulassen und an dem Feldversuch nicht teilnehmen. Es stellt sich bei eventueller Zulassung grenzüberschreitender Verkehre etwa die Frage, wie dann mit niederländischen Lastzügen verfahren wird, die über die Grenze zu NRW nach Deutschland fahren wollen.