Festliche Umrüstung eines Waggons nach der Zulassung der LL-Sohle — Aber noch viel zu tun
Berlin, 24. Juni (ssl) Lärmgeplagte Anrainer vielbefahrener Güterzugstrecken können bald ruhiger schlafen: Die großangelegte Umrüstung der Güterwagen in Europa auf „Flüsterbremsen“ beginnt. Der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bückten sich am Montag in Berlin höchstpersönlich unter einen Güterwagen, um dessen laute Grauguss-Bremssohlen gegen leisere „LL-Sohlen“ auszutauschen. Bis 2020 will die Bahntochter DB Schenker Rail ihre 60.000 Güterwagen komplett damit ausgerüstet haben. Ob die übrigen Eisenbahnunternehmen trotz finanzieller Anreize so schnell folgen, blieb zunächst offen. Nur dann kann aber das Ziel der DB AG erreicht werden, den Lärm an ihren Bahnstrecken bis 2020 um die Hälfte, also zehn Dezibel, gegenüber 2000 zu reduzieren.
Ramsauer bat bei der Veranstaltung ausdrücklich darum, den Bürgern zu erklären, dass Bremssohlen aus Verbundwerkstoffen nicht nur den Bremsvorgang selbst leiser ablaufen lassen, sondern auch wegen der gleichmäßigeren Abnutzung von Bremssohle und Radoberfläche für weniger Lärm während der Fahrt sorgen. Grube versprach, die Bahn werde 2015 bereits 10.000 Waggons umgerüstet haben, und 20 Züge im schwer lärmbelasteten Mittelrheintal pro Tag würden dann leiser fahren. „Ohne deutliche Lärmminderung wird es keine weitere Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene geben“, sagte der Bahnchef voraus.
Grube machte zugleich darauf aufmerksam, dass es „nicht an der DB allein“ liege, die Züge leiser zu machen. Die Wettbewerber der Deutschen Bahn auf deutschen Schienen verfügten über weitere 120.000 Waggons. Sie erhalten, wie die DB auch, eine Vergünstigung bei den Trassenpreisen, wenn sie mit lärmarmen Zügen fahren. Der Bund fördert die Umrüstung der Güterwagen, die sich den Angaben zufolge insgesamt auf 300 Millionen Euro beläuft, mit 152 Millionen Euro.
Die Flüsterbremsen verursachen aber höhere Betriebskosten. Die Verbundstoff-Sohlen müssen öfter getauscht und gewartet werden, und die Bahnen beziffern diesen Aufwand auf 500 Millionen Euro bis 2020. Dafür gibt es noch keine Fördermittel, wie Grube mahnte. Außerdem fehlt noch die Initiative für ein Gesetz, das laute Bremssohlen ab 2020 verbietet, um die Bahnen zur Umrüstung zu zwingen. Käme dieses Gesetz nicht, hätten die Unternehmen mit lauten Waggons Wettbewerbsvorteile.
Ramsauer ging auf diese Frage in seiner Rede nicht ein, ließ sich aber von seinem Ministerium in einer Pressemitteilung mit den Worten zitieren: Nach 2020 „werden laute Züge nicht mehr auf das deutsche Netz gelassen“. Er bekannte sich mit „einem ganz klaren Ja zu mehr Mobilität, auch für die Fracht“. Wer dies sage, müsse die Verpflichtung anerkennen, „die Kollateralerscheinungen entsprechend zu gestalten“. Mehr Mobilität mit weniger Lärm gehöre „zu den Kernelementen einer nachhaltigen Verkehrspolitik“.
Die dritte Forderung Grubes richtete sich an die Europäische Kommission, die Fördermittel für Umrüstung und Betriebskosten bereitstellen solle. „Wenn die EU Schienengüter-Korridore durch ganz Europa vorantreibe, „dann muss sie sich auch dafür einsetzen, dass die dort verkehrenden Züge für die Anwohner erträglich sind“.