Von Pünktlichkeit und Fahrgastrechten bei Bus und Bahn
Berlin, 15. Dezember (ssl) Fernbus gegen Fernzug – gibt es da ungerechtfertigte Bevorzugung des einen oder anderen durch den Gesetzgeber bzw. den Staat als eventuellen Subventionierer? Eine Podiumsdiskussion der Allianz pro Schiene in der vergangenen Woche brachte zunächst einen Austausch der allseits bekannten Argumente von Bahn- und Busfreunden: Keine Maut für Busse, dafür aber Besteuerung von allem möglichen, Lohndumping-Verdacht bei Busfahrern und so weiter. Hier geht es aber jetzt um Fahrgastrechte, ein wichtiges Element der Reise, wo die Deutsche Bahn gerade tiefrote Pünktlichkeitszahlen im Fernverkehr schreibt.
Die Deutsche Bahn AG hat im Fernverkehr im Oktober und November einen Minusrekord, zumindest für dieses Jahr, aufgestellt. Im November waren nur 68,3 Prozent aller Fernzüge pünktlich, im Oktober gar nur 66,3 Prozent. Pünktlich heißt hier: Die Verspätung betrug nicht mehr als 5:59 Minuten.
Die Statistik passt gut zu der eingangs erwähnten Veranstaltung, denn dabei ging es auch um die Frage, wie es mit den Fahrgastrechten bei Annullierung oder Verspätung der vertraglich in Aussicht gestellten Beförderung aussieht. Den Fahrgästen steht auf jeden Fall die umgehende Information über das Ausmaß der Nichterfüllung des geschlossenen Beförderungsvertrages zu. In schweren Fällen, also bei längerer Verspätung oder Annullierung, kann eine Erstattung, in ganz schweren eine Entschädigung fällig werden. Die gesetzlichen Vorgaben sind bei Bahn und Bus recht unterschiedlich, was nicht nur der Verbraucher merkt, sondern was auch Nachteile für die Unternehmen im Wettbewerb miteinander bringt. Der weinende Dritte ist aber auf jeden Fall der Kunde, denn von einer ausgeglichenen Verteilung der entstehenden Risiken kann selbst nach den neuesten Gesetzen eigentlich keine Rede sein.
Nehmen wir die Deutsche Bahn AG. Sie bietet im Fernverkehr bei Verspätungen von 60 bis 119 Minuten eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Reisepreises an. Verzögert sich die Ankunft noch weiter, so erstattet sie 50 Prozent. Die Frage, warum die Verspätung entstanden ist und wer Schuld daran hat, spielt dabei keine Rolle. Selbst bei höherer Gewalt muss die Bahn zahlen, und zwar jedes Bahnunternehmen europaweit, wie der Europäische Gerichtshof 2013 urteilte.
Bahnhofsbetreiber müssen informieren
Was die Informationspflicht angeht, so sind Bahnhofsbetreiber in Deutschland nach der jüngsten Rechtsprechung verpflichtet, an allen Bahnhöfen und Haltepunkten Informationen über aktuelle Verspätungen der dort haltenden Züge zu veröffentlichen. Wenn keine geeigneten Informationsmedien an den Haltepunkten vorhanden sind, müssen sie sie eben installieren.
Beim Fernbus dagegen sieht es anders aus: Erstattungsansprüche entstehen erst bei einer Verspätung von mehr als 120 Minuten und auch nur, wenn die geplante Reise eine Fahrtstrecke von mehr als 250 Kilometern umfasst. Bei „widrigen Wetterbedingungen oder schweren Naturkatastrophen“, wie es im Gesetz heißt, muss der Busbetreiber nicht zahlen. Bei vom Unternehmen nicht beeinflussbaren Verspätungsursachen wie etwa Stau auf der Autobahn besteht ebenfalls kein Anspruch.
Nach Aussagen von Torben Greve, Geschäftsführer von MeinFernbus GmbH, haben die Fahrgäste in den Bussen ohnehin meist recht viel Verständnis für Verzögerungen, weil sie die Ursachen wie einen Stau durch das Fenster miterleben können bzw. müssen. Oft ergibt sich die Ursache der Verspätung aus der eigenen Anschauung. „Die erste Reaktion ist dabei meist Mitleid mit dem Busfahrer. Überlegungen zu einer eventuellen Entschädigung kommen erst danach“, sagte er bei der Podiumsdiskussion. Bei der Bahn dagegen sitzt der Kunde im Zug und hat keinen Überblick, was vor dem Zug auf der Strecke passiert ist.
Auch hinsichtlich der Informationspflicht sind die Fernbus- und Busbahnhof-Betreiber besser gestellt als Eisenbahnunternehmen. Sie müssen die Information zwar auch zeitnah geben, aber außerhalb der Busse – also etwa an Haltestellen – reicht es, wenn sie dies über die elektronischen Einrichtungen tun, die dem Kunden zur Verfügung stehen, also etwa Apps. Hat der Kunde dies bei der Buchung nicht zugelassen, entfällt auch die Informationspflicht.
Keine Wettbewerbsgleichheit
Unter dem Strich sieht es also für den Busbetreiber besser aus als für das Bahnunternehmen. Wenn der erstere argumentiert: „Für den Stau kann ich doch nichts“, so kann die Bahn auch sagen: „Für die Person im Gleis kann ich doch nichts.“ Dennoch muss sie bei Verspätung zahlen. In der Podiumsdiskussion wurde das teilweise als hinnehmbar bezeichnet, weil die Busfahrt doch in der Regel deutlich preisgünstiger sei als die Bahnfahrt. Mit diesem Argument wird das Wettbewerbspferd allerdings von hinten aufgezäumt, denn damit gilt praktisch für den Reisenden die Devise „No risk, no fun“. Wenn Wettbewerbsgleichheit für alle Passagiergruppen bestehen soll, also auch die, die sich angeblich das teure Bahnticket nicht leisten können – dann müssen auch die Markteintrittsvoraussetzungen gleich sein. Dazu gehören eben auch vergleichbar gute Passagierrechte. Was spricht denn dagegen, die Bushaltestellen auch mit elektronischen Verspätungsinformationen auszustatten? Im Nahverkehr geht es ja auch.
Ob Bus, Bahn, Ozeandampfer oder Flieger (die beiden letzteren lassen wir hier erst einmal außen vor) – bei Unregelmäßigkeiten der Beförderung ist ohnehin der Verbraucher der Benachteiligte. Angenommen, die Bahn trifft das alleinige Verschulden an Verspätungen (ein solcher Fall ist hier nachzulesen: Verspätung aus einer vorausgegangenen Fahrt plus Baustelle), dann kommt kein fairer Vergleich zustande. Denn weder für den Stau noch für die „Person im Gleis“ kann der Fahrgast etwas. Unter Vertragspartnern auf Augenhöhe würde man sagen: „halbe halbe, immerhin hast du mich ans Ziel gebracht, wenn auch Stunden später“. Tatsächlich zahlt die Bahn aber nur ein Viertel des Fahrpreises zurück, wenn eine auf anderthalb Stunden angesagte Fahrt schließlich fast drei Stunden gedauert hat. „Halbe, halbe“ gilt erst bei zwei Stunden Verspätung oder mehr.
Zum Schluss sei noch auf eine Bestimmung bei den Fahrgastrechten für Busse aufmerksam gemacht, die dann doch auf die Beeinträchtigungen des Verbrauchers eingeht: Wenn das Fernbusunternehmen dem Geschädigten bei Verspätungen von mehr als 120 Minuten nicht die Alternative „Beförderung mit einem anderen Bus“ oder „Erstattung des Fahrpreises und ggf. kostenlose Rückführung an den Abfahrtsort“ anbietet, erhält er zusätzlich zur Erstattung 50 Prozent des des Fahrpreises als Entschädigung. (Artikel 19,2 der einschlägigen Verordnung).
Hier die wichtigsten Links:
Fahrgastrechte im Fernbus:
http://meinfernbus.de/kundenservice/fahrgastrechte.html
http://europa.eu/youreurope/citizens/travel/passenger-rights/bus-and-coach/index_de.htm
Fahrgastrechte in der Bahn:
http://europa.eu/youreurope/citizens/travel/passenger-rights/rail/index_de.htm
Urteil zu Entschädigung bei Verspätung durch höhere Gewalt im Bahnverkehr:
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2013-09/cp130119de.pdf
Informationspflicht an Haltepunkten:
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=090915U6C28.14.0