Verderblich ist des Tigers Zahn

 

Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz

Berlin, 22. April 2025 (ssl) Wenn ich meine Fahrradrunden drehe, komme ich manchmal auf die merkwürdigsten Gedanken. Heute nachmittag kam mir irgendwo am Havelufer die Gedichtzeile "Gefährlich ist's, den Leu zu wecken" in den Sinn. Dazu dann auch gleich die drei folgenden Zeilen: "Verderblich ist des Tigers Zahn,/ jedoch der schrecklichste der Schrecken/ ist der Mensch in seinem Wahn."
Ich wusste noch, dass es von Friedrich Schiller war, aber nicht, aus welcher Ballade. Wahrscheinlich aus der "Glocke", aber sicher war ich mir nicht mehr. Also googelte ich bei der nächsten Pause, indem ich die erste Zeile einfach ins Suchfenster eingab. Und was geschah?
Die künstliche Intelligenz erklärte mir, das sei ein deutsches Sprichwort. Und weiter ging es: „Es wird auch verwendet, um zu sagen, dass es gefährlich ist, etwas zu tun, das einen stark reaktiven oder gefährlichen Zustand auslöst.
Die genaue Bedeutung und Verwendung des Sprichworts sind: Gefahr durch Wecken:...Gefahr durch Auslöser:...Sprichwörtliche Verwendung usw.“ Und dann kamen „Beispiele: "Gefährlich ist's den Leu zu wecken, wenn er schläft." (Es ist gefährlich, den Löwen zu wecken, wenn er schläft.)“ Eine Erläuterung, die dringend nötig scheint.
Sie folgte noch dreimal so oder sehr ähnlich. Alles Banalitäten, die sich (hoffentlich) jeder selbst denken kann, wenn er das "Sprichwort" hört. Keine Quellenangabe zu Schiller, keine Erwähnung der "Glocke".
Vor allem aber keine Ergänzung um die drei weiteren Zeilen. Dabei wird erst in dem Zitat aller vier Zeilen klar, was der Dichter uns sagen wollte: Es ist der Mensch, der die Welt zerstören kann. Und mit dieser Erkenntnis ist er auch heute noch brandaktuell.
Also mit der Künstlichen Intelligenz kommen wir hier nicht weiter. Wikipedia, das vielgeschmähte, ist da um Klassen besser. Es fasst den Inhalt der Ballade, mit deren Auswendiglernen Generationen von Schulkindern gequält wurden (und werden?), in einem Satz zusammen: "Schiller verbindet die kundige Darstellung eines handwerklichen Glockengusses mit allgemeiner Anschauung und Kommentierung des Menschenlebens, seiner Möglichkeiten und Gefahren."
Dass der Dichter in diesem Gedicht beileibe nicht überall brandaktuelle Dinge antizipiert, verschweigt der Artikel aber auch nicht. Schließlich entstammt der „Glocke“ auch die Zeile: „Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau.“

Foto:  Bellcote of Johnstonebridge Church, Dumfries and Galloway, Scotland, Autor: Walter Baxter, Quelle:  geograph.org.uk