Etwashausen sorgt vor – Es könnte eine Epidemie kommen
– Etwashausen, 13. März (Eigener Bericht) Ein langer Güterzug mit Getränken ist in Etwashausen entladen worden. Damit soll für eventuelle Katastrophenfälle vorgesorgt werden. Wie die „Etwaigen Nachrichten“ exklusiv erfuhren, geht die Aktion auf Genoveva F. zurück, die sich Sorgen um den Getränkevorrat in der Stadt machte. Deshalb wurden auch ausschließlich alkoholische Getränke geliefert.
„Ich habe ein utopisches Hörspiel im Radio gehört“, erläuterte Genoveva, die stadtbekannte Alkoholikerin, das Motiv für ihre Initiative. „Da ging es um eine bevorstehende Epidemie in einem fiktiven Land der Zukunft. Die Einwohner hörten von der Krankheit und begannen mit Hamsterkäufen. Und weißt du, was sie vor allem kauften?“ – „Nein?“ – „Klopapier. Massen an Klopapier.“ Du spinnst“, sagte Fritz P. beim Interview. „Du hattest wohl wieder einen zuviel getrunken?“ – „Nein, ehrlich. Nur drei Glas Wein. Ist ja auch egal, Jedenfalls habe ich mir gedacht, wenn so etwas wirklich passiert, brauchen wir kein Klopapier…“ – Warum nicht?“ – Wir haben ja das Zeitungspapier der ausgelesenen Etwaigen Nachrichten. Ich dachte, wir kaufen besser was zu trinken.“ Um sicher zu gehen, rief sie bei Pits Café, im Gasthof zur Post und im Dorfkrug an und fragte nach den Vorräten. „Es stellte sich heraus, dass die höchstens für drei, vier Tage reichen würden, vom den Schnäpsen mal abgesehen, die in Etwashausen nicht so gefragt seien.“
Genoveva startete eine Blitzbestellung zusammen mit den drei Wirten und zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern. „Es kam so viel zusammen, dass wir eine Lok für einen Sonderzug charterten.“ Die meisten Lieferanten stellten eigene Wagen bei, andere lieferten ihre Ware bei jenen ab, die noch Platz im Waggon hatten. So kam eine bunte internationale Reihe von Getränkewagen zusammen. Dänisches, schwäbisches und Kulmbacher Bier war darunter. Je zwei Fässer badischer Wein, Bordeaux und in einem Spezial-Weinwagen aus Italien, bei dem die Schiebetüren angeblich aus thermischen Gründen auch während der Fahrt offenbleiben mussten. Auch Apfelwein aus Frankfurt war reichlich dabei, sodass Helga Müller-Lange aus dem Wiesenweg zu bedenken gab: „Ob wir nicht doch ein paar zusätzliche Rollen Klopapier…?“
Mitten in der Nacht fuhr der Zug im Etwashäuser Güterbahnhof ein. Es dauerte zwei Tage, bis unter gemeinsamer solidarischer Anstrengung der Gastronomen, Spediteure und einzelner Bürger die Getränke an Mann und Frau feinverteilt werden konnten. Die Getränkespedition Orloff aus Neustadt schickte eigens einen ganzen Lastzug, Der Teespezialist Hansen stellte sein Goli-Dreirad zur Verfügung, und der Haus-zu-Haus-Lieferant Wimo Sip kam mit seinem Opel Blitz.
Da die Gleise des Güterbahnhofs – wie häufig bei der Bundesbahn – zu kurz für den langen Zug waren, wurden zahlreiche Rangiermanöver erforderlich. Das hätte beinahe dazu geführt, dass der Wermutwagen aus Italien, der auf einem entlegeneren Abstellgleis wartete, übersehen worden wäre. Nur der Aufmerksamkeit des Streckengehers Bernd Müller (er bevorzugt Martini Rosso) ist es zu verdanken, dass der Wermut zusammen mit einigen Chargen Fernet-Branca und Ramazotti doch noch verteilt werden konnte.