50 Jahre Boeing 747 – Symbol für die Demokratisierung des Fliegens
Berlin, 05. Februar (ssl) Der Jumbo wird in diesen Tagen 50 Jahre alt. Das ist nicht nur ein respektables Alter für ein Flugzeug. Das Jumbo-Zeitalter vom 9. Februar 1969 bis jetzt markiert auch eine Epoche, in der das Fliegen demokratisiert wurde. Globale Ziele sind nicht zuletzt dank solcher Großraumflugzeuge mittlerweile für breite Bevölkerungsschichten erreichbar, die Reisen erschwinglich. Dafür ist auch die Boeing 747 ein starkes Symbol. Die Neubauten ganzer Airports, darunter des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens, wurden im Blick auf die Massen an Passagieren designed, die nun gleichzeitig abgefertigt werden mussten.
In Jumbo-Jets habe ich einige meiner längsten Flüge absolviert. Der wahrscheinlich längste führte Anfang 1991 von London nach Perth. Mit Zwischenlandung in Karachi – oder war es Kalkutta? Als wäre die Strecke nicht eh schon lang genug, flog die 747-400 auch noch einen Umweg über Zentralasien, denn im Vorderen Orient tobte der erste Golfkrieg. British Airways. Die Sitze waren eng, und die Reihen standen dicht beieinander, auf dem Rückflug wurden in Karachi – oder war es Kalkutta? – alle freien Plätze aufgefüllt, und ich musste in der Mitte sitzen. Die Haltung war alles andere als artgerecht, und es wirkte geradezu zynisch, als der Pilot bei seiner Willkommensansage stolz betonte, dass wir uns hier im derzeit größten Verkehrsflugzeug der Welt befänden. Diesen Rekord musste die 747 inzwischen abgeben, und überhaupt sind solche Großflugzeuge immer weniger gefragt. 2018 wurden noch 18 Jumbos neu bestellt, davon allein 14 vom Paketdienst UPS
Aber es ging und geht auch anders. Die 747 hat mir geholfen, Lebensträume zu erfüllen. Manche Fans können ja richtig Streit anfangen über die Frage, ob eine Boeing 747, sei es die -100 oder die -400 oder gar die -8, eine Schönheit sei oder nicht. Ich finde sie ästhetisch ebenso wenig gelungen wie den A-380, aber darum geht es ja auch nicht. Bevor ich vor 45 Jahren zum ersten Mal in einen dieser Riesenvögel einsteigen konnte, hatte ich schon ein Modell im Design der Trans World Airlines geschenkt bekommen.
An dem Metallmodell machte sich mein Fernweh lange Zeit ebenso fest wie an Bildern aus den kanadischen Rockies und von der Pazifikküste. 1974 war es dann so weit. Es war der zweite Flug in meinem Leben überhaupt, der mich zwar nicht in einem Jumbo der TWA, sondern in einer 747-100 der Air Canada nach Vancouver brachte, ans Ziel eines dieser Träume.
In diesem speziellen Fall waren es sogar gleich zwei Träume. Der andere war das Erlebnis des Transkontinentalfluges selbst. Immerhin ist es zweierlei zu wissen, dass dort drüben noch ein riesiger Kontinent voller Abenteuer liegt, oder selbst hinzufliegen. Dazu kam: Es war keinesfalls sicher, dass ich jemals wieder Gelegenheit haben würde, über den Atlantik zu fliegen. Ein Student in Frankfurt konnte 1974 nicht wissen, dass eine Zeit bevorstand, in der ein Transatlantikflug zwar nicht gleich etwas Alltägliches, aber doch immerhin etwas sein würde, das man sich alle paar Jahre wieder würde leisten können. Ganz zu schweigen von der leisesten Ahnung, dass im späteren Beruf Interkontinentalflüge zum Arbeitsalltag gehören würden.
Ein Studententarif-Ticket für 1.700 Mark
Eine Kommilitonin namens Anne, deren Onkel in Sidney B.C. wohnte und sie eingeladen hatte, und ich hatten die Reise zum Studenten-Vorzugspreis von je rund 1.700 D-Mark gebucht. In Relation zu meinem damaligen „Einkommen“ als studentische Hilfskraft war das eine gewaltige Summe – ungefähr vier Monatsgehälter. Selbst unbereinigt kostet so ein Flug heute nur einen Bruchteil davon. Schon das ist ein deutliches Symbol für die Demokratisierung des Fliegens.
Mich beeindruckte schon der Blick in den riesigen Passagierraum ausreichend – verglichen mit meinem ersten Flug in einer BAC 1-11 -, und es wunderte mich sehr, dass es so viele Leute gab, die sich einen solchen Flug leisten konnten. Wie es im „ersten Stock“ eines Jumbos aussieht, sollte ich erst viel später sehen. Trotz des Sparpreises bekamen wir einen Fensterplatz auf der rechten Seite, also mit Sicht nach Norden und nicht in die Sonne, und Anne war nicht so groß, als dass sie mein Blickfeld aus dem Fenster besonders eingeschränkt hätte. Ich bedauerte die Menschen, die in den mittleren Sitzen Platz nehmen mussten.
Zehn Stunden vergingen buchstäblich wie im Fluge. Es war Anfang September, und die Sonne beleuchtete die Eisberge des Nordmeeres. Alles war neu und faszinierend, zugleich erfüllten sich fast alle positiven Klischees vom Fliegen: der Blick aus dem Fester beim Start in Frankfurt, später auf das Eismeer und die Weiten des kanadischen Nordens.
Das Kino-Erlebnis bestand in „The Way We Were“ mit Barbra Streisand und Robert Redford und „Cockburn Rooster“ mit John Wayne als saufender Sheriff mit Augenklappe. Als Sprache standen, wie sich das für eine kanadische Airline gehört, Englisch und Französisch zur Wahl. Da konnte ich gleich mein Englisch aufbessern.
Der Service war komfortabel. Neben Kino und dem ganzen Essen und Trinken einschließlich Spirituosen ohne Aufpreis gab es Zeitungen, Kopfhörer und einen Kulturbeutel umsonst. In den Autoanzeigen der „Vancouver Sun“ entdeckte ich etwa über Winnipeg einen gebrauchten Triumph TR-4, den ich mir von meinem Geld hätte leisten können. In der richtigen Annahme, dass das kein Auto für drei Wochen wildes British Columbia sei, nahm ich aber vom Erwerb Abstand.
Flugerfahrene Freunde hatten mir gesagt: „Frag‘ nach einem Kartenspiel, und du bekommst eines.“ Lief. Allerdings war es nicht ganz einfach, auf dem auch damals schon kleinen Tisch Solitaire zu spielen. Mau-mau ging aber. Die letzten Stunden waren geprägt vom Eindruck der gewaltigen Rocky Mountains und dem Anflug auf Vancouver – damals wie heute bis kurz vorm Touchdown über Wasser. Und wenn der ungeübte Passagier die Fluten immer näher kommen sieht, schauert es ihn doch ein wenig.
Sicherheitskontrollen gab es auch damals schon, obwohl die Zeit des Terrorismus noch bevorstand. Ich erinnere mich deshalb daran, weil ich einen Löffel von einer der Mahlzeiten als Souvenir in die Tasche gesteckt hatte und hoffte, dass beim Verlassen des Fliegers bzw. beim Betreten kanadischen Bodens keine genauen Kontrollen bevorstehen würden. Der Löffel mit dem Air-Canada-Logo auf dem Stiel liegt noch heute in der Besteckschublade.
Fakten und Zahlen zum Jumbo
Die Boeing 747 war unter anderem das Resultat einer verlorenen Ausschreibung . Der damalige Konkurrent Lockheed erhielt 1965 den Zuschlag für den großen Militärtransporter C-5A „Galaxy“. Für diesen mussten eigene Triebwerke entwickelt werden. Zugleich ächzte die zivile Luftfahrtbranche unter steigender Nachfrage im Luftverkehr, sinkenden Ticketkosten und einer deswegen zunehmenden Zahl kleinerer Flugzeuge, die die Flughäfen an die Kapazitätsgrenze ihrer Start- und Landebahnen brachten. Pan American Airways schlug Boeing vor, ein großes Passagierflugzeug von der doppelten Kapazität des damaligen „Standardfliegers“ 707 zu bauen, und versprach die Abnahme von 25 Stück. Innerhalb von 16 Monaten war die Entwicklung fertig. Bis Ende 2018 wurden 1572 Jumbos bestellt und 1548 ausgeliefert, die 1.500. Maschine 2014 an die Lufthansa.
Der Erstflug fand am 09. Februar 1969 statt. Mit seinen Aufgabe wuchs auch der Jumbo: Das erste Muster war 68,5 Meter lang und hatte 59,6 m Spannweite. Es konnte rund 400 Passagiere befördern, Spezial-Kurzstreckenversionen für Japan sogar 550. Die aktuelle 747-8 misst 76,30 Meter Länge, hat rund 470 Plätze (Lufthansa: 364 ) und breitet ihre Flügel 68,40 m weit aus. Das Heckleitwerk ist knapp 20 m hoch. Die Reichweite der verschiedenen Versionen beträgt zwischen knapp 10.000 und 15.400 km.
Neben den Passagier-, Fracht- und Kombiversionen gibt es einige abgeleitete Varianten wie die Air Force One sowie den Dreamlifter mit übergroßem Laderaum für den Transport von Flugzeugteilen von Boeing-Werk zu Werk. Auch die traurige Seite muss erwähnt werden: Mehr als 50 Maschinen fielen Abstürzen und anderen Unfällen zum Opfer. Darunter war auch einer der schwersten der zivilen Luftfahrt: der Zusammenstoß zweier Jumbos auf dem Flughafen Teneriffa im März 1977 mit 583 Toten.