VDV stellt Szenario für den ÖPNV 2030 vor –
Potsdam, 11. Juni (ssl) So zufrieden sprechen Verbandsvertreter nicht oft vor der Presse. Mit den Worten „So viel Rückenwind hatten wir selten“, leitete der Präsident des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen, Jürgen Fenske, die Präsentation eines Szenarios zum derzeitigen Wandel im Nahverkehr ein. Er lobte die im Koalitionsvertrag, im Masterplan Schienengüterverkehr und im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) versprochenen erhöhten Zuwendungen bzw. Preissenkungen und setzte für die Unternehmen Zielmarken für 2030.
Der anhaltende Bevölkerungszuwachs in den Ballungsräumen stellt auch die Betreiber von Bussen und Bahnen vor große Herausforderungen. Im Jahr 2030 werde es „mehr klassischen ÖPNV“ (öffentlichen Personennahverkehr) geben, sagte Fenske. Das Wachstum betreffe sowohl herkömmliche Busse und Bahnen als auch neue Formen des Transports, etwa autonome Rufbusse und ähnliche kommunale Modelle. „Die Lösung für die Stauprobleme ist der ÖPNV“, sagte der VDV-Präsident. Konkret wurde er auch: Statt heute 10,3 Milliarden Fahrgästen sollen in zwölf Jahren 13,4 Milliarden sich in Bussen und Bahnen drängen, der Anteil des öffentlichen Verkehrs auf Straße und Schiene soll von jetzt 13,5 auf 17,3 Prozent steigen. Auch in Güterverkehr, wo der VDV vor allem nicht bundeseigene Eisenbahnen vertritt, soll der Anteil der Schiene von jetzt 18,4 Prozent auf 22,2 Prozent steigen.
Fenske lobte auch, dass die Bundeszuwendungen im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz von derzeit 333 Millionen Euro pro Jahr – unverändert seit 1997 – in der laufenden Legislaturperiode auf bis zu eine Milliarde Euro aufwachsen und dynamisiert werden sollten, also mit der Preisentwicklung steigen sollen. Allerdings kritisierte er, dass die „standardisierte Bewerbung“ um solche Mittel so kompliziert und anachronistisch sei, dass sich damit nur schwer moderne Verkehrskonzepte verwirklichen ließen. Als Beispiel nannte er veraltete Kosten- und Preisstrukturen. „Wir bitten das Bundesverkehrsministerium dringend, eine Arbeitsgruppe einzurichten, mit der das GVFG modernisiert wird.“
Geld brauchen die Betreiber im ÖPNV laut Fenske dringend. Sie schieben einen Investitionsstau von vier Milliarden Euro vor sich her. Den gilt es abzubauen, zusätzlich geht es um Sanierung und Modernisierung der bestehenden Infrastruktur. „Die Verluste werden tendenziell zunehmen“, sagte Fenske, versprach aber, trotz des erkennbaren Willens der öffentlichen Haushalte, dafür aufzukommen, wirtschaftliches Handeln.
Ob und wann mit den nunmehr erhöhten Mitteln die Ziele punktgenau erreicht werden, ist allerdings offen. Ein nennenswerter Teil der Mittel wird durch die hochkonjunktur-bedingte Preis- und Kostenentwicklung in der Bauwirtschaft aufgefressen, anderes muss warten, weil sich die Personalknappheit sowohl am Bau als auch in den ÖPNV-Betrieben selbst bereits hemmend bemerkbar mache. „Das reicht vom Fahrer bis zum Ingenieur“, sagte der Technische Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe in Potsdam, Oliver Glaser.
(Transparenzhinweis: Der Autor ist gelegentlich für die VDV-Zeitschrift „VDV – das Magazin“ tätig.)