FedEx-Chef fordert ständige Ortungsmöglichkeit rund um den Globus – IATA setzt Task Force ein: Ergebnisse im Dezember
Berlin, 11. April (ssl) Das Verschwinden der malaysischen Boeing mit der Flugnummer MH370 hat – jenseits aller Spekulationen – eines gezeigt: Die Kommunikationsstrukturen in der weltweiten Luftfahrt sind reformbedürftig. Nach dem ersten Schock darüber, dass das Schicksal von 239 Menschen auch Wochen nach dem Ende des Funk- und Radarkontakts noch immer ungewiss ist, scheint die Branche dies zu erkennen. Forderungen nach einer lückenlosen Überwachung des zivilen Luftverkehrs werden laut.
Die Boeing 777 war am 8. März auf dem Flug von Kuala Lumpur nach Peking von den Radarschirmen verschwunden. Ihr Schicksal und das der 239 Insassen ist seitdem ungeklärt. Nach dem Generaldirektor des Internationalen Luftverkehrsverbandes IATA, Tony Tyler, hat nun auch der Chef des US-Logistikkonzerns FedEx, Fred Smith, Maßnahmen gefordert. Die Vorstellung, dass sich ein Flugzeug einfach in Luft auflöse, sei „nicht akzeptabel“, sagte er am Donnerstag vor dem Internationalen Luftfahrt-Club in Washington. Tyler hatte vor einer Woche die Bildung einer Task Force aus Behörden-, Hersteller- und Airline-Fachleuten angekündigt, die bessere Flugzeugortungsstrukturen entwickeln sollten. Die Schlussfolgerungen dieser Gruppe sollten im Dezember veröffentlicht werden. Es müsse ein Weg gefunden werden, so etwas nie wieder vorkommen zu lassen, sagte Tyler.
“Insbesondere in entlegenen Gebieten”
Smith sagte, die Luftverkehrsindustrie könne moderne Technologien besser nutzen, um das Potenzial für solche Tragödien künftig zu verringern. „Menschen, die ihre Frachten überall in Echtzeit verfolgen können, wollen nicht glauben, dass ein Großraumflugzeug einfach so vermisst werden kann“, sagte Smith. Die Zeit, die nötig ist., um MH370 ausfindig zu machen, macht die Notwendigkeit erweiterter Überwachung von Flugzeugen deutlich, „insbesondere in abgelegenen Teilen der Erde.“
Smith verwies darauf, dass die Informationen über den Flugweg bereits über die Systeme ACARS und das satellitengestützte ADS-B vorhanden seien. ACARS ermögliche bislang keine ständige Überwachung, könnte aber angepasst werden. Bei ADS-B fehle noch die weltweite Akzeptanz. Darüber hinaus „können wir sicherstellen, dass diese Systeme nicht so leicht deaktiviert werden können“. Wenn die Task Force im Dezember ihre Ergebnisse präsentiere, „sollten wir als Industrie mit Vorrang die Empfehölungen der IATA umsetzen.“ Er rechne überdies damit, dass der rasche Einsatz von ADS-B es ermögliche, den Abstand der Flugzeuge im Luftraum über den Meeren zu verringern. Das wiederum führe dazu, dass die Airlines schneller und mit weniger Treibstoff und weniger Emissionen fliegen können.
Normalerweise kein Entkommen
Ein Linienflugzeug kann dem weltweiten Netz der Ortungssysteme normalerweise nicht entkommen – außer in entlegenen Regionen der Erde wie Ozean-Gebieten, die nicht unter häufig beflogenen Routen liegen. Signale unterschiedlichster Herkunft und Reichweite ermöglichen Analysen, wo der Jet wann und in welchem Zustand ist. Allerdings sind nicht alle immer und überall verfügbar. Gäbe es eine ständige Ortung, so wäre es möglich, immer und überall Position, Flugrichtung und Zustand der Flugzeuge zu erkennen. Das könnte das die Suche nach eventuellen Überlebenden erleichtern und beschleunigen und somit Leben retten. Zumindest aber könnte es das Leid und die Ungewissheit der Hinterbliebenen verkürzen.
Setzt zum Beispiel irgendwo das Fahrwerk eines Lufthansa-Langstreckenjets auf einer Piste auf, so empfängt die Verkehrszentrale der Airline in Frankfurt am Main ein Signal. So weiß der Verkehrsleiter vom Dienst, wo es gelandet ist und ob es pünktlich war. Aus den Daten leitet er Optionen für die weitere Flugplanung ab.
– In der Luft sendet der Flieger über ein digitales Datenfunksystem namens ACARS (Aircraft Communications Addressing and Reporting System) alle paar Minuten eine Positionsmeldung an die Verkehrszentrale. Eine Weiterentwicklung, VDL genannt, arbeitet ebenfalls mit Hochfrequenzfunk (VHF) oder mit Satellitenkommunikation.
– Von der großen Boeing bis zur kleinen Cessna senden viele Flugzeuge im Abstand von wenigen Minuten oder gar Sekunden mit einem Transponder über Satellit ADS-B-Signale, die Fluglotsen Aufschluss über ihre Position geben. Satelliten ihrerseits senden hin und wieder, in der Regel im Stundenabstand, „Pings“ an ihr Netzwerk, um festzustellen, ob die „Clients“ noch da sind. Die Signale der Flieger können zum Beispiel mit FlightRadar24 auf normalen Computern und Smartphones sichtbar gemacht werden.
– Anti-Kollisions-Systeme sorgen im Nahbereich dafür, dass Flugzeuge nicht zusammenstoßen. Dann ist da noch das normale Radar, mit dem Fluglotsen die Lufträume überwachen.
– Als allerletztes sind da noch die Black Boxes genannten Flugschreiber. Es sind Aufzeichnungs- und Ortungsgeräte, die die Kommunikation im Cockpit aufzeichnen und, wenn sie durch bestimmte Änderungen des Flugzeugzustands aktiviert werden, Ortungssignale senden, damit das Flugzeug nach einem Absturz schnell gefunden werden kann. Diese Signale sind auch noch aus mehreren tausend Metern Meerestiefe zu empfangen. Sie werden je nach Umgebung etwa 30 Tage lang gesendet; dann ist die Batterie der orangefarbenen Black Box erschöpft.
Radar ist nicht überall
Einer Radarortung kann sich natürlich keine Flugzeugbesatzung entziehen, aber die Radarstationen erfassen nicht die gesamte Erdoberfläche, zum Beispiel nicht Teile der großen Meere. Viele Ortungssysteme sind abschaltbar, auch wenn das Abschalten für den Zivilpiloten nicht zur Routine gehört. Manche funktionieren nicht mehr, wenn der Strom ausfällt. Fällt der Strom im Flieger aus, so fährt normalerweise eine Ram Access Turbine (RAT) seitlich aus. Das ist praktisch ein kleines Windkraftwerk, das durch den Luftstrom Energie erzeugt. Sie versorgt zentrale Steuerungssysteme mit hydraulischer Energie und meist auch mit Notstrom, so dass unter Umständen noch eine kontrollierte Landung möglich ist.
Um eine ständige Ortung der Flugzeuge an jedem Punkt der Erde zu ermöglichen, müsste eine Satellitenübertragung der Signale sichergestellt sein. Flugzeugseitig ist dazu eine ständige Stromversorgung des entsprechenden Geräts erforderlich, die auch erhalten bleibt, wenn die Systeme abgestellt werden oder ausfallen – zum Beispiel durch Akkus. Im All bedürfte es geeigneter Satellitenkapazität, und am Boden müsste Rechnerkapazität bereitgestellt werden. Die IATA schätzt, dass weltweit 100.000 zivile Passagierflüge täglich unterwegs sind – und diese nicht einmal alle gleichzeitig. Verglichen mit den angeblich gespeicherten Telefondaten bei der NSA dürfte die Speicherung und Filterung dieser Daten durch eine übernationale Sicherheitsbehörde kein quantitatives Problem sein.
Eine gesetzliche Verpflichtung in diese Richtung macht nur Sinn, wenn sie weltweit gilt. Dann würde zunächst ein Konsens in der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, herbeigeführt, den dann die Mitgliedsländer als Gesetz verabschieden müssten. Die ICAO ist immerhin schon an der Task Force beteiligt.
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