Weltpremiere des neuen Smart im Tempodrom in Berlin
Berlin, 17. Juli (ssl) Die deutsch-französische Vereinigung ist ja eine unserer Lieblingsutopien. Dass sie sich ausgerechnet bei einem Auto positiv materialisiert, hätten wir nun doch nicht gedacht. Der neue Smart aber ist dafür ein Beispiel. Das jüngste und kleinste Kind der Daimler-Familie hatte am Mittwochabend in Berlin Weltpremiere. Es gibt ihn vorerst in zwei Karosserievarianten, „fortwo“ und „forfour“, benannt nach der Zahl der Sitzplätze. Forfour ist ein bisschen neu – das gab es schon vor rund zehn Jahren einmal. Wegen mangelnder Nachfrage wurde er aber nur etwa drei Jahre lang produziert.
Der neue Smart soll – legen wir den Maßstab der auf hip getrimmten Premierenfeier an – das Lebensgefühl urbaner Mobilität reflektieren. Was ist das genau? Designerkleidung – bloß nicht der graue Anzug mit Krawatte! -, offene Bars, viel Weiß und Schwarz, Fingerfood und Meeresfrüchte herrschten vor, ergänzt von Vorträgen etwa über Urban Gardening (Schrebergärtnern, haha!). Immerhin hatte das von seinen Machern gerne als Kultauto bezeichnete Fahrzeug im Tempodrom, also in Kreuz- und nicht in Prenzelberg, seinen großen Auftritt. Entsprechend kam die Veranstaltung ohne den Verweis auf etwaige Familienfreundlichkeit aus.
In coolem Sakko, Jeans und offenem Hemd ging Daimler-Chef Dieter Zetsche bei aller urbanen Modernität gut 200 Jahre zurück: Anhand einer „Executive Summary“ des Märchens „Der Hase und der Igel“ beschrieb er die Philosophie des Kult-Autos. „Ich bin schon da“, zitierte er die Gattin des Igels, die sich bei den Wettläufen mit dem Hasen am Ziel postiert hatte und vorgab, das Rennen gewonnen zu haben.
„Klein, unterschätzt, aber trotzdem oft als Erster da, wenn es um die großen Trends der Mobilität geht“, so Zetsche, habe der Smart bei seinem ersten Auftritt 1997 bereits die automobile Antwort auf den Megatrend Urbanität gegeben. Das gelte auch für die Vernetzung. Zetsche und die Leiterin des Smart-Programms, Annette Winkler, mutmaßten gar, das Smartphone sei nach dem winzigen Auto benannt. Die Autofahrer wollen es vielleicht nicht einmal mehr besitzen, sondern nur fahren – was schon der jetzige Smart mit dem Daimler-eigenen Car2Go-Sharing ganz leicht macht. Immerhin kann das gleichnamige Telefon einen Smart suchen, finden, öffnen und bezahlen. Fahren muss man (noch) selbst, wenn der neue Smart auch Seitenwindeinflüsse schon automatisch wegregelt – serienmäßig, bei Heckantrieb und Heckmotor eine gute Idee. Weitere Helferlein stehen auf der Zubehörliste.
Und dann ein großer Moment: Ausgerechnet der Daimler-Vorstandsvorsitzende räumte ein, dass sich heute die Mehrheit der Autofahrer nicht mehr über Hubraumgröße und Zylinderzahl definiert. Size matters – das gilt auch für den Smart, aber im umgekehrten Sinn. „Wir sind die Einzigen, die voller Stolz sagen: ‚Unserer ist der Kleinste!’“, schmunzelte Zetsche. Der Neue ist zweitürig nach wie vor 2,69 Meter kurz, beim viertürigen dürfen es 80 cm mehr sein. Mehr als drei Zylinder sind nicht drin, mehr als 999 Kubikzentimeter Hubraum auch nicht. Aber daraus holt der bislang kräftigste der neuen Motoren immerhin 90 PS. Der Kunde, der sich beim alten Smart über die zwar aufwendige, aber nicht gerade hochkomfortable Automatik beschwert haben mag, kann jetzt zwischen einem manuellen Fünfgang-Getriebe und einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe wählen.
Die Smarts zirkulieren mit Wendekreisen von rekordverdächtigen 6,95 und 8,65 Metern. In der Breite hat er allerdings um satte zehn Zentimeter zugelegt, was dem ganzen Wagen einen anderen optischen Auftritt verschafft, so dass ein passionierter Smart-Fahrer gar bei Facebook kommentierte: „Das ist kein Smart mehr!“ Tatsächlich gilt das besonders für den viertürigen, der mit seiner gestreckten Silhouette schon daherkommt wie ein richtiges Auto. In der Formensprache von weitem nähert er sich dem BMW-Mini ein wenig an. Der scheinbar hohe Schwerpunkt der „alten“ Smarts jedenfalls ist nicht mehr zu erkennen.
Das Französische daran? Daimler arbeitet beim Smart mit Renault-Nissan zusammen, und die Plattform zumindest des Viertürers ist mit der des Twingo eng verwandt, der ja jetzt auch einen Heckmotor hat. „Eigentlich wollten wir das nicht allzu sehr hervorheben, weil es ja um ein deutsches Auto geht“, sagte ein Manager, dessen Namen wir hier lieber nicht nennen wollen. „Aber der Kunde wird kaum etwas finden, was an diesem Auto so aussieht wie beim Twingo. Ok, vielleicht wenn er sich die Vorderachse anschaut.“
Noch etwas Französisches? Das Auto wird in Lothringen gebaut. Aber gleich an der saarländischen Grenze. Und das Design insbesondere des Teils, das man einmal Armaturenbrett nannte, könnte auch von einem Franzosen stammen. Das ist positiv gemeint. Der Smart setzt sich mit scheinbar schwebend angebrachten Instrumenten vor einer textil- und farbbetonten Konsole über deutsche Premium-Konventionen hinweg.
Der Kofferraum im fortwo sieht größer aus als der im bisherigen Smart. Stimmt aber nicht, räumte Produktmanager Frank Zimmermann ein. Die Karosseriedesigner hätten sich Mühe gegeben, den Smart etwas – ihm fällt kein positiv belegtes Wort für „barock“ ein – aussehen zu lassen, und da sei halt der Stauraum in etwa gleich geblieben. Rechts und links an den Kotflügel-Innenverkleidungen sitzen auch noch zwei Basstöner, mit denen der Smartie sicher auch die Nachbarn an der Ampel beschallen kann. Der fortwo habe insgesamt acht Lautsprecher, der forfour sogar zwölf. „Die müssen Sie da auch erst einmal hereinbekommen“, warb Zimmermann um Bewunderung. „Aber die Basslautsprecher kann man abnehmen.“
Noch mal zum Thema Viertürer: Der zweite Versuch, den Kleinen ans Publikum zu bringen, setzt vor allem auf den nur geringen Aufpreis. Dazu ist der Wagen mit wenigen Handgriffen in einen City-Van zu verwandeln, wie Zimmermann erläuterte. Außerdem hat er im Gegensatz zu seinem Vorgänger von vorn und am futuristischen Armaturenbrett das gleiche Erscheinungsbild wie der Zweitürer.
Cabrio und E-Version kommen noch
Mit den beiden in Berlin vorgestellten Varianten ist laut Daimler-Vorstand Thomas Weber das Smart-Programm noch lange nicht am Ende: Cabrio, Elektro-Variante oder die vielfach individualisierbare Edel-Ausgabe aus der konzerneigenen Brabus-Werkstatt stehen noch auf der To-Do-Liste. Weber sagte: „Früher haben wir Autos gebaut, heute designen wir Architekturen.“ Auf diesen könne man die verschiedensten Fahrzeuge zielgruppengerecht aufbauen. Zimmermann ergänzt: „Männliche und weibliche Kunden sind etwa 50:50 beim Smart vertreten. Gleiches gilt übrigens auch für Alte und Junge.“ Wobei er glaubt, dass die Alten eher zum Zweitürer greifen werden.
Die andere Liste, die mit den Preisen, gibt es noch nicht offiziell, aber unter der Hand hieß es: Bei knapp über 10.000 Euro geht es los, der Viertürer soll etwa 650 Euro mehr kosten. Bestellungen nimmt Daimler ab sofort entgegen, die Auslieferung beginnt laut Weber im November. Auch die gewünschte Zielmarke ließen die Daimler-Manager offen. Bislang setzten sie plusminus 100.000 Stück jährlich ab. „Mehr sollten es schon werden“, sagte Zimmermann. Die meisten landeten in Italien, gefolgt von Deutschland, China und den USA, wo es immerhin auch zwei Großstädte mit Car2Go-Sharing-Märkten gibt: Seattle und Austin.