Besonders zu Beginn und am Ende des Erwerbslebens – Datenreport 2013 vorgestellt
Berlin, 26. November (ssl) Das derzeitige „Jobwunder“ ist nicht gleichzusetzen mit einem Zuwachs an Wohlstand für alle. Vielmehr sind immer mehr Menschen von Armut bedroht, das heißt, sie müssen mit weniger als 980 Euro pro Monat auskommen. Das geht aus dem am Dienstag in Berlin präsentierten „Datenreport 2013“ hervor, der im Zweijahresturnus die Eckdaten zu wichtigen Lebensbereichen zusammenstellt.
Tatsächlich gibt es zwar mehr als 42 Millionen Erwerbstätige in Deutschland – mehr als je zuvor. Zugleich ist aber auch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden gesunken. Das bedeutet, das Einkommen verteilt sich auf weniger Menschen. Der Anteil der „atypischen“ Beschäftigungen, als der Nicht-Vollzeit-Arbeitsverhältnisse, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig angestiegen. Zunächst lag das daran, dass immer mehr Frauen ins Arbeitsleben kamen, zu einem hohen Prozentsatz allerdings nicht mit Vollzeitjobs. Zwischen 2006 und 2011 stieg die Zahl der Teilzeit–Arbeitsverhältnisse aber noch einmal an. Die Quote beträgt jetzt fast 22 Prozent, wie der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, erklärte.
Seine Behörde ermittelte, dass der Anteil der Bundesbürger, die von Armut bedroht sind, weiter zugenommen hat. 2011 lag er bei 16,1 Prozent. Vier Jahre zuvor hatte er noch bei 15,1 Prozent gelegen. Bei Frauen ist der Anteil mit 17,2 Prozent höher, bei Männern mit 14,9 Prozent niedriger als der Durchschnitt. Besonders hoch ist er bei Arbeitslosen mit 69,3 Prozent (2007: 56,8 Prozent).
Der Zuwachs ist nach den Worten des Sozialforschers Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) „ganz eindeutig auf die Zunahme von Minijobs“ zurückzuführen“. Der Anteil der dauerhaft Armen sei ebenfalls gewachsen. Seinen Zahlen zufolge ist das Armutsrisiko besonders zu Beginn und am Ende des Erwerbslebens gestiegen. Bei den 55- bis 64-Jährigen stieg es innerhalb von vier Jahren deutlich von 17,7 Prozent auf 20,5 Prozent, Unter den 18- bis 25-Jährigen beträgt es sogar 20,7 Prozent.
Der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, wies darauf hin, dass hier auch die Hochgebildeten keine Ausnahme machen: Selbst bei ihnen liegt die Armutsrisiko-Quote bei acht Prozent, was auf die oft schlecht bezahlten Einstiegsjobs zurückzuführen sei.
„Wer arm ist, ist gesellschaftlich im Abseits“, sagte Krüger. Er wies auf eine Parallele bei der Wahlbeteiligung hin. So sei in dem strukturschwachen Sachsen-Anhalt die Beteiligung um mehr als zehn Prozentpunkte geringer als etwa in den Ländern mit hohem Anteil am Brutto-Inlandsprodukt wie Hessen und Baden-Württemberg. „Arme haben auch wenig Zeit, sich gesellschaftlich zu engagieren“, fügte Krüger hinzu. Sie müssten hohen zeitlichen Aufwand treiben, um ihren Lebensunterhalt finanziell abzusichern.
An die Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen appellierte er, Maßnahmen zur Umkehr des Trends zu beschließen: „Faire Beteiligungsmöglichkeiten sind ein zentrales Versprechen der Demokratie. Das darf keinesfalls aufgegeben werden.“
Auf die Frage, inwieweit ein Mindestlohn hilfreich wäre, um das Armutsproblem zu lindern, gab WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger zu bedenken, Einzelmaßnahmen allein entfalteten keine hinreichende Wirkung: „Man muss den Mindestlohn mit der Arbeitszeit multiplizieren“, um sich ein Bild von der Verbreitung der Armut machen zu können. Wenn die Mindestlohn-Empfänger nur als Teilzeitbeschäftigte arbeiten könnten, wäre wenig geholfen.
Die Pressemitteilung gibt es hier: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2013/11/PD13_400_p001.html;jsessionid=61A90BD121BFBF3CEB675087B3158F36.cae4
Den Datenreport gibt es hier: http://www.wzb.eu/sites/default/files/u6/datenreport2013_vorab_online.pdf (12 MB)