Fondsmodell findet Zuspruch – Vor Stellungnahme der Verkehrsministerkonferenz – Ausweitung der Lkw-Maut angeregt – Skepsis gegenüber Pkw-Maut
Berlin, 1. Oktober (ssl) Das Geld für die dringend notwendigen Reparaturen der deutschen Verkehrsinfrastruktur kommt möglicherweise bald aus einem Fonds mit festgelegten Aufgaben, der den Zugriffen der Haushaltspolitiker weitgehend entzogen ist. Einen Tag vor einer Sitzung der Verkehrsministerkonferenz ist die entsprechende Empfehlung der Kommission „Nachhaltige Infrastrukturfinanzierung“ des früheren Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig (SPD) auf großen Zuspruch bei den Interessenverbänden gestoßen.
Die Kommission stellt darüber hinaus eine Ausweitung der Lkw-Maut auch für leichte Lastwagen und auf Bundes- und Landstraßen zur Diskussion. Eine Pkw-Maut bewertet sie dagegen wegen möglicher rechtlicher Einwände der EU-Kommission zurückhaltend.
7,2 Milliarden zusätzlicher Bedarf
Einen zusätzlichen jährlichen Bedarf von 7,2 Milliarden Euro nennt die Kommission allein für den Erhalt und Betrieb der bestehenden Infrastruktur. Dabei sei der marode Zustand vieler Brücken noch nicht einmal voll berücksichtigt. In naher Zukunft treten darüber hinaus zahlreiche Neuordnungen der Finanzinstrumente von Bund, Ländern und Kommunen in Kraft – wie etwa die Schuldenbremse oder das Auslaufen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes -, die die Lage weiter verschärfen, wenn nicht gegengesteuert werde.
„Um den dringenden Nachholbedarf im Bestandsnetz der Verkehrsinfrastruktur schrittweise abzuarbeiten“, müsste der Bund „umgehend zusätzliche Haushaltsmittel sichern“, lautet die Beschlussempfehlung der Kommission an die Minister, die sie sich am morgigen Mittwoch zu eigen machen sollen. Sie empfehlen ein Sondervermögen, in dem „mindestens 38,5 Milliarden Euro in den kommenden 15 Jahren auf Basis 2012“ zur Verfügung stehen sollten. Ein Sondervermögen ist ein Finanzierungsinstrument, dessen Mittel über Jahre dem Zugriff der Haushälter entzogen werden und damit nicht „nach Kassenlage“ etwa zur allgemeinen Schuldentilgung genutzt werden können. Zugleich wird es aber unter parlamentarische Kontrolle gestellt.
Die Kommission hält die Nutzung von Fonds (Infrastrukturfonds Schiene, Infrastrukturfonds Straße) und vergleichbarer Strukturen für den Nachholbedarf und auch für den laufenden Erhalt für geeignete „Wege für eine effiziente Organisationsstruktur und Beschaffung“. Ähnlich ist die Infrastrukturfinanzierung in der Schweiz geregelt, wo das Fondsmodell in den 90er Jahren unter anderem für die Großprojekte der Alpen querenden Tunnel unter Gotthard- und Simplonmassiv eingeführt wurde.
Die Finanzierung stellt sich die Kommission durch „deutlich mehr Mittel“ aus Kfz-Steuer und Mineralölsteuer vor. „Was nicht aus dem Haushalt finanziert werden kann, muss aus Instrumenten der Nutzerfinanzierung realisiert werden.“ Dazu benennt sie als Optionen unter anderem eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen (2,3 Milliarden Euro), deren Realisierung aber auf drei Jahre angesetzt werden müsse. Die Einbeziehung von Lkw ab 7,5 Tonnen – derzeit sind nur Lkw ab 12 Tonnen mautpflichtig – in dieses Netz bringe weitere 0,6 Milliarden, ab 3,5 Tonnen zusätzlich 0,3 Milliarden Euro. Sollten auch Land- und kommunale Straßen einbezogen werden, brächte das allein für schwere Lkw 0,8 Milliarden, für Lkw ab 3,5 t 0,4 Milliarden. Dem stehe aber eine „Vorlaufzeit von über einer Wahlperiode“ gegenüber. Zur Pkw-Maut heißt es, sie müsse EU-rechtskonform sein“. Eine Fernbusmaut „ist in diesem Zusammenhang zu mit dieser Frage zu prüfen“, heißt es weiter.
Durchweg positive Reaktionen
Der AutoClub Europa schlug vor, die Empfehlungen der Kommission als Leitfaden in die Koalitionsvereinbarung des Bundes aufzunehmen. Der Vorsitzende des ACE, Wolfgang Rose, sagte am Montag in Stuttgart, der von Bodewig aufgezeigte Weg sei in allen politischen Lagern konsensfähig und deshalb gangbar. Er biete zudem eine Perspektive, um die seit Jahrzehnten andauernde Unterfinanzierung des Verkehrssektors zu beenden. Klar sei jetzt auch, dass eine Pkw-Maut zur Finanzierung der Verkehrswege nicht zwingend gebraucht werde.
Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) forderte Reformen, die über die Kommissionsvorschläge hinausgehen: Präsident Klaus-Peter Müller erklärte, es reiche nicht, „die Mittel für die Erhaltung von Straßen, Schienenwegen und Wasserstraßen einfach nur zu erhöhen. Die vom DVF seit langem geforderten Reformschritte bei Bund, Ländern und Kommunen müssen nun zügig umgesetzt werden und eine effiziente Verwendung der knappen Mittel sicherstellen.“
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) erklärte, die Einrichtung von haushaltsunabhängigen und mehrjährigen Infrastrukturfonds sei „ein zentrales Instrument zur Sicherung der Finanzmittel, deshalb unterstützen wir diesen Vorschlag ausdrücklich“. Das Geld müsse „zugriffsicher und zweckgebunden sowie nach Bedarf“ bereitgestellt werden „und nicht nach Länderquoten über mehrere Jahre“, erklärte VDV-Präsident Jürgen Fenske.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte besonders die Vorschläge zur Ausweitung der Lkw-Maut. Das Land brauche „keine Pkw-Maut, nicht für Ausländer, nicht für Inländer und auch nicht in Form einer Vignette“. Vielmehr müsse die „verkorkste Verkehrspolitik“ grundlegend reformiert werden, erklärte BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Der Finanzbedarf zum Erhalt und zur Sanierung sämtlicher Verkehrswege einschließlich Brücken und Schleusen betrage rund 7,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dies lasse sich durch die Ausweitung der Lkw-Maut auf sämtliche Straßen und eine Zweckbindung der Mauteinnahmen ausschließlich für den Erhalt und die Sanierung vorhandener Verkehrswege abdecken.