EU will Entschädigungsrecht für Fluggäste beschneiden

Fluggastverband kritisiert geplante Neuregelung

Berlin, 29. August (ssl) Scharf kritisiert hat der Europäische Fahrgastverband (EPF) die geplante Neufassung der EU-Fluggastrechteverordnung. 72 Prozent der bisher Anspruchsberechtigten bei Flugverspätungen würden künftig leer ausgehen, rechnete der Verband am Donnerstag in Berlin vor. Entgegen der behaupteten Absicht, die Fluggäste besser zu stellen als bisher, opfere die EU-Kommission „die Passagierrechte auf dem Altar der wirtschaftlichen Interessen der Fluggesellschaften“, sagte der Luftverkehrsrechtler Ronald Schmid bei einer EPF-Veranstaltung.

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer kritisierte die Neuregelung als unfair im Vergleich mit konkurrierenden Verkehrsträgern. Nicht nur, dass auf Kerosin keine Mineralölsteuer anfalle und internationale Flüge von der Mehrwertsteuer befreit seien – sie müssten auch keine Trassenpreise zahlen und würden nicht in den Emissionshandel einbezogen. Ferner seien schon jetzt die Verspätungen, von denen an im Bahnverkehr Entschädigungen fällig würden, deutlich geringer angesetzt.

In der neuen Verordnung sollen sie den Angaben zufolge noch weiter ausgedehnt werden. Bei Flügen mit einer Distanz unter 3.500 Kilometer (derzeit 1.500 km) soll ein Entschädigungsanspruch auf 250 Euro erst nach fünf Stunden Verspätung am Ankunftsort entstehen. Nach der geltenden Verordnung sind es drei Stunden. Bei Flügen zwischen 3.500 und 6.000 Kilometern (bisher 1.500 bis 3.000 km) und einer Verspätung von mindestens neun Stunden gibt es 400 Euro Entschädigung. Bei Langstreckenflügen über 6.000 km (bisher 3.500 km) und einer Verspätung von mindestens 12 Stunden (bisher vier Stunden) entsteht ein Anspruch von 600 Euro. Diese Festlegung würde bedeuten, dass ein Passagier nach einem ohnehin stressigen Langstreckenflug, der elf Stunden und 50 Minuten verspätet ist, keine Entschädigungsansprüche hat.

Schmid wies darauf hin, dass bei der Annullierung von Flügen nach der neuen Verordnung nach wie vor dieselben Entschädigungsansprüche gelten würden wie bisher. Das führe zu einer Ungleichbehandlung von Passagieren annullierter und Passagieren verspäteter Flüge, die wiederum vom Europäischen Gerichtshof gekippt werden könnte. Dessen Richter haben in der Vergangenheit ohnehin für eine Klärung verschiedener Positionen im Sinne der Passagiere geurteilt.

Die Anwälte monierten darüber hinaus, dass die Definition der „außergewöhnlichen Umstände“, die die Fluggesellschaften von der Entschädigungszahlung freistellt, ebenfalls zum Nachteil der Passagiere geändert worden sei. Es gebe nun sieben „außergewöhnliche Umstände“, etwa Schließung von Flughäfen, Sabotage oder auch durch Vulkansasche bedingte Restriktionen im Flugverkehr, aber nur zwei „nicht außergewöhnliche Umstände“, womit bei dem “Wissens- und Machtgefälle“ zwischen Luftverkehrsunternehmen und Fahrgast der Verschleierung Tür und Tor geöffnet werde, sagte der Fachanwalt Andreas Seegers.

Der EPF hat für den Protest gegen den Verordnungsentwurf eigens eine Internet- und Facebook-Präsenz geschaffen: www.angry-passenger.org