VDA räumt Umweltvorteil von 32 Prozent durch Verbrenner-Verbot ein – Ifo-Institut begutachtet mögliche Verbotsfolgen
Berlin, 18. Juli (ssl) Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wehrt sich gegen Forderungen nach einem Verbot des diesel- oder benzinbetriebenen Verbrennungsmotors ab 2030, wie sie die Grünen in ihrem Bundestagswahlprogramm erheben. Er hat deshalb bei dem renommierten ifo-Institut ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die möglichen Folgen eines solchen Verbots untersucht. Die Gutachter kamen teilweise zu Ergebnissen, die auch dem VDA zu denken geben dürften. Zu Ende gedacht, könnte er sogar mit den Grünen zu einer Linie finden, ohne den klassischen Motorenbau völlig aufzugeben.
Die wichtigsten Ergebnisse des Gutachtens ganz kurz:
1) Erwartungsgemäß kam als erstes die Arbeitsplatz-Argumentation: Sollten ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr in neue Autos eingebaut werden dürfen, sind davon schon bald 620.000 Arbeitsplätze in der Industrie „betroffen“, wie ifo-Präsident Clemens Fuest am Dienstag (18.07.) erklärte. Mit „betroffen“ meine er nicht zwingend „gefährdet“, betonte er bei der Vorstellung der Studie, denn es sei möglich, viele Inhaber dieser Arbeitsplätze anderweitig zu beschäftigen, auch wenn der Bau von Elektromotoren an Stelle der Verbrennungsmotoren technologisch einfacher sei und weniger Arbeitskraft erfordere. Dennoch warnte er: Besonders kleine und mittlere Unternehmen der Zulieferindustrie, die sich auf die Fertigung von Komponenten des Verbrennungsmotors spezialisiert hätten, kämen mit dieser Herausforderung schwer zurecht.
2) Ebenfalls zu erwarten war das zweite wesentliche Ergebnis: Dass bisher so wenige Elektromotor betriebene Autos auf den Straßen sind, liegt das nicht an der Autoindustrie, denn sie könnte, wenn die Nachfrage da wäre. Sie hat so viele Patente auf Technologien, die mit Elektromobilität zusammenhängen, dass sie sich als drittstärkster Anbieter weltweit nach China und den USA profilieren kann, wie auch VDA-Präsident Matthias Wissmann betonte.
Fuest sagte: „Irgendwo in der Kette, die aus Vertrauen in die Technologie, aus dem Preis und aus der Verfügbarkeit der Infrastruktur besteht, geht es nicht weiter.“ Wissmann erklärte: „Es ist eindeutig das strategische Zeil der Autoindustrie, in Zukunft auf alternative Antriebe zu setzen.“ Allein bis 2020 gebe die Industrie 40 Milliarden Euro für die Forschung auf diesem Gebiet aus.
3) Überraschend kam das ifo-Institut aber zu dem Ergebnis, dass ein solches Verbot die CO2-Emissionen der Autos 2030 um 32 Prozent mehr senken würde als ein „Weiter so“-Szenario. (Der Fachmann nennt es heutzutage „BAU-Szenario“ als Abkürzung für Business as usual.)
Dabei habe man die Emissionen, die nicht direkt aus dem Elektroauto kommen – also etwa bei Autoherstellung und Stromerzeugung entstehen, nicht mitgerechnet, sondern unterstellt, dass der Strom in anderthalb Jahrzehnten weitgehend emissionsfrei erzeugt werde. Im übrigen sei dieser Faktor am Ende aus Umweltgesichtspunkten doch relativ gering: Bei einer jährlichen Fahrleistung von 30.000 Kilometern oder einer Gesamtfahrleistung von 100.000 Kilometern mit dem Elektroauto sei dieser Posten schon heute zu vernachlässigen. Die Studie weist jedoch darauf hin, dass sich nach heutigem Stand der Rohstoffbedarf zum Beispiel an Kobalt und Seltenen Erden für die Batterieherstellung so lange erheblich verteuere, bis die Energiedichte deutlich bessere Werte als jetzt erreicht habe.
Gefragt, ob sie Industrie sich in der Lage sehe, nicht nur „Weiter so“ zu machen, sondern sich eventuell ein ehrgeizigeres Ziel für 2030 als diese 32 Prozent zu setzen, schloss Wissmann nicht aus, dass das auch ohne Verbot gelinge. Er war allerdings nur bereit, „deutlich zweistellig“ zu sagen. Er erinnerte daran, dass die deutsche Autoindustrie selbst davon ausgehe, dass 2025 zwischen 15 Prozent – das wären rund 500.000 Stück – und 25 Prozent (ca. 1,3 Millionen) der Neuzulassungen alternative Antriebe hätten.
Den Diesel braucht es nicht zwingend zur Quotenerfüllung
Ein weiteres, nicht unbedingt VDA-freundliches, Ergebnis der Studie hatte mit dem derzeitigen starken Rückgang der Dieselfahrzeuge zu tun. Wissmann betont immer wieder, dass der Diesel unentbehrlich als „Übergangstechnologie“ sei, um die CO2-Ziele der EU zu erreichen. Johannes Koenen, einer der Autoren der Studie, relativierte das auf Nachfrage stark: Wenn der Diesel-Absatz um 80 Prozent zurückgehe, wirke sich das lediglich mit zwei bis drei Prozent höherem CO2-Ausstoß auf die Klimabilanz aus.
Wissmann führte darüber hinaus an, dass bis 2030 Forschung und Entwicklung alternativer Treibstoffe für Verbrennungsmotoren, auch „Wunder-Diesel“ genannt, deutliche Fortschritte gemacht haben könnten. Dabei geht es um „Power-to-gas“ oder „Power-to-liquid –Technologien, also darum, mit Strom aus Wind-, Sonnen- oder Wasserenergie gasförmigen oder flüssigen Treibstoff zu erzeugen, der dann an Stelle fossiler Brennstoffe in den Tank nicht nur von Autos, sondern auch von Flugzeugen gefüllt werden könnte.
Dabei könnte sich zwar ein Mengenproblem ergeben, jedenfalls wenn die Zahl der Autos auf dem derzeitigen Niveau bliebe oder steige. Aber es würde das Überleben des Verbrennungsmotors ermöglichen. Derzeit, sagte Wissmann, sei der Preis für solche Kraftstoffe etwa viermal so hoch wie für herkömmlichen Sprit.
Nimmt man sie beim Wort, wollen die Grünen den Verbrennungsmotor gar nicht so absolut abschaffen, wie es meist kommuniziert wird, auch von ihnen selbst. Im Bundestagswahlprogramm ist nur von „fossilen Verbrennungsmotoren“ die Rede. Abgesehen von dem semantischen Stolperer (die Verbrennungsmotoren selbst sind nicht fossil) liefern sie damit aber immerhin denselben Zukunftshinweis wie Wissmann: „Aus industrie- und klimaschutzpolitischen Gründen muss die nächste Bundesregierung ein klares Ziel setzen: Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden. Das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren ist dann zu Ende.“ Es sei denn, sie werden mit Wunder-Diesel betrieben. Und schon wären VDA und Grüne auf einer Linie.