Bahnbranche holt sich Unterstützung im Ministerium
Berlin, 16. Mai (ssl) Die Trassengebühren für Eisenbahnunternehmen werden möglicherweise schon 2018 deutlich gesenkt, um die Wettbewerbsbedingungen des Schienenverkehrs zu verbessern und mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Das stellten Regierungsmitglieder beider Koalitionsparteien auf einer Veranstaltung mehrerer Verbände der Bahnbranche am Dienstag in Berlin in Aussicht. Sowohl Umwelt-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) als auch ihr Kollege vom Verkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU) sprachen sich dort für eine deutliche Reduzierung der Trassengebühren aus.
Die Differenz zwischen den dann entrichteten Trassenpreisen und den zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur erforderlichen Einnahmen der DB Netz AG sollen Haushaltsmittel auffüllen. Im Gespräch sind etwa 360 Millionen Euro pro Jahr. Ferlemann wollte diese Zahl allerdings nicht bestätigen. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sprach von einem „nennenswerten dreistelligen Millionenbetrag“. Er gab zu bedenken, dass es höchste Zeit sei, die Trassenpreise zu senken, und stellte die rhetorische Frage, ob der DB-Fernverkehr-Konkurrent Locomore auch Insolvenz angemeldet hätte, wenn die Reduzierung früher gekommen wäre.
Mit den Einsparungen sollen die Unternehmen einerseits die Frachtraten auf der Schiene senken, andererseits dringend notwendige Investitionen in Digitalisierung und andere Modernisierungsvorhaben der Bahnen in die Wege zu leiten.
Ferlemann sagte, im Gespräch sei eine Zusicherung der Zahlung für zunächst fünf Jahre. Der Vorsitzende der Gewerkschaft EVG, Alexander Kirchner, nannte das eine Stellschraube. Danach soll geprüft werden, ob die Investitionen den Modal Split zwischen Straße und Schiene – also die Aufteilung der Verkehrsanteile – signifikant zugunsten der Bahn geändert haben. Zurzeit hat die Eisenbahn einen Anteil von 17,9 Prozent am Güterverkehrsaufkommen in Deutschland.
Der CDU-Politiker gab als Perspektive aus, „dass ich das im Haushalt 2018 verankert sehen möchte“. Aus welchem Topf es dann definitiv fließen wird, ist ebenfalls noch offen. Ferlemann sprach nicht von einer Halbierung, sondern nur von einer „deutlichen Reduzierung“ der Trassengebühren. Bleibe es bei der derzeitigen Koaliton nach der Bundestagswahl, sehe er da kaum Probleme. Dass bei der FDP als ebenfalls möglichem künftigen Koalitionspartner der CDU noch nicht so klar ist, ob sie sich mit mehr als einer Milliarde Euro pro Schienenverkehr positionieren wolle, sprach Ferlemann zwar nicht aus, deutete es aber an.
Beide Politiker waren sich aber mit den übrigen Diskutanten einig, dass es bei der Reduzierung allein nicht bleiben könne, sondern dass diese Teilfinanzierung – „Subvention“ wollten sie sie nicht nennen – nur der Einstieg in ein Gesamtverkehrskonzept sein solle. Davon allerdings ist bereits seit Jahrzehnten die Rede, ohne dass es nennenswerte Auswirkungen auf den Güterverkehrsanteil der Schiene gehabt hätte.Die Vertreter von Bahn und Gewerkschaften räumten allerdings ein, dass sie auch Hausaufgaben zu machen hätten.
Der Personen- und Güterverkehrsvorstand der Deutschen Bahn, Berthold Huber, erklärte, im Personenfernverkehr machten die Trassenpreise derzeit rund 30 Prozent des Aufwandes aus. Die Reduzierung sei „selbstverständlich die Voraussetzung dafür, dass das Konzept Fernverkehr 2030“ der Bahn im vorgesehenen Zeitrahmen umgesetzt werden könne. Es sieht unter dem Schlagwort „Deutschland-Takt“ anderem Personenfernverkehr auch in Gebiete außerhalb der Ballungsräume vor, die jetzt weitgehend abgehängt sind vom IC/ICE-System.
„Die Entlastung ist dringend nötig, damit wir in Zukunft überhaupt noch Güterverkehr haben“, sagte Alex Plaß, Geschäftsführer der Spedition Konrad Zippel. Tatsächlich sind die Kosten besonders im Einzelwagenverkehr auf der Schiene im Wettbewerb mit dem Lkw nicht mehr konkurrenzfähig, vor allem weil die Zugbildung teilweise mit Methoden des 19. Jahrhunderts vonstatten geht. Huber nannte einen Kostenanteil von rund 30 Prozent in Zugbildungsanlagen und weiteren 20 Prozent durch die Trassengebühren im Güterverkehr. Zahlreiche Ganzzugverkehre, bei denen ganze Zugladungen etwa von Autowerk zu Autowerk oder von (Flug-) Häfen zu Containerterminals fahren, sind dagegen deutlich wirtschaftlicher zu betreiben.
Dabei sind die Umweltziele im Verkehr nur dann annähernd zu erreichen, wenn mehr Güterverkehr auf die umweltfreundlichere Schiene verlagert wird. Während die Deutsche Bahn als großer Konzern noch Möglichkeiten hat, die Ertragsflaute abzufedern, liegt die Marge bei den kleineren Privatbahnen laut ihrem Verbandsgeschäftsführer Ludolf Kerkeling „um die Nulllinie“. Das lasse keinen Spielraum für Innovationen.