Forum Elektromobilität wenig optimistisch hinsichtlich nennenswerter Aufstockung der Forschungsförderung
Berlin, 2. März (ssl) So richtig glücklich sind die Beteiligten in Forschung, Entwicklung und Produktion nicht über die aktuelle Diskussion zur Kaufprämie für Elektromobile. Vor allem deshalb, weil darüber die von ihnen als genau so dringlich erachteten übrigen Marktanreize so sehr in den Hintergrund treten, dass sie möglicherweise sogar hinten runterfallen. Anzeichen dafür zeigten sich bei der Berliner Jahrestagung des Forums Elektromobilität am Montag und Dienstag. Immerhin trauten sich die Fachleute, ein neues Datum für die „Million Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen“ zu nennen.
Seine „persönliche Meinung“ sei, dass die Details der Förderung in zwei, drei Monaten beschlossen würden, sagte Dirk Arnold vom Bundeswirtschaftsministerium. Sie werde dann aus drei Bausteinen bestehen: der Kaufprämie, einer Förderung der Ladeinfrastruktur und Mitteln für die Forschung und Entwicklung. Dieser letzte Posten dürfte aber hinter den bisherigen Erwartungen zurückbleiben.
Offiziell sagte er das aber nicht. Offiziell sagte er, das Paket der Marktanreize werde „heiß diskutiert“. Es sei sehr schwierig, in der jetzigen Lage – er nahm die Worte „Wahlkampf“, „Flüchtlingskrise“ und „schwarze Null“ weder offiziell noch inoffiziell in den Mund – über Haushaltsmittel für Forschung und Entwicklung zu sprechen, die sich auf Milliarden summierten.
Wieviel steuert die Industrie bei?
Sein Kollege Christian Schlosser vom Bundesverkehrsministerium riet, sich „nicht auf die Kaufprämie zu kaprizieren“. In welchem Maß die Industrie sich an der Kaufprämie beteilige, sei noch offen, auch wenn in den Medien bereits Summen kursierten. Die Gesamtsumme hat Arnolds Chef Sigmar Gabriel immerhin schon auf maximal 5.000 Euro beziffert. Dass die Hersteller sich beteiligen müssen, war unter den Beteiligten – darunter dem BDI als Dachverband – eher unstrittig, und Schlosser wies auch sicherheitshalber noch einmal darauf hin, dass schließlich die Industrie und die Politik das berühmte Ziel gemeinsam beschlossen hätte, bis 2020 eine Million Elektromobile zugelassen zu haben. Er sagte aber zugleich, der exakte Zieleinlauf sei „unerheblich“, da früher oder später kein Weg mehr an den Elektroautos vorbeiführe.
Matthias Krämer vom BDI bezifferte am Montag die Steigerung bei den Zulassungen für E-Autos in Deutschland von Januar 2015 bis 2016 auf 16 Prozent und die Summe der zugelassenen Fahrzeuge auf 53.000. Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI erhöhte am Dienstag auf 55.000. Er sagte auch, dass zwischen 2023 und 2025 mit dem Erreichen der berühmten Million zu rechnen sein, wenn sich keine wesentlichen Parameter änderten. Aus dem Verkehrsministerium kam auch die Zahl von 2.772 zugeteilten Kennzeichen mit einem „E“ hinten dran bis Dezember 2015.
Norwegen nicht überstrapazieren
VDA-Präsident Matthias Wissmann war am Wochenende noch vorsichtiger gewesen, indem er die Formulierung wählte: Ende 2015 seien etwa 50.000 „auf deutschen Straßen unterwegs“. Einige davon wohl auch auf dem Weg nach Norwegen, wo die Beteiligten dann beim Weiterverkauf irgendwie noch in den Genuss der dortigen Subventionen kommen.
Diese haben dem eigentlich mit reichlich Ölvorkommen gesegneten Land einen E-Auto-Boom beschert. Die 50.000 hat Norwegen bereits vor knapp einem Jahr erreicht. Schlosser meinte aber, die Kritiker der verhaltenen deutschen Förderung sollten die Beispiele Niederlande und Norwegen „nicht überstrapazieren“. In den Niederlanden sei der Hochlauf Ende letzten Jahres der auslaufenden Förderung geschuldet, und „wenn Herr Schäuble über eine Luxussteuer wie in Norwegen“ verfügte, würde er sicher liebend gern die eine oder andere Milliarde als Subvention für E-Autos rausrücken.
In der Stadt stehen auch Elektroautos im Weg
Im hohen Norden wie in Deutschland ist die Förderung der E-Autos durchaus umstritten. Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly, sagte vor einiger Zeit einmal, das Problem der Autos umfasse nicht nur in seiner Stadt mehr als die Emissionen. Nürnberg stehe Tag und Nacht voll mit zigtausenden ungenutzter Autos, die wertvollen Verkehrsraum blockierten, gerade auch, wenn sie nichts emittierten.
Als Zauberwort in diesem Zusammenhang erwies sich der Ausdruck „Brückentechnologie“. Wissmann wendet es gerne auf den Dieselmotor an, dessen hochentwickelte Varianten bis auf weiteres unverzichtbar seien, um in den nächsten Jahren die Emissionsgrenzwerte der EU erfüllen zu können.
Die Forscher und Fachleute der Elektromobilität wandten es aber auch schon auf die Plug-in-Hybride an, eine E-Mobilitätsgeneration, die auch erst noch in Stückzahlen an den Mann oder die Frau gebracht werden muss. Die Plug-ins werden aber immerhin auch in kleineren Wagen angeboten und kommen dem immer noch vorhandenen Bedürfnis des privaten Nutzers nach universeller Verwendbarkeit des Autos für spontanes Reisen überallhin entgegen. Weil diese Fahrzeuge sowohl einen Benzin- wie auch einen Elektromotor haben, seien sie „das Teuerste und Schwerste, was man sich vorstellen kann“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Forums Elektromobilität, Martin Busse. Bernhard Hagemann vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) tröstete die Zielgruppe für die elektrifizierte Kompaktklasse, indem er Jahreszahlen nannte. „Plug-in-Hybride sind eine wichtige Brückentechnologie.“ Erst in 20 bis 30 Jahren sei die Pkw-Flotte voll elektrisch, meinte er: mit reinen Elektrofahrzeugen für die urbane Mobilität und Brennstoffzellen für den Fernverkehr.
Unterschiedliche Ansichten über den Pfad zur Million
Busse hält den Übergang zur Elektromobilität über Zweitfahrzeuge für einen guten Weg. Der noch konventionell befeuerte Erstwagen für die längeren Strecken, der rein elektrische Zweitwagen für die kurzen Pendel- oder Einkaufsfahrten. Das widerspricht aber der Ansicht von Walter Reithmaier vom TÜV Süd. Er beobachtet eine Tendenz zu größeren Batterien bis zu 300 kW: „Mehr Leistung, mehr Reichweite. In den oberen Klassen ist das möglich, weil dort der Preis der Batterie relativ zum Gesamtpreis nicht so sehr ins Gewicht fällt.“ Das passt zu den Autoexperten, die bei allen Bedenken nicht ohne Respekt von dem voll elektrischen Oberklassen-Auto Tesla als „Wenn-schon-denn-schon“-Elektromobil sprechen. Schaut man sich auf den Straßen Berlins so um, dann scheint er Recht zu behalten. Als Privatfahrzeug taucht der Tesla immer öfter auf.
A propos „wenn schon, denn schon“: Sehr fortschrittlich gab sich Mitsubishi mit seinem Plug-in-Hybrid Outlander, einem Full-Size-SUV. Auf dem Armaturenbrett klebte das Winterreifen-Warnschild, dass mit dem Auto nicht schneller als 240 km/h gefahren werden dürfe. Was soll so ein Auto? Insgesamt drängt sich die Ansicht auf, dass es dem Klima ebenso wie dem Staatssäckel gut tun würde, die Autos nach der Leistung zu besteuern. Zusammen mit dem bereits einsetzenden Shared-economy-Bewusstsein bei der Auto-Anschaffung könnte das auch der Disziplin auf den Straßen gut tun.
Noch kaum Lösungen für den Fernverkehr
Wietschel gab bei seiner Keynote zum Stand des Markthochlaufs der Elektromobilität auch freimütig zu, dass die gesamte deutsche Forschung noch keine realitätsnahe Idee habe, wie die großen Sattelzüge auf unseren Autobahnen emissionsneutral zu betreiben seien. Die Liste der Probleme dabei übertrifft die der Lösungsansätze bei weitem.