Ein Flugzeug, das in Deutschland eher selten zu sehen ist, hängt in Berlin: Es ist der Nachbau des Flyer Typ 3 der Brüder Wright. Eine Gruppe Journalisten des Luftfahrt-Presse-Clubs durfte es am Donnerstag (27. Februar) ausgiebig betrachten.

Entstanden ist er 1995 zu einer Flugschau, wie Flugkapitän Dr. Ulrich Unger vom Vorstand der Gesellschaft zur Bewahrung von Stätten deutscher Luftfahrtgeschichte (GBSL) e.V., erklärt. Der Flieger gehört der GBSL. Das im Bild linke Ende ist übrigens vorne. Der Motor in der Mitte, hier leider demontiert, trieb über Ketten, wie wir sie vom Fahrrad kennen , zwei zweiflügelige Schub-Luftschrauben an, deren eine hinter dem im Bild rechten Flügel zu erkennen ist.
Das Gerät ist angeblich flugfähig, aber nie geflogen, denn es erhielt keine Genehmigung des Luftfahrt-Bundesamtes. Es ist die Replika eines Flugzeugtyps der Brüder Wright, von dem den Angaben zufolge rund 80 Stück gebaut wurden, davon rund 60 von 1909 bis 1913 in Deutschland (!) von der Flugmaschinen Wright GmbH in Berlin-Johannisthal im heutigen Adlershof. Dort hängt in einem alten Hangar(<- Note the Wortspiel), der ansonsten als Lager dient, auch dieser Flieger mit 13 m Spannweite.
Auf die Frage, warum ein so schönes historisches Denkmal weitgehend unsichtbar bleibt, anstatt beispielsweise in der großen Halle des BER aufgehängt zu werden, erzählte Unger, das habe man dem Senat vorgeschlagen. Die Zuständigen hätten das allerdings unter Verweis darauf abgelehnt, dass dort bereits die „rote Fahne“ an der Decke hänge. Mit diesem Begriff, den sie laut Unger auch noch in Zusammenhang mit dem Namensgeber Willy Brandt und seiner sozialdemokratischen Parteizugehörigkeit gebracht haben, bezeichneten sie die rote Installation an der Decke des Empfangsgebäudes , die offiziell „Fliegender Teppich“ heißt und auch genau diesen traumerfüllenden Gegenstand assoziiert, jedenfalls bei mir. Es wäre doch noch Platz für den Flyer.
Nur 50 m Luftlinie von dem in der Regel unzugänglichen Hangar entfernt gibt es aber für jedermann folgenden extravaganten Bau zu bewundern:

Gilt als einmalig in der Welt: der Trudelturm. In dem Beton-Ei wurde Mitte der 1930-er Jahre das oft tödliche Phänomen des Trudelns von Flugzeugen erprobt. Unter Druck bis zu 3 bar im ganzen Turm wurde das Phänomen an Modellen simuliert. Es tritt bei Strömungsabriss auf, wenn der Flieger zu langsam fliegt und Vortriebsenergie und Auftrieb nicht mehr ausreichen, das Gewicht zu überkompensieren. Da es nahezu unmöglich ist, dass der Abriss an beiden Flügeln gleichzeitig erfolgt, kippt der Flieger nach einer Seite und kommt ins Trudeln, das sich ebenso wie die Fallgeschwindigkeit immer weiter beschleunigt.
Die Herausforderung, das 18 Meter hohe und aus bis zu 35 cm dicken Wänden bestehende Betonding zu entsorgen, bewältigten glücklicherweise weder die Rote Armee noch das anschließend in der nahegelegenen Kaserne untergebrachte Wachregiment Felix Dzerzhinsky, eine bewaffnete Truppe, die der Stasi unterstand und die DDR-Bonzen samt ihrer Liegenschaften sichern sollte. Jetzt steht es unter Denkmalschutz.
Dieser Teil des Flughafengeländes ist heute Heimat des Fachbereichs Physik der Humboldt-Uni. Hier finden sich auch noch ein großer Windkanal und zwei schallschluckende Türme einer nicht mehr vorhandenen Kolbenmotoren-Testhalle. Das Gebäude ist sehr „instagrammable“, weil Mitglieder der Band Rammstein auf dem Cover des 2022er Albums „Zeit“ die Außentreppe herunterlaufen. Am Donnerstag war aber kein:e Influencer:in da, obwohl ich die Außentreppe rauf und runter gelaufen bin.
© Text und Fotos: Thomas Rietig