Roman „Taupunkt“ über Bedrohungen des Lebens und Auswege
Die Handlung des Romans „Taupunkt“ beginnt nicht harmlos irgendwo im Mittleren Westen und entwickelt sich dann zu einer mehr oder weniger ausgedehnten Katastrophe. Der Autor Thore D. Hansen geht gleich in medias res. Er fängt damit an, wie Bauer Robert Beyer, ein Klimaleugner, den Frust über den von der zunehmende Dürre verursachten Niedergang seines Hofes im Alkohol ertränkt, statt sich Gedanken darüber zu machen, wie sich die Landwirtschaft den erschwerten Bedingungen anpassen lässt.
Der Klimawandel hat im dystopischen Deutschland schon recht drastische Formen angenommen. 38 Grad Tagestemperatur ist normal, es geht aber schon im Frühjahr bis über die 50-Grad-Marke, hier und da brennt es, der Asphalt der Straßen platzt unter fahrenden Autos auf, die Stromgewinnung wird immer schwieriger, Südeuropa gleicht einer Flammenhölle, und die Gesellschaft droht jeglichen ethisch-moralischen Halt zu verlieren.
Tom, der erfolgreiche Bruder des verwitweten Robert, hat es als Klimaforscher bis zu den Vereinten Nationen und dem Potsdamer Klimafolgen-Forschungsinstitut gebracht. Nun will er der Öffentlichkeit vermitteln, dass die Menschheit nur überleben kann, wenn erstens die Wohlstands- und Wachstumsgarantie als erstrebenswertes Ziel zugunsten des Überlebens aufgibt. Zweitens müsse sie schnell und intensiv am Geo-Engineering forschen und es sofort anwenden – also daran, das Klima durch großangelegte künstliche Änderungen wie CO2-Entnahme aus der Atmosphäre so zu beeinflussen, dass es im überlebensfähigen Rahmen bleibt. Roberts Tochter bewundert ihren Onkel, der sich mit ihrem Vater vor Jahren entzweit hat.
Toms Ehe ist bei all dem Klimastress in die Brüche gegangen. Er hat auch eine Tochter, die allerdings in Oberflächlichkeit schwelgt und der deshalb der ganze Klimakram auf den Wecker geht. Die Freundschaft beider Cousinen geht im Lauf des Buchs in die Brüche.
Thema des Buches ist, was der Klimawandel mit der Erde, aber auch mit der Psyche und dem Zusammenleben der Menschen auf ihr macht. Vor dem apokalyptischen Szenario und dem Familiendrama entwickelt der Autor plastisch die absehbaren Folgen eines ungebremsten Klimawandels. So, wie er die einzelnen Familienmitglieder angelegt hat, ist es ihm auch möglich, die Argumentationen der verfeindeten Seiten vor dem Leser auszubreiten, ohne dass die Spannung leidet.
A propos Spannung: Das Buch ist als „Kriminalroman“ erschienen. Zu Beginn wird auch eine Erzählebene stark betont, die die ständige Sorge der Klimaforscher vor gewalttätigen Angriffen beschreibt, aber das verliert sich mit fortschreitender Handlung. Wer also einen klassischen Krimi mit Verbrechen und Aufklärung erwartet, wird enttäuscht. Manchmal stolpert der Autor auch bei seiner Vermischung von Realität und Fiktion. Nachdenklich macht etwa, dass die Klimaforscher durchweg Verbrenner-Autos der Oberklasse fahren. Und für die zweite Auflage sollte unbedingt der Untertitel des ersten Kapitels gleich auf der ersten Seite korrigiert werden: Lentzke bei Fehrbellin liegt nicht südlich, sondern nördlich von Potsdam. Immerhin 62 Kilometer.
Hansen, Thore D.: Taupunkt. Ein Kriminalroman. München: Europa Verlag 2022. Paperback. 272 Seiten, 20 €. ISBN: 978-3-95890-470-5 https://www.thore-hansen.de/