Amtrak Joe hat schon Millionen Bahn-Meilen hinter sich

Der neue US-Präsident ist ein dezidierter Bahn-Fan

Der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war schon als Senator und erst recht als Wahlkämpfer viel auf Reisen – vorzugsweise mit der Bahn. „Ich hätte auch den Hubschrauber nehmen können, aber im Zug schließt man viele Bekanntschaften“, begründet „Amtrak-Joe“ Biden diese Vorliebe.

Ein Hochgeschwindigkeitszug der US-Gesellschaft Amtrak auf dem Nordost-Korridor. Foto: Amtrak https://deutsch.amtrak.com/routes/acela-train.html

Berlin, 22. Januar (ssl) Der frisch vereidigte US-Präsident Joe Biden ist ein begeisterter Bahnfahrer. Er schätzt, in den letzten Jahrzehnten rund 2,1 Millionen Meilen (mehr als 3,2 Millionen Kilometer) in den Zügen der staatlichen Eisenbahngesellschaft Amtrak zurückgelegt zu haben.

Die Vorliebe des langjährigen Senators der Demokraten für den Schienenverkehr hat allerdings einen traurigen Grund. Er wollte so wenig wie möglich mit dem Auto fahren, nachdem seine erste Frau und die gemeinsame Tochter 1972 bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. So pendelte er täglich mit dem Amtrak-Zug von Wilmington in Delaware nach Washington. Hin und zurück sind das immerhin 250 Meilen oder rund 400 Kilometer. Für die einfache Fahrt braucht er plusminus anderthalb Stunden. Die Verbindung ist ein Teilstück des stark befahrenen Nordost-Korridors der Eisenbahn.

Der NEC (Northeast Corridor) zwischen Washington und Boston ist 734 Kilometer lang. Er ist die einzige durchgehend elektrifizierte Schienenfernverkehrstrasse des Landes, deren Betrieb mit europäischen Fern- und Hochgeschwindigkeitsstrecken vergleichbar ist, und wegen des hohen Angebots und der dichten Besiedelung der Ostküste stark belastet. Hier verkehren regelmäßig komfortable Fernzüge mit bis zu 240 km/h.

Biden behielt diese Angewohnheit bis jetzt bei. Das trug ihm mit der Zeit den Spitznamen „Amtrak Joe“ ein. Der Bahnhof in Wilmington, einer der betriebsreichsten der ganzen Strecke, wurde vor zehn Jahren nach ihm benannt. Die Nachrichtenagentur Associated Press zitierte ihn mit den Worten: „I love being on the train. Der Zug ist mein bevorzugtes Transportmittel.“ Als er begonnen habe, es zu nutzen, habe die staatliche Bahngesellschaft nicht einmal über eine Bahnpolizei verfügt. Das habe er mit Senatsinitiativen dann sichergestellt.

Biden erzählte, er habe im Laufe der Jahre viele Freunde und Bekannte auf dem Zug kennengelernt, darunter auch Amtrak-Personal. „Während der Zugfahrt kann man praktisch in die Fenster der Wohnungen schauen.“

Schon bei seinem ersten Wahlkampf um die Präsidentschaft 1987 profilierte sich Joe Biden als eifriger Nutzer des Schienenverkehrs. Zum Auftakt posierte er damals mit der Familie vor einem Zug im Wilmingtoner Bahnhof.

Auch im Wahlkampf 2020 benutzte Biden die Bahn, einmal mit einem eigens dafür gecharterten Zug, der mit einem Panoramawagen namens „The President’s Car“ ausgestattet ist. Ob es sich dabei um den legendären „Georgia 300“ aus den 1930er Jahren handelte , den auch in jüngster Zeit zahlreiche Präsidenten und Kandidaten (aber nicht Trump) für Wahlkampfzwecke nutzten, geht aus den Berichten nicht hervor.

„Georgia 300“ heißt der repräsentative Pullman-Eisenbahn-Waggon, der in der Vergangenheit häufig von Präsidenten und Kandidaten der Vereinigten Staaten genutzt wurde. Foto: Walter https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Georgia_300_(14133612926).jpg

Jedenfalls hielt Biden im fahrenden Zug Konferenzen für Unterstützer, aber auch für die Presse ab. Bei einem Zwischenstopp wurde er gefragt, ob er seine gesammelten Meilen für die Charterkosten des Zuges nutzen werde. Die aufgerufenen Preise für einen Zugcharter beginnen dem AP-Bericht zufolge bei 30.000 US-Dollar. Er verneinte, und sagte, stattdessen wolle er nach der Wahl diese Meilen für einen Ausflug verwenden. Ursprünglich hatte Biden vor mit der Bahn (und wahrscheinlich mit dem erwähnten „Georgia 300“ Pullman-Wagen) zur Vereidigung zu fahren. Aus Sicherheitsgründen kam das aber nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar nicht zustande.

Nachdem er nun ohne Zwischenfälle vereidigt wurde, sind alle Schienenverkehrsfreunde in den Vereinigten Staaten gespannt, ob des Präsidenten Vorliebe für die Bahn sich in seiner Politik niederschlagen werde. Oder in der des künftigen Verkehrsministers Pete Buttigieg. Dieser bedauerte in seiner Anhörung vor dem US-Senat in der vergangenen Woche bereits, er sei wohl nur „der zweitgrößte Bahn-Fan in dieser Regierung“.