Warum Reparatur manchmal Wartung heißt

Ein Rückflug aus Amerika mit United – 350 Euro für zwölf Zentimeter

Berlin, 02. Januar 2018 (ssl) Der Urlaub soll ja vom Anfang bis zum Schluss ein richtig schönes Erlebnis sein. Und immer mal wieder ist eines der letzten Teil-Erlebnisse ein Rückflug. Unser jüngster war echt das Letzte. Wir waren über Weihnachten in Amerika. Nach drei Jahren mal wieder. Es war ein direkter Linienflug der United Airlines von Berlin nach Newark südwestlich von New York. Newark oder, wie die Fachleute sagen, EWR, hatten wir gewählt, weil das günstig zu unserem Urlaubsziel Virginia lag, nicht wegen des Preises – wir zahlten rund einen Tausender pro Nase für Economy Plus. Das sind 350 Euro mehr als der normale Holzklassen-Tarif. Wir erkauften uns damit zwölf Zentimeter mehr Sitzabstand. Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Weitere Privilegien gegenüber dem normalen Economy-Tarif waren damit nicht verbunden. Die nächst höhere Klasse hätte 2.200 Euro pro Nase gekostet. Das war uns dann doch etwas viel.

United ist in Newark quasi zu Hause. ©Foto: Rietig

Nein, jetzt kommt kein Gejammer darüber, dass unter Trump die Einreise irgendwie komplizierter geworden wäre. Im Gegenteil: 20 Minuten am Flughafen Newark, und wir waren durch. Einschließlich Gepäckabholung und Prüfung durch die Agrarbehörde. Die anderthalb Stunden Verspätung des UA963 beim Abflug in Berlin „wegen Wartungsarbeiten“ nahmen wir hin, weil wir a) öfter mit der Bahn fahren und deshalb Verspätungen locker sehen, b) den Abholtermin für den Mietwagen vorsichtshalber mit reichlich Zeitpuffer gebucht hatten und es c) für einen Einzelfall hielten.

Nix mit Einchecken per App

Am Tag vor der Rückreise mit UA962 forderte mich United per SMS zum elektronischen Einchecken auf. Klappte bei mir, bei meiner Frau aber nicht. Warum, wurde nicht klar. Außerdem wollten sie, dass wir die Bestätigung ausgedruckt vorlegten. Ja, denken die denn, der Tourist hat mal eben einen Drucker dabei? Genau für solche hanebüchenen Aufforderungen lädt man sich eine App aufs Smartphone, oder? „Ok, dann gehen wir eben einfach zum Schalter.“

Schalter ist gut, haha. Jetzt kommt die United-Moderne. Wir kamen in eine volle Abflughalle voller United-„Schalter“ mit Schlangen davor. Vor den Schlangen wiederum gab es ein Dutzend Automaten zum Bagtaggen. Der Zugang dazu war nicht geregelt, was zur Folge hatte, dass sich statt Schlangen Trauben vor den Automaten bildeten. Da stand: „Step 1 – Tag your bag.“ Das beinhaltet einige einfache Schritte vor der Abgabe des Koffers:

– Scanne deinen Pass. Hoffe, dass der Scanner ihn akzeptiert. Beim vierten Mal klappt es.

– Stelle deinen Koffer auf die Waage neben dem Scanner. Hoffe, dass er kein Übergewicht hat.

– Bestätige gefühlte -zig Mal deine persönlichen Daten.

– Nimm deine Bordkarte – aus Papier! – aus dem Drucker unter dem Scanner.

– Nimm das Etikett für deinen Koffer aus dem Drucker.

– Nimm deinen Koffer von der Waage.

– Trenne den kleinen Gepäckzettel von dem großen Etikett und klebe ihn hinten auf deine Bordkarte.

– Räume verdammt noch mal endlich den Platz vor Scanner, Drucker und Waage, weil hinter dir noch vier Leute warten.

– Befestige das Etikett am Koffer.

– Stelle dich an einer der zahlreichen Schlangen bei „Step 2“ an. Zeige dem dort stehenden United-Mitarbeiter Etikett und Bordkarte. Er ist nur dazu da, dich zurückzuweisen, wenn du eines von beiden nicht hast. Stelle deinen Koffer dort noch mal auf die Waage am Förderband.

– Verlasse zügig den Eincheckbereich.

Vorsicht vor langen Namen

So funktioniert es, wenn der Name im Reisepass dem entspricht, was auf dem Ticket steht. Klappte bei mir. Meine Schwiegereltern aber hatten vor einigen Jahrzehnten einen Fehler gemacht: Sie hatten bei der Taufe meiner Frau die Länge des Namensfeldes der United-Computer gerade nicht im Kopf. Daher gaben sie ihrer Tochter Vornamen, die in Summe genau einen Buchstaben länger waren als dieses Feld. Wahrscheinlich hatte deshalb ihr Einchecken per App schon nicht geklappt. Denn nun meinte der Computer beim Bagtaggen, dass der Name im Pass nicht mit dem auf dem Ticket übereinstimmt. Wir holten Hilfe bei einer wenig höflichen United-Mitarbeiterin, die wir im Gewühl nach einigen Minuten des Blockierens am Drucker gefunden hatten. Sie musste bestätigen, dass die Reisende, der Pass und das Ticket zusammengehörten.

Mit nur zehn Minuten Verspätung durften wir in den Flieger. Das Boarding besteht aus einem Ritual, das vermutlich der Aufnahme in den Himmel in vor-lutherischen Zeiten ähnelt. Wer am meisten Ablass zahlt, kommt zuerst. Fünf Gruppen, die der Reihe nach aufgerufen werden, sollen der Reihe nach rein. Klappt nur bedingt, weil so mancher Privilegierte sich das Recht herausnimmt, etwas später zu erscheinen, als seine Gruppe aufgerufen wird. Ich hatte Gruppe drei, meine Frau – wahrscheinlich wegen ihres unverschämt langen Vornamens – Gruppe vier. Sinn machte das erst recht nicht, denn sie hatte den Fenster- und ich den Gangplatz.

Silberne Diademe im Haar

Am Einstieg begrüßte uns wie üblich, die Besatzung. Aber an diesem Tag hatten die weiblichen Kabinencrew-Mitglieder lustige Diademe mit silbernen „Happy New Year“-Lettern im Haar, denn die Landung war für den 30. Dezember vorgesehen. (Um es vorwegzunehmen: Sie erfolgte auch am 30. Dezember, aber das wussten wir da ja noch nicht.)

Alle Fluggäste der Business Class guckten aus ihrem Komfort-Lounges die Economy-Leute mit einer Mischung aus Mitleid und Hochmut an, wie sie rollkoffernd an ihnen vorbei zu den hinteren Rängen strebten. A propos Rollkoffer: Mit dem für die Kabine zugelassenen Gepäck nimmt es United überhaupt nicht genau. Während Air Berlin selig unter Hartmut Mehdorn sogar das Handgepäck wog und bei mehr als acht Kilo (oder waren es sieben?) mit Übergewichtsgebühr drohte, schleppten sich die Fluggäste einer der größten US-Gesellschaften mit einer großvolumigen „Handtasche“, einem Rollkoffer mit 60 mal 25 mal 30 Zentimetern und Plastiktüten der größeren Kaufhaus- und Edelmarken ab. Was zur Folge hatte, dass die Gepäckablagen über den Sitzen mehrmals umgeräumt werden mussten, bis alles verstaut war. Als Economy-Fahrgast muss man jetzt übrigens die Klappen selber schließen.

Als wir Platz genommen hatten, kam aus dem Lautsprecher die Ansage, dass es noch einiger Wartungsarbeiten bedürfe, bis wir starten konnten. Eine zeitliche Perspektive nannte der Flugkapitän zunächst nicht. Das kennen wir doch schon, dachten wir und waren froh, einen Direktflug genommen zu haben, um nicht acht Stunden lang die bange Frage unbeantwortet lassen zu müssen, ob wir unseren Anschlussflug kriegen. Frustriert waren wir trotzdem, als wenig später eine weitere Ansage kam, es handele sich um ein Teil des Wetterradars, das jetzt erst einmal herbeigeschafft werden und dann etwa eine Stunde lang „for your safety“ eingebaut werden musste, bevor ans Abheben zu denken war.

Ausgeklügelte Logistik?

Normalerweise führen Airlines den Luftfahrtjournalisten gerne ihre ausgeklügelte Maintenance- und Spare-parts-Logistik vor und betonen dabei, dass alles wahnsinnig schnell geht. Und sie weisen stolz darauf hin, dass das Internet der Dinge in der Lage ist, einen bevorstehenden Defekt schon zu erkennen, bevor er sich auswirkt, damit bei der nächsten Landung die Mechaniker mit dem Ersatzteil bereitstehen, damit sie es ohne Zeitverzug während der Be- und Entladezeremonie montieren können. In TXL kann man ja noch verstehen, dass alles ein wenig länger dauert. Schließlich ist es Berlin, und bei einem Flieger pro Tag muss United kein großes Ersatzteillager für so ein exotisches Flugzeug wie eine Boeing 767-300ER vorhalten. Aber in Amerika, auf einem großen United-Hub?

Nach einer weiteren halben Stunde wussten wir, warum es „Wartung“ heißt. Den Passagieren wurden 0,1 Liter Mineralwasser gereicht. Um das Warten zu einem Erlebnis für alle Sinne zu machen, erlaubte der Kabinenchef den Fluggästen, die es wollten, das Flugzeug zu verlassen, aber nur unter Mitnahme ihres Handgepäcks. Es dauere etwa noch eine Stunde, bis wir losfliegen könnten, lautete die Durchsage. Einige Mitreisende machten sich tatsächlich wieder ins Terminal auf. Ob sie alle wieder rechtzeitig zurückkamen, konnten wir nicht kontrollieren. Aber manche von ihnen hatten sich draußen eine Pizza gegönnt, sie aber nicht aufgegessen und sich den Rest in der Pappschachtel mitgeben lassen, deren Duft nach ihrer Rückkehr den hinteren Teil des Flugzeuges erfüllte.

Der ersehnte Ruck

Nach etwa zweieinhalb Stunden ging endlich der ersehnte Ruck durch die Boeing, und das Rollen begann. Für etwa 300 Meter. Dann stand der Flieger auf der Rollbahn. Nein, er wartete nicht in der Schlange vor der Startbahn, wie man das etwa von FRA, LAX, LHR oder JFK kennt. „Es ist eine Warnlampe im Cockpit angegangen“, erklärte die Lautsprecherin.

Wahrscheinlich warnte sie vor einer bevorstehenden Fluggastrevolte. Der Kapitän warnte erst einmal davor, die Sitzgurte zu lockern oder gar sich vom Platz zu erheben. Recht hatte er. Nach schier endlosen zehn Minuten ging es dann los. Zu meckern bliebe noch, dass die Klimaanlage zu kalt war, dass man inzwischen die individuellen Leselampen nicht mehr anschalten kann und sich somit in den Nicht-Schlaf-Zeiten mit dem Bordunterhaltungsprogramm beschäftigen muss.

Aber dank günstiger Winde holte der Flieger eine halbe Stunde wieder rein, was für einige Anschlussflüge trotzdem nicht reichte. Als uns der Berliner Taxifahrer vollzuquatschen begann und uns ein „schönes Neues“ wünschte, nickten wir einander zu und sagten: „Nächstes Mal nehmen wir das Schiff.“ Abends guckten wir die Abendschau im Fernsehen. Da gab es ein Feature über die ausländischen Touristen, die in Berlin das Neue Jahr begrüßen. Und wen sahen wir da? Unsere Crew im Hotel. Die Damen hatten immer noch die silbernen Diademe im Haar.

Manhattan im Sonnenuntergang. Die -12° C sieht man glücklicherweise nicht. © Foto: Rietig