Bahn führt Regional-Fernverkehr im Takt ein – Homburg: „Größte Kundenoffensive in der Geschichte des DB Fernverkehrs“
Berlin, 18. März (ssl) Mehr schnelle Züge verbinden im Takt mehr Städte als bisher, Platzreservierung kostenlos, mehr Fahrten in ICE-Qualität, Tickets ab 19 Euro – die Deutsche Bahn hat sich mit einem neuen Fernverkehrskonzept von mehreren Prinzipien verabschiedet, die sie noch bis vor kurzem vehement verteidigt hat. Das Konzept soll flächendeckend schrittweise bis 2030 umgesetzt werden und fast alle deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern im Zwei-Stunden-Takt erfassen.
„Was so ein paar Fernbusse doch ausmachen“, sagte ein Bahnkunde nach der Vorstellung des Konzepts. Die DB muss seit einiger Zeit Fahrgastverluste durch die deutlich billigeren Fernbusse hinnehmen. Ihr wird neben der Preisdifferenz „der Abschied aus der Fläche“ vorgeworfen und mangelnde Rücksicht auf Kundenbedürfnisse.
Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg und sein Sprecher Jürgen Kornmann erweckten bei der Pressekonferenz während der DB-AG-Aufsichtsratssitzung überzeugend den Eindruck guter Laune, weil sie endlich einmal etwas verkünden konnten, womit sie vielen Kunden eine Freude machten. “Die Chance, so etwas zu präsentieren, hat man vielleicht nur einmal im Leben“, meinte Homburg sogar. Auch wenn niemand (nicht einmal die Fragesteller der Pressekonferenz) das Wort „Interregio“ in den Mund nahm – praktisch läuft das neue zusätzliche Fernverkehrskonzept darauf hinaus. Das Netz mit diesem Namen „unterhalb“ des damaligen Intercity-Kernnetzes war 1988 eingeführt und nach der Neuordnung der Nahverkehrsfinanzierung schrittweise von Regional- und anderen Nahverkehrszügen abgelöst worden. Damit fielen umsteigefreie Verbindungen über Ländergrenzen hinweg unterhalb des ICE/IC-Niveaus seit 2006 praktisch weg.
Jetzt wird das Fernverkehrsangebot schrittweise um 25 Prozent ausgebaut. Fünf Millionen Menschen werden laut Homburg neu an den Fernverkehr angeschlossen, 50 Millionen Kunden sollen pro Jahr dazukommen. Neben das bestehende „Kernnetz“, das mit ICE-Zügen bedient wird und ebenfalls verdichtet werden soll, tritt das erweiterte Flächennetz, in dem Intercity-Züge praktisch auf demselben Komfortniveau fahren, nur ohne kostenloses WLAN und ohne Speisewagen, aber im Zwei-Stunden-Takt. „Wir können es ‚Deutschland im Takt‘ nennen“, sagte Homburg. Damit erfüllt die DB AG eine jahrelange Forderung der Bahnkundenverbände.
Homburg plädierte auch für mehr umsteigefreie Verbindungen: „Wo ein durchgehender Zug neben einer Verbindung mit Umsteigen fährt, hat er doppelt so viele Fahrgäste.“ Bislang hatte die Bahn stets bestritten, dass Umsteigezwang potenzielle Kunden abhält, und der Schnelligkeit der Züge den Vorrang eingeräumt.
Und noch einen Grundsatz räumte die Bahn ab: Die Platzreservierung ist ab sofort kostenlos beziehungsweise im Preis inbegriffen. Zurzeit kostet sie in der zweiten Klasse 4,50 Euro extra. Die Bahn hat bis jetzt die Gebühr weniger mit zusätzlichen Einnahmen als vielmehr damit gerechtfertigt, sie wollw verhindern, dass Geschäftskunden sich ein Normalpreisticket holen und dann in mehreren nacheinander verkehrenden Zügen Plätze reservieren, um sicherzustellen, dass sie auch einen Platz sicher haben, wenn sie einen Zug früher oder später als geplant nehmen.
Schrittweise wird das Konzept unter anderem deshalb eingeführt, weil neue Züge nicht alle auf einmal zur Verfügung stehen. In neue Fahrzeuge sollen in dieser Zeit 12 Milliarden Euro investiert werden. Homburg sagte nichts zu den Kosten des Systems. Er betonte, die Bahn betreibe den Fernverkehr eigenwirtschaftlich, und er wolle keinen Euro aus den Regionalisierungsmitteln, weil die Bahn selbst entscheiden wolle, wo sie fahre und welche Ausstattung die Züge haben sollten. Das hindere aber niemanden daran, einzelne Fernverkehrszüge für die Benutzung mit den in der Gegend geltenden Verbundtickets freizugeben und der Bahn dafür eine Ausgleichszahlung zu leisten. Nach einem derartigen Modell sind einzelne Fernzüge zwischen Oldenburg und Bremen für Verbundticketbesitzer freigegeben. Er antwortete auf die Frage, wieso er zuversichtlich sei, dass sich das Konzept rechne, dass die neuen Züge durchweg günstiger zu betreiben seien als die überalterten und empfindlichen IC-Züge.
Auch weil verschiedene Strecken noch gar nicht fertig sind, wird das Netz nicht sofort vollständig sein. Dazu gehört zum Beispiel die Neubaustrecke München-Berlin, die aber vor der Vollendung steht. Sie wird ab 2018 befahren und sorgt dann für den größten Zeitgewinn: Die schnellsten Sprinter sollen es in 3:55 Stunden schaffen. Eine Taktverbindung nach Kopenhagen wird es erst geben, wenn die feste Fehmarnbeltquerung betriebsbereit ist, was nach derzeitigen Plänen nicht vor 2021 der Fall sein wird. Eine Einbindung der Strecke Regensburg-Hof-Dresden ist erst möglich, wenn sie elektrifiziert wird. Da appellierte Homburg an die Politik – die Finanzierung liegt beim Bund -, wenn die Bahn ein Passagierpotenzial ermittele, sollte der Bund sie auch für den Betrieb mit dem neuen ICx ertüchtigen. Dieser Strecke wird übrigens auch im Güterverkehr ein hohes Potenzial zur Entlastung der bestehenden Nord-Süd-Hauptabfuhrrouten beigemessen.
Der Einstiegspreis in den Fernverkehr wird überdies auf 19 Euro herabgesetzt. Dafür gibt es aber nur Tickets in den IC-Verbindungen, und wie bei den ICE-Fahrten ab 29 Euro auch nur, wenn die Züge nicht ausgelastet sind. Im Herbst will die Bahn darüber hinaus die Drei-Monats-Bahncard einführen. Zum Preis sagte Homburg vorerst nur, dass er über einem Viertel der Ganzjahres-Bahncard liegen wird.