Spielzeug – Kulturgut und Wertanlage

 

Ein Freund hat ein old-fashioned start-up gegründet: Roland Gaugele versteigert altes Spielzeug. Bis der traditionsreiche Spielzeughersteller Märklin insolvent wurde, war er Pressesprecher des Göppinger Unternehmens. Jetzt ist er mit einem Partner Teilhaber eines Auktionshauses für altes Spielzeug – unter anderem von Märklin -, aber nicht für das aktuelle, sondern für Spielzeug aus der Vorkriegszeit. Es darf auch gerne die Zeit vor dem ersten Weltkrieg sein. Die letzte Versteigerung war am 25. Januar, die nächste ist auf den 15./16. August angesetzt. Ein Teil des Kataloges ist schon online: http://www.auktion-hohenstaufen.de/

Nachstehend beschreibt er seine Philosophie in einem Gastbeitrag für Schiene Straße Luft. Hat ja indirekt auch was mit Schienen-, Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr zu tun.

Von Roland Gaugele

Spielen ist mehr als ein menschliches Bedürfnis. Der Mensch entwickelt in den ersten Lebensjahren spielend seine Fähigkeiten. Im Spiel erfährt er zunächst die Notwendigkeiten des Lebens und findet später Abwechslung, Entspannung und Raum für Kreativität. Friedrich Schiller hat den Stellenwert des Spiels im Leben erkannt. Er schreibt in seinen „Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen“: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Die Spielzeughersteller haben das von Anfang an in ihren Produkten umgesetzt – wahr­schein­li­ch meist ohne das Dichterwort zu kennen. Dinge, die für das tägliche Miteinander, für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und für die Sicherheit wichtig waren, lieferten die Motive für Spielen und Spielzeug. Sie bestimmten die Rollen, die Kinder später als Erwachsene ausfüllen sollten.

Der Märklin-Südbahnhof.
Der Märklin-Südbahnhof. © für alle Bilder: Auktionshaus Hohenstaufen

Technisches Spielzeug

Insbesondere technisches Spielzeug vermittelte handwerkliches Geschick, zeigte und förderte berufliche Neigungen und brachte Kindern den technischen Fortschritt nahe. Die verwendeten Materialien folgten der technischen Entwicklung. Ein Meilenstein in der Entwicklung des Spielzeugs war die zunehmende Hinwendung zu Blech. Dieser Werkstoff ermöglichte bei reduziertem Gewicht stabile Formen, deren Materialeinsatz in kalkulierbaren Größenordnungen gehalten werden konnte. Die anfänglich ausschließlich handwerklich geprägte Herstellung ging über die Manufaktur in die industrielle Produktion mit immer größeren Stückzahlen über.

Ein Herd für die Puppenstube.
Ein Herd für die Puppenstube.

Diese Übergangszeit von der Manufaktur zur Industrie war die kreativste Zeit der Spielzeuggeschichte. Sie brachte Erzeugnisse von kulturhistorischem Wert hervor. Die innovativsten süddeutschen Firmen setzten sich schnell an die Spitze des Marktes, und Deutschland wurde zum Spielzeug-Lieferanten für die ganze Welt. Klangvolle Namen prägten die Szene und stehen bis heute für Qualität, Ästhetik und Wertbeständigkeit: Märklin, Bing, Rock & Graner, Schoenner, Plank, Lehmann, um nur einige zu nennen.

Mehr als nur Blech

Nur wenige dieser Firmen sind noch am Markt. Aber ihre Produkte bleiben Zeugen der Spielzeugkultur des Übergangs vom 19. ins 20. Jahrhundert. Sie wurden zu Denkmalen der technischen Entwicklung. Viele spiegeln, ähnlich wie Skulpturen oder Gemälde, das ästhetische Umfeld ihrer Zeit perfekt wider.

Aus dieser Perspektive wurde das Spielzeug aber nicht von Anfang an betrachtet, obwohl Firmenprospekte schon damals mit dem ihrer Ansicht nach nahezu künstlerischen Wert ihrer Produkte warben. Gesammelt wurde das Spielzeug zunächst allenfalls wegen seines Erinnerungswerts und um es an folgende Generationen zur weiteren „Bespielung“ weiterzugeben.

Dann aber ging viel Spielzeug mit hohem emotionalen Wert für seine Besitzer im Krieg verloren. Dadurch wurden sie nicht nur selten, es entstand auch der Wunsch, sich für die verlorenen Stücke Ersatz zu beschaffen. Langsam entstand eine Sammlerszene. Sie blieb zunächst in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, und das Spielzeug wechselte zu moderaten Preisen die Besitzer. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts jedoch begann es sich zur Wertanlage zu entwickeln und zu etablieren. Ein deutsches Nachrichtenmagazin titelte: „Märklin ist Gold, alles andere ist Blech …“ und löste ein Interesse aus, das die ganze Welt erfasste.

Eine Form der Geldanlage

Der Boom ist bis heute ungebrochen, und nicht zu Unrecht setzten einschlägige Anlegermagazine Blechspielzeug in direkten Vergleich zu traditionellen Geldanlageformen. Auch Museen schmücken sich mit erlesenem „Blech“. Das Württembergische Landes­museum in Stuttgart nennt eine ansehnliche Sammlung sein Eigen, das Historische Museum der Pfalz in Speyer widmete Märklin zu Anfang des Jahrhunderts eine Sonderausstellung, das Spielzeugmuseum Nürnberg deckt das gesamte Thema ab, das Technorama Winterthur zeigt herausragende Exponate der einst größten Privatsammlung der Welt, und das Deutsche Historische Museum in Berlin besitzt Objekte aus vier Jahrhunderten.

Wichtige kulturelle Institutionen veranstalteten viel beachtete Sonderausstellungen mit Exponaten aus früherer Märklin-Produktion und präsentierten Millionenwerte, darunter die Kunsthalle Tübingen, das ARP Museum Bahnhof Rolandseck Remagen, das Vienna Art Center Wien. Als 2010 das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas war, wurde eine Auswahl der schönsten Stücke der aktuell größten Märklin-Sammlung der Welt gezeigt.

Viele sammeln im Geheimen

Nur wenige Sammler bekennen sich öffentlich zu ihrer Leidenschaft. Seit einem spektakulären Einbruch in das Märklin-Museum 2005 ist den Sammlern klar, dass nicht nur wertvolle Gemälde Diebesbeute werden können, sondern auch historisches Spielzeug. Entsprechend halten sie sich mit Auftritten bei öffentlichen Veranstaltungen zurück. Bei Auktionen wird aus der Ferne geboten, oder es werden in der Szene unbekannte „Makler“ vorgeschickt. Inhaber und künftiger Standort der Schätze bleiben so der Öffentlichkeit verborgen.

Wer Auktionen von historischem Spielzeug verfolgt, kann diese Vorsichtsmaßnahme nachvollziehen: Schiffe der „Kaiser Wilhelm II“-Reihe, die 115 cm lang sind, erreichen bei guter Erhaltung Summen von 500.000 Euro. Die „Märklin Fabrik“, eine Werkhalle mit Maschinenraum und Dampfzentrale, deren Betriebsmodelle mit Hilfe einer Transmission allesamt in Bewegung versetzt werden können, erreicht sogar den Wert von einer Million Euro.

Eine Feuerwehrhalle für eine Viertelmillion

Dabei ist es nicht allein die geringe Stückzahl, die Höchstwerte bringt. Faktoren wie die Geschichte des Modells, seine Bekanntheit und ästhetisch-technische Finessen begründen Werte. Die Gebirgslokomotive „Krokodil“ war in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die modernste Lok der Schweiz. Märklin bot sie als Spielzeug in zwei Größen an: In Spur I (Maßstab 1:32) entstanden nur wenige hundert Stück; in Spur 0 (Maßstab 1:45) war die Auflage deutlich höher. Während die Spur I-Version mehr als 50.000 Euro erreicht, werden für die Spur 0-Ausführung immerhin über 25.000 Euro bezahlt.

Die "Hammermaschine".
Die „Hammermaschine“.

Als glücklicher Finder fühlte sich ein Mann, der auf seinem Dachboden eine Märklin-Feuerwehrhalle mit Zubehör entdeckte und sie für 10.000 Euro verkaufen konnte. Der Käufer aber war noch glücklicher, denn er erzielte bald darauf bei einer Auktion 260.000 Euro für das schöne Stück.

Neben der Eisenbahn und Schiffen waren Dampfmaschinen Klassiker der Spielzeug-Gründerzeit. Diese Meisterwerke der Feinmechanik funktionierten nur dann zuverlässig, wenn sie auf präzisen Maschinen, bedient von erfahrenen Facharbeitern, hergestellt wurden. Das hatte seinen Preis und bewirkte, dass die großen Dampfmaschinen damals preislich gut 20 Prozent über dem Niveau der großen Schiffe lagen. Heute ist die Nachfrage nach großen Schiffen stärker gestiegen. Die Rangfolge hat sich verändert. Schiffe liegen jetzt ein Mehrfaches über dem Wert von Dampfmaschinen.

Die "Resolution" - länger als ein Meter.
Die „Resolution“ – länger als ein Meter.

Die „Resolution“ war das erste Märklin-Schiff, mit dem sich der Göppinger Hersteller erstmals in Größenordnungen von mehr als einem Meter Rumpflänge vorwagte. Der ambitionierte Aufrufpreis in Höhe von 70.000 Euro wurde durch den Zuschlag bei 86.000 Euro mehr als gerechtfertigt.

Noch nie, so die Aussage eines Bieters, der nicht zum Zuge kam, wurde ein Blechbahnhof zu 66.000 Euro versteigert. Hier setzte das Göppinger Auktionshaus Hohenstaufen mit dem Südbahnhof von Märklin Maßstäbe. In einem telefonischen Bieterwettstreit zwischen Europa und Amerika wurde der ursprünglich angesetzte Preis von 24.000 Euro fast verdreifacht.

Eine Kutsche aus Märklin-Familienbesitz wurde jüngst im Auktionshaus Hohenstaufen in Göppingen zu einem Preis von 5.000 Euro aufgerufen. Bei 15.500 Euro erfolgte schließlich der Zuschlag. Der gute Zustand und die Geschichte des Stücks ließen den für diese Spielzeugkategorie außergewöhnlich hohen Preis entstehen.

Restaurierung steigert den Wert nicht

Wie bei Gemälden geht die Zeit, die sich unweigerlich durch Alterungsspuren bemerkbar macht, auch an historischem Blechspielzeug nicht spurlos vorüber. Wobei es, seinem Zweck entsprechend, eine andere „Behandlung“ erfuhr als gemalte Kunstwerke. Während bei Werken alter Meister nötige Restaurierungen als notwendig und eher werterhaltend akzeptiert werden, gilt das bei historischem Blech noch nicht im ganzen Umfang.

Objekte im Ursprungszustand werden bevorzugt. Bei sichtbar restaurierten Artikeln sinkt der Wert, je deutlicher die Schönheitskur erkennbar ist. Darüber hinaus schlägt sogar noch der Zustand der Originalverpackung zu Buche. Grundsätzlich gilt: fachmännische Restau­rierungen schließen den Nachbau formgebender Basisteile aus.

Die pflegliche Behandlung alten Spielzeugs durch frühere Generationen hat diese Besonderheit in der Wertbetrachtung entstehen lassen. „Feines Blechspielzeug“ war kein Wegwerfartikel, sondern eine Familieninvestition, die gut erhalten an die nächste Generation weitergegeben werden sollte. Das gemeinsame Spiel von Eltern und Kindern entsprang nicht in erster Linie pädagogischen Überlegungen und der Sorge um die Kindersicherheit, sondern die Sorge galt der weitgehenden Unversehrtheit des Spielzeugs. Dadurch finden sich immer wieder sehr gut erhaltene Exponate, die natürlich den Werte-Index anführen.

So ist historisches Spielzeug ein aufstrebendes Sammelgebiet, das die Vorteile einer wertstabilen Geldanlage mit denen emotionaler Freude am Objekt wie kaum ein anderes Investment miteinander verbindet.

Auktionshaus Hohenstaufen – Drehscheibe für Sammler und Händler

Unser Auktionshaus Hohenstaufen in Göppingen ist Drehscheibe für Verkäufer und Käufer, ist Ansprechpartner für Sammler und Händler.

Dank eines internationalen Kundenstamms bieten wir Sammlern und Händlern alter Spielsachen die Plattform, Objekte zu marktgerechten Preisen zu veräußern oder zu erwerben. Mit dem neuen Auftritt in Marketing und Werbung eröffnen wir unserem Publikum Chancen zur Weiterentwicklung bestehender und zur Erschließung neuer Märkte.

Wir suchen immer Spielsachen bis 1945. Die zur Versteigerung kommenden Artikel präsentieren wir in Buchform, veröffentlichen sie aber auch im Internet.

Wir – das sind die Verantwortlichen Hans Georg Grupp, vereidigter Sachverständiger für Blechspielzeug und Eisenbahnen, und Roland Gaugele, Auktionator und bis zum Jahr 2009 30 Jahre lang für Märklin tätig.

Sitz unseres Auktionshauses Hohenstaufen ist am Rosenplatz 11 in D-73033 Göppingen, der Stadt, deren lange Spielzeugtradition Impulsgeber für die weltumspannende Sammelbe­wegung historischen Blechspielzeugs ist.