Bahn stellt neue Zuggeneration und Service-Offensive vor
Berlin, 25. September (ssl) Die Deutsche Bahn macht ernst mit ihrer Service-Offensive. Neue Züge, mehr Verbindungen und zusätzlicher Service sollen in den nächsten Jahren mehr Fahrgäste in die Fernverkehrszüge locken.
Nicht alle Maßnahmen, die Bahnchef Rüdiger Grube, Personenverkehrsvorstand Berthold Huber und Fernverkehrs-Chefin Birgit Bohle vor einigen Tagen in Berlin und Potsdam vorstellten, sind als Reflex auf den neuen Konkurrenten Fernbus zu verstehen (aber manche schon). So wurden die Doppelstock-Fahrzeuge des neuen Intercity 2 schon vor einigen Jahren bestellt, ebenso wie die nächste Generation des Intercity Express, die bisher unter dem Arbeitstitel ICx läuft, aber künftig ICE 4 heißen soll.
Ganz zu schweigen von der bislang letzten großen Hochgeschwindigkeitsstrecke, dem Projekt Deutsche Einheit 8.1 und 8.2. Das ist die Schnellstrecke durch den Thüringer Wald, die nun nach zweieinhalb Jahrzehnten seit dem Baubeschluss ihrer Vollendung entgegengeht. Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2015 wird der Abschnitt Erfurt – Leipzig/Halle dem Verkehr übergeben – übrigens von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich -, und 2017 ist dann die gesamte Strecke fertig, sodass die schnellsten Züge die Strecke Berlin-München in weniger als vier Stunden hinter sich bringen werden.
Zunächst aber sollen die ersten neuen Doppelstock-Intercity-Züge ab Mitte Dezember zwischen Leipzig und Norddeich fahrplanmäßig verkehren. Das kündigte die neue Vorstandschefin der DB Fernverkehr AG, Birgit Bohle, bei der ersten offiziellen Vorstellung des Zuges in Potsdam an. Im Gegensatz zu den heutigen DB-Intercity-Garnituren, die für Tempo 200 zugelassen sind, fahren sie vorerst aber mit maximal 160 km/h Höchstgeschwindigkeit. In Potsdam wurden sie mit einer Baureihe 146 gezeigt. Sie fährt ebenfalls nur maximal 160 km/h.
Beginnen soll es mit 27 IC 2-Zügen. 2016 sollen alle 120 Stück schrittweise die bisherigen Intercity-Züge mit ihrem Jahrzehnte altem Wagenmaterial ablösen. Ein Zug mit fünf Wagen bietet 465 Sitzplätze. Neu sind unter anderem mehr Gepäckstauraum und Familienabteile.
Erste Sitzproben ergaben, dass der Doppelstockwagen innen durchaus mit einem ICE vergleichbaren Sitzkomfort bietet. Die Möblierung hat nichts mit der in den Regional-Express-Waggons zu tun, sondern hebt sich deutlich positiv davon ab. Insbesondere gilt das für den Sitzabstand sowohl bei in Reihe als auch gegenüberliegend angeordneten Plätzen. Und eine Reise von Dresden nach Köln bei schönem Wetter durch die deutschen Mittelgebirge im ersten Stock hat ja auch einen erheblichen Sightseeing-Wert, den man so bis jetzt jedenfalls in Deutschland noch nicht erleben durfte.
Die Züge sind Teil der Fernverkehrs-Offensive, mit dem der Staatskonzern bis 2030 50 Millionen zusätzliche Reisende gewinnen will, wie Bahnchef Rüdiger Grube erklärte. Dazu gehört das erweiterte Sprinter-Angebot, das mit vier zusätzlichen Zugpaaren zwischen Frankfurt und Berlin über die Hochgeschwindigkeits-Teilstrecke Erfurt und Halle beginnt. Die anderen fahren über die Schnellstrecken Fulda-Hannover und Berlin-Hannover. In allen Sprintern entfallen künftig Aufpreis und Reservierungspflicht.
Bereits jetzt startet die Bahn eine umfangreiche Erweiterung ihres Service-Angebots. So sollen auch im ICE Familienbereiche im Großraum eingeführt werden. Jeder ICE erhält sein eigenes Online-Portal, in dem der Zuglauf, Anschlüsse und weitere Informationen abrufbar sind. Die Bahn sendet bei Verspätungen, wenn nötig, die Freischaltung des zuggebundenen Tickets gleich aufs Handy. Es kann im Zug mit Smartphones oder Tablets empfangen werden. Für Fahrgäste, die nicht so online-affin sind, wird der persönliche Reiseplan ausgedruckt, versehen mit einem QR-Code. Dank dieses Codes kann der Zugbegleiter den Reiseplan einlesen und, falls nötig, um Verspätungen oder Änderungen bei den Anschlüssen.
Wer künftig eine Bahncard ordert, erhält sie nicht nur als Plastikkarte, sondern auch virtuell auf das Handy. Wer schon eine hat, kann sie sich ab sofort im Navigator auf das Smartphone laden. Dennoch riskiert er allerdings, im Zug nach einem zusätzlichen Identifikationsdokument gefragt zu werden.
Die Zubuchung von Call-a-Bike-Fahrrädern oder Flinkster-Autos (ein Elektroauto für 29 Euro am Tag) wird ebenfalls einfacher. Dazu kommen zahlreiche Service-Versuche, die noch in der Erprobung sind: In Rheinland-Pfalz wird mit der Möglichkeit experimentiert, einen Sitzplatz für ein Jahr buchen zu können, also für die Dauer des Abos. Das erinnert ein bisschen an die goldenen Schildchen in historischen Kirchenbänken, wo die örtlichen Promis „ihren“ Platz in der Kirche mit einer Spende erkaufen konnten. Im Regionalexpress funktioniert es so, dass der Pendler immer, wenn er in den Zug kommt, auf „seinem“ Platz bestehen darf, weil daran eine Anzeige etwa im Sinn von „ggf. reserviert“ steht, wie man sie heute schon kennt.
Ab 2017 sollen dann die neuen ICx-Züge als Ersatz und Ergänzung der ICE-Flotte kommen. Sie sollen ICE 4 heißen, verriet Grube. Insgesamt hat die DB 130 Stück bestellt. Auch bei ihnen ist Schluss mit der Jagd nach Geschwindigkeits-Rekorden: Maximaltempo 249 km/h. Die offizielle Begründung dafür lautet, dass es bei der polyzentrischen Struktur Deutschlands auf die paar Stundenkilometer nicht ankomme. Dazu kommt aber, dass ab 250 km/h schärfere, also teurere Zulassungsbestimmungen greifen. Und dann muss die Frage erlaubt sein, wieso denn seit mehr als 30 Jahren Hochgeschwindigkeitszüge und -strecken mit massiven Investitionen auf 320 km/h ausgelegt wurden. Egal – die neuen sollen schließlich mit den meisten der 255 jetzt schon verkehrenden ICEs und den IC 2-Zügen für ein Angebot im Fernverkehr von 162 Millionen Zugkilometern sorgen. Zurzeit sind es 130 Millionen, 2000 waren es schon einmal 153, wie Grube erklärte.
Die offiziellen Informationen dazu: http://www.deutschebahn.com/de/konzern/im_blickpunkt/10112620/20150923_mobilitaet_erleben.html