Die Pkw-Maut und die Lebensrealität

Bundeskabinett beschloss Gesetze zu Infrastrukturabgabe und Änderung der Kfz-Steuer 

Kleine zahlen weniger, große zahlen Mehr Maut - egal wie viele Kilometer sie fahren.
Kleine zahlen weniger, große zahlen Mehr Maut – egal wie viele Kilometer sie fahren.

Berlin, 17. Dezember (ssl) Das Wort „Ausländermaut“ wollte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt partout nicht mehr in den Mund nehmen, als er am Mittwoch (17. Dezember) in Berlin den Kabinettsbeschluss des Gesetzes zur Einführung der „Infrastrukturabgabe“ vorstellte. Die Minister der Großen Koalition haben ihm jetzt zugestimmt, zusammen mit einer Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, mit der eine Entlastung der deutschen Autofahrer in Höhe der Maut sichergestellt werden soll. Die Verabschiedung durch den Bundestag steht ihm noch bevor. Auch ist möglich, dass es vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten wird. Und es bleiben noch einige inhaltliche Fragen und Ungereimtheiten.

Eine davon ist, wann es in Kraft tritt. „In 2016“ soll die Infrastrukturabgabe finanzwirksam werden. Der Minister hofft, dass es Anfang 2016 wird. Aber er habe da erst einmal keinen Einfluss mehr darauf, sagte er. Das parlamentarische Verfahren könnte sich hinziehen, es muss noch ein Kontrollsystem ausgeschrieben, vergeben und implementiert werden, auch wenn die Fahrer von Autos mit deutschem Kennzeichen nach den bisherigen Plänen automatisch zur Kasse gebeten werden sollen, sodass das Kennzeichen quasi der Mautausweis ist.

Die Spanne reicht je nach Hubraum und Umwelteigenschaften, von etwa 24 Euro für sparsame bis 130 Euro jährlich für große Autos unter 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Sie gilt bei Benutzung von Bundesfernstraßen, also Autobahnen und Bundesstraßen. Dass jemand mit einem Auto nur kommunale Straßen benutzt, etwa zum Einkaufen im benachbarten Dorf, ist für Dobrindt „abwegig, fern der Lebensrealität“. Wenn doch, müsse er es nachweisen, etwa mit einem Fahrtenbuch. Dann könne er sich die Maut zurückerstatten lassen. Das sei aber als Härtefallregelung geplant, und es gebe sogar ein Gutachten, aus dem hervorgeht, dass dieser Fall weniger als ein Prozent der Autohalter betreffe.

Wer diskriminiert wen?

Ob Fahrer ausländischer Autos diskriminiert werden, weil sie keinen Nachlass bei der Kfz-Steuer bekommen, könnte der Europäische Gerichtshof klären. Dobrindt stellte aber klar, dass diese Personengruppe nur auf Autobahnen, also nicht auf Bundesstraßen mautpflichtig ist. Daraufhin kam die Frage auf, ob der deutsche Autofahrer möglicherweise diskriminiert wurde, weil er auch auf Bundesstraßen Maut zahlen muss. Dobrindt meinte dazu, aus der Freistellung für einzelne Gruppen – neben dieser Ausnahme für Ausländer gibt es auch vollkommene Mautfreiheit für Elektrofahrzeuge, für Halter mit Behinderten und für Autos, die in besonderem öffentlichen Interesse unterwegs sind, also etwa Krankenwagen – könne nicht automatisch auf eine Diskriminierung der anderen geschlossen werden.

Mit der Ausweitung der kilometerabhängigen Lkw-Maut, die stufenweise im kommenden Jahr in Kraft tritt und dann auch für Lkw ab 7,5 Tonnen gilt (bisher ab 12 Tonnen), verringert sich die Gruppe der Fahrzeuge, die völlig mautbefreit sind, auf die Gewichtsklasse 3,5 bis 7,5 Tonnen. Im Gesetz zur Lkw-Maut stehe ein Prüfauftrag an sein Ministerium, wann und wie diese Lücke geschlossen werden solle, sagte der Minister. Aber „dazu haben wir noch keine Vorstellung entwickelt und noch keine Arbeit aufgenommen.“ Ob sich dann mehr Leute einen Sprinter kaufen?Auch richtig schwere SUVs sind nicht weit von der Mautbefreiung entfernt. Ein Porsche Cayenne darf bis zu 2.895 kg wiegen.

Für Dobrindt bedeutet die Einführung der Infrastrukturabgabe einen „Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung“. Allerdings wird bei der Erhebung der Pkw-Maut nicht nach der Intensität der Nutzung differenziert, anders als etwa bei der Lkw-Maut, die nicht nur kilometer-, sondern auch achsenabhängig erhoben wird. Wer einmal im Jahr Autobahn fährt, zahlt genau so viel, wie der Vielfahrer mit 50.000 Autobahnkilometern jährlich. Dobrindt sagte, es gebe keine Pläne, die Entfernungsabhängigkeit bei der Pkw-Maut einzuführen.

Ob es wirklich nur eine „Ausländermaut“ ist, wird die Zukunft erweisen. Dobrindt schloss zwar aus, dass in der nächsten Zeit die Maut steigt, der Steuernachlass aber nicht – aber wer weiß schon, was seine Nachfolger beschließen? Das Wort jedenfalls ist in beiden Schreibweisen auch nicht mehr auf der CSU-Homepage zu finden. Aber ein Wort des damaligen CSU-Generalsekretärs Dobrindt vom August 2013:  „Bei der Forderung der CSU nach einer Pkw-Maut für Ausländer geht es um Gerechtigkeit. Alle anderen Parteien wollen die Gratis-Fahrten für Ausländer auf unseren Autobahnen weiter hinnehmen. Wir nicht.“ Ob das vor dem EuGH gegen die deutsche Pkw-Maut verwendet werden kann?