Fortschrittsbericht 2014: Leitanbieter ja; aber um Leitmarkt zu werden, bedarf es weiterer Förderung
Berlin, 02. Dezember (ssl) Um zum internationalen Vorreiter bei der Elektromobilität zu werden, muss der Staat den Autokauf fördern. Das geht aus dem am Dienstag (2. Dezember) in Berlin veröffentlichten Fortschrittsbericht 2014 der Nationalen Plattform Elektromobilität hervor. Der Bericht, den Wirtschaft, Wissenschaft. Politik und Verbände erarbeitet haben, wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ressortchefs von vier Ministerien (Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Forschung) im Kanzleramt überreicht. Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, regte eine Sonderabschreibung von 50 Prozent des Kaufpreises eines Elektromobils im ersten Jahr an, um die Anschaffung besonders in Firmenflotten zu beschleunigen.„Nur wenn zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, kann Deutschland nach heutigem Kenntnisstand das Eine-Million-Ziel erreichen“, lautet der entscheidende Satz im Bericht. Die Bundesregierung will bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen sehen. Deutschland soll bis dahin nicht nur Leitanbieter, sondern auch Leitmarkt für Elektromobilität werden. Per Definition sind Elektrofahrzeuge „alle Autos, die einen Stecker haben“, wie Wissmann sagte, also keine „mild hybrids“, deren Elektromotor lediglich durch den Verbrennungsmotor oder beim Bremsen aufgeladen wird.
Zurzeit fahren etwas mehr als 24.000 der „echten“ E-Autos in Deutschland. Damit liegt es bei wohlwollender Betrachtung im internationalen Mittelfeld. In den Niederlanden (17 Millionen Einwohner) ist die absolute Zahl der Fahrzeuge anderthalb mal so groß, in Norwegen mit fünf Millionen Einwohnern etwa gleich groß wie in der Bundesrepublik. In beiden Ländern gibt es aber auch massive Steuererleichterungen für den Kauf eines E-Autos.
Die deutsche Autoindustrie ist nach den Worten ihres Verbandspräsidenten bereits unter den beiden ersten Anbietern weltweit für E-Autos. Es gebe bereits 17 Modelle, 2015 folgten weitere zwölf. „Das Ziel ‚Leitanbieter‘ ist erreicht“, sagte Wissmann. Er räumte aber ein, dass es eine „uphill battle“ (Kampf den Berg hinauf) sei, auch Leitmarkt zu werden.
Der Fortschrittsbericht nannte fünf Maßnahmen, um das Leitmarkt-Ziel zu erreichen:
- Sonderabschreibung für gewerbliche Nutzer von 50 Prozent im ersten Jahr. Damit würde der gegenüber einem Verbrennungsmotor-Auto höhere Anschaffungspreis aufgefangen.
- Das Gesetzespaket zur Förderung der E-Mobilität zügig umsetzen. Es lässt den Kommunen freie Hand bei der Umsetzung von Erleichterungen für die Fahrer von E-Fahrzeugen, etwa die Benutzung von Busspuren oder kostenloses Parken.
- Public-Private-Partnership-Projekte zur Förderung öffentlicher Ladestationen, damit auch Menschen, „die ihr Auto nicht zuhause oder im Betrieb aufladen können“ (Wissmann), E-Autos erwerben.
- EU-Richtlinien für alternative Kraftstoffe umsetzen.
- Private und öffentliche Beschaffungsinitiativen umsetzen, indem etwa Kommunen oder öffentliche Betriebe vermehrt E-Fahrzeuge beschaffen.
Wissmann merkte auch an, dass die gefallenen Kraftstoffpreise derzeit zwar „den Autofahrer freuen“, aber seine Motivation zum Umstieg auf Elektromobilität nicht gerade förderten. Bei den Ladestationen verlangte er eine „standardisierte, leicht zugängliche und anbieterunabhängige“ Infrastruktur.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) versprach bei der Übergabe des Berichts, die Rechtsregelungen anzupassen, damit „der Ausbau der privaten und der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur zügig vorangeht“. Deutschland hat laut Bericht derzeit 4.800 Ladestellen an 2.400 Standorten, etwas mehr als Dänemark oder die Niederlande und 40 Prozent weniger als Frankreich. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellte ein „Grundversorgungsnetz mit Schnellladestationen“ in Aussicht. Der Bund werde an den Autobahnen 400 zusätzliche Ladesäulen errichten.
Autoindustrie will „Agenda 2030“
Die Elektroautos werden auch nach 2020 nur einen sehr kleinen Teil der etwa 40 Millionen in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge ausmachen. Wissmann, der den jährlich möglichen Absatz aller Neuwagen auf rund drei Millionen schätzte, forderte bei seiner Jahresabschlusskonferenz, dass die Politik mit einer „Agenda 2030“ die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Industrie „wieder stärker in den Mittelpunkt ihrer Arbeit“ stellt. „Das gilt für Deutschland und Europa.“ Energie- und Lohnstückkosten gingen wieder nach oben, klagte er und warnte indirekt davor, dass sich Hersteller und Zulieferer vermehrt nach Standorten im Ausland umsehen würden, wenn das so bleibe. Andererseits präsentierte er auch Statistiken, wonach zwar die Beschäftigtenzahl deutscher Hersteller im Ausland, aber eben auch im Inland gestiegen sei, und zwar in diesem Jahr um 23.400 Mitarbeiter auf Stammbelegschaften von 784.000 Mitarbeitern. Sie produzierten 2014 voraussichtlich 5,5 Millionen Autos, zwei Prozent mehr als 2013. Im kommenden Jahr wird die Steigerung laut Wissmann wieder zwei Prozent auf dann 5,65 Millionen Stück betragen. Damit bleibt die Inlandsproduktion der deutschen Konzerne sowohl bei der Steigerungsrate als auch in absoluten Zahlen weit hinter der Auslandsproduktion zurück: 2014 waren dies 9,2 Millionen (plus 6 Prozent), und 2015 sollen es weitere fünf Prozent Steigerung auf dann 9,6 Millionen Neuwagen werden.
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