Zu viele Vorhängeschlösser vor den WLANs

Nur 15.000 in Deutschland wirklich „frei“ zugänglich – Internetverband will völlige Haftungsfreistellung – Heutige Rechtslage „Rumgeeier“

Momentaufnahme aus Berlin: Viele WLANs, aber de facto gar keins völlig frei zugänglich. Foto: Rietig
Momentaufnahme aus Berlin: Viele WLANs, aber de facto gar keins völlig frei zugänglich. Foto: Rietig

Berlin, 4. November (ssl) Beim freien WLAN-Zugang bleibt Deutschland im internationalen Vergleich deutlich hinter anderen Industrieländern zurück. Das beklagte der Verband der deutschen Internetwirtschaft „eco“ am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie über die Verfügbarkeit von Hotspots. Danach gibt es hierzulande zwar mehr als eine Million öffentlicher Zugangspunkte für die Nutzer von WLAN-fähigen Endgeräten wie Smartphones, Tablets oder Notebooks, aber nur rund 15.000 davon sind wirklich frei zugänglich, also ohne Registrierung und kostenlos. Als Ursache für die bei den anderen eingesetzten Zugangs-Einschränkungen machte „eco“ Rechtsunsicherheit für Provider aus. Er forderte klare Gesetze, die die Provider von der zivilrechtlichen (Mit-)Haftung für eventuelle Rechtsverstöße der Nutzer freistellen.

Darüber hinaus regte der „eco“-Vorstand für Infrastruktur und Netze, Klaus Landefeld, auch an, auf die Erhebung von Gebühren für die WLAN-Nutzung durch die Provider zu verzichten. Der erzielbare Nutzen frei zugänglicher WLAN-Strukturen übersteige die Einnahmen durch kostenpflichtige Einwahl bei weitem, sagte er.

Laut der Studie sind derzeit in Deutschland rund 239 Millionen WLAN-fähige Endgeräte der Baujahre seit 2010 aktiv, also drei Stück pro Einwohner. Insgesamt gibt es der Studie zufolge hierzulande etwa eine Million öffentliche drahtlose Zugangspunkte zum Internet. Davon sind aber lediglich 15.100 wirklich „frei“, zitierte Landefeld aus der Studie. Die Nutzungsbeschränkungen der übrigen bewegen sich auf höchst unterschiedlichem Niveau. Es reicht vom WLAN im Café, wo an der Wandtafel Netzname und Zugangscode für jedermann einfach ablesbar sind, bis hin zur kostenpflichtigen Einwahl mit eindeutiger Identifizierung des jeweiligen Nutzers etwa über Ausweis- oder Kreditkartendaten.

Die Rechtsunsicherheit für die Betreiber besteht im wesentlichen in der „Störerhaftung“. Dabei kann bei eventuellen Rechtsverletzungen – etwa des Urheberrechts bei illegalen Downloads oder Bereitstellungen geschützter Werke – der WLAN-Betreiber für Unterlassungsansprüche dann in Mithaftung genommen werden, wenn er nicht sicherstellt, dass der Endnutzer eindeutig identifizierbar ist, damit der Rechte-Inhaber seine Forderung eintreiben kann. Tatsächlich reicht aber in der Regel die Absicherung durch ein Kennwort, und sei es auch noch so einfach zugänglich, um die Verpflichtung des Providers zu einer Unterlassungserklärung auszuschließen. Für Schadenersatzansprüche ist der Provider jetzt schon nicht haftbar zu machen, er genießt das sogenannte Haftungsprivileg.

Landefeld räumte ein, dass die De-facto-Situation ungeachtet der unsicheren Rechtslage jetzt bereits den weitgehend freien Zugang zum Internet via WLAN ermögliche. „So wie es heute ist, eist es ein Rumgeeier“, sagte er mit Blick auf die Rechtslage und lobte, dass die Bundesregierung immerhin angekündigt habe, „alsbald“ Rechtssicherheit zu schaffen.

Zurzeit verzichten zahlreiche Betreiber bereits auf die individuelle Identifizierung ihrer Nutzer. In weiten Teilen Berlins etwa ist uneingeschränkter Zugang bei Konferenzen, in gastronomischen Betrieben oder Hotels üblich, sei es mit oder ohne Zugangscode.  In anderen wiederum – siehe Foto – sind zwar reichlich WLANs vorhanden, aber wenige bis gar keine für Kurzzeitgäste kostenlos nutzbar.

Dennoch versuchen professionelle Abmahner, Entschädigungen oder Unterlassungserklärungen nach angeblichen oder tatsächlichen Urheberrechtsverletzungen über die Provider zu erreichen. „Im Ausland, selbst in den USA, ist dergleichen nicht drin“, sagte Landefeld. In Südkorea etwa kommen auf 10.000 Einwohner statistisch 37,35 freie Hotspots, in Großbritannien sind es 28,67 und in den USA 4,79. In der Bundesrepublik sind es lediglich 1,87.