2000 Meilen mit dem Ford Fusion Hybrid
Berlin, 04. Januar (ssl) „Sie haben die Wahl.“ Die nette Dame in der Mietwagen-Abholstation von Alamo zeigte auf eine unauffällige Hyundai-Limousine und einen silbernen Mondeo mit Stufenheck (er heißt hier in USA Fusion, sieht aber genauso aus wie der europäische Mondeo). „Der Ford ist ein Hybrid.“ Stets aufgeschlossen für alles Neue, nahm ich den Ford. Der Wagen war mit rund 6.000 Meilen Laufleistung fast neu. Es war ein Nicht-plug-in-Hybrid, also so etwas wie ein Toyota Prius, nur schöner. Das Auto und nicht der Fahrer entscheidet, wann der Elektromotor aktiv wird und wann der Benzinmotor. Es gibt diesen Wagen auch in Deutschland. Er hat 187 PS, davon kommen 140 aus einem Zweiliter-Benzinmotor, die übrigen aus einem Elektromotor.
„Have a good trip“
Die Dame zeigte mir noch, dass die Tanköffnung links hinten ist, und wies mich darauf hin, dass der Wagen schon lief, obwohl man nichts hörte. Und fertig. Beim Fahren müsse ich auf nichts weiter achten als bei einem reinen Benziner. So nimmt man Autofahrern die Scheu vor der Elektromobilität. „Have a good trip.“
Er glitt lautlos aus der Parklücke und ins Straßengewirr am Flughafen. Nach ein paar Sekunden ging es bergauf, und der Benzinmotor half mit. Bald trieben wir im Berufsverkehr der US-Ostküste. Das Cockpit überraschte mit erstaunlicher Vielfalt. Und das meine ich nicht positiv. Zum Beispiel sind die zahlreichen Tasten im Lenkrad so dicht beieinander angeordnet, dass man hingucken muss, um die richtige im richtigen Moment zu bedienen. Das können andere besser. Und gerade wenn der Fahrer so gut wie keine Wahl hat, wann er elektrisch und wann er fossil fährt, könnte das Fahrzeug auch auf einige Hinweise verzichten, etwa darauf, ob das Brems-, Beschleunigungs- und Streckenfahrverhalten im Detail ökonomisch ist.
Alle fahren 70-75
Es nützt dir nichts, wenn dir auf der Interstate 95 mit 65 mph Tempolimit mitgeteilt wird, dass du unökonomisch fährst. Die Vorstellung, du könntest hier deine Geschwindigkeit selbst wählen, ist schlicht illusorisch. Alle fahren stetige 70-75 Meilen pro Stunde. Hältst du dich ans Limit, verdunkelt sich irgendwann die Welt von links oder auch von rechts, weil dich ungeduldige Trucker mit ihren Monstern überholen.
Trotzdem gibt es hier fast keine Raser in unserem Sinn, also Menschen, die nach dem Motto „No risk, no fun“ weit über der mehrheitlich gefahrenen Geschwindigkeit und erst recht weit über dem Tempolimit operieren. Kontrollen haben wir auf rund 2.000 Meilen Strecke allerdings auch nicht gesehen.
Nicht umwerfend gut
Weil ich gerne möglichst wenig bei möglichst hoher Durchschnittsgeschwindigkeit verbrauchen möchte, freue ich mich über eine Angabe des durchschnittlichen Spritkonsums im Armaturenbrett. Das hatte dieser Wagen. Er fing an mit irgendwas um die 38 mpg (Meilen pro Gallone). Bei 32° Fahrenheit, also Temperaturen um den Gefrierpunkt. Gut, dass es im Internet Umrechner für diesen Parameter gibt. Es sind etwa 6,2 Liter auf 100 km.
Für ein Benzinauto ist das ordentlich, für die Benzinpreise in den USA noch besser: Sie liegen bei 0,68 Dollar = 57 Euro-Cent pro Liter Normal. Aber für ein Mittelklasseauto mit elektrischem Hilfsmotor nun wirklich nicht umwerfend gut. Der Wert liegt auch weit über den in Deutschland für den Mondeo Hybrid angegebenen Werten: innerorts 4,7, außerorts 2,9, kombiniert 4,0 Liter auf 100 km. Selbst in den USA habe ich diese Werte nie erreicht, obwohl ich in der Vergangenheit bei zahlreichen Gelegenheiten dort generell weniger Sprit verbrauchte als in Deutschland, eben wegen des Tempolimits und der stetigen Fahrweise.
Reichweite 486 Meilen
Spannend war auch die Auskunft des vollgetankten Fusion-Mondeo: „Reichweite 486 Meilen.“ 782 Kilometer. Das klang gut, und solche Aussagen qualifizieren einen Hybrid-Autoantrieb als „Übergangstechnologie“ und nicht die pauschale Ansage, dass es der Diesel sei, wie die Autolobby gerne vorgibt (Ausnahme inzwischen: der mir nicht mehr ganz so unsympathische VW-Chef Matthias Müller).
Die Überraschung kam während der Fahrt: Nach knapp 500 Meilen war der Tank immer noch zu einem Viertel voll: „Reichweite 120 Meilen.“ Es war aber auch wärmer geworden, mit Höchsttemperaturen so um die zehn Grad Celsius. Der Durchschnittsverbrauch seit Übernahme lag nun bei ca. 43 mpg – 5,4 Liter pro 100 km. Klingt schon besser. Wahrscheinlich ist so etwas nur in Amerika möglich. Interessant ist übrigens, dass Ford USA genau 41 bis 43 mpg als Verbrauch in seiner Werbung angibt. An dieser Präzision könnten sich die Europäer mal ein Beispiel nehmen. Vor Einbruch der Kältewelle kam er gar auf 45,3 mpg = 5,23 Liter auf 100 km. Aber dann sanken die Temperaturen an der Ostküste in den Bereich um die minus 10 Grad, und die Heizung hatte reichlich zu tun. Nach knapp 2.000 Meilen blieb es bei 44,5 mpg. „Reichweite 569 Meilen.“ Der Preis für eine Tankfüllung lag im Zwanzig-Dollar-Bereich.
Gut für ein Land mit Tempolimit
Ob ich so einen Wagen als Fast-nur-Autobahnfahrer in Deutschland brauche? Eher nicht. Meiner sollte auch bei 160 km/h ein wohliges Fahrgefühl vermitteln. Wenn es irgendwann ein Tempolimit gibt, können wir über so ein Auto wie diesen Fusion reden. Liest man die europäischen Testberichte, so wird der Wagen allerdings jenseits von 135 km/h ungemütlich laut. Und die Tester schreiben von durchschnittlich 7,5 Liter Verbrauch. Dafür brauchen wir nun wirklich keinen Hybridantrieb. Das schafft, würde ich mal sagen, ein moderner Benzin-Mittelklassewagen auch, wenn er nicht übermotorisiert ist.
Noch zwei Hybrid-Besonderheiten: Beim Fusion ist der Autobahnverbrauch höher als der Stadtverbrauch. Wer‘s braucht… Ich fahre kaum Auto in der Stadt. Die andere ist ein echter Nachteil. Es gibt ihn nur als Stufenheck-Limousine. Nicht als Fließheck und schon gar nicht als Kombi. Der Nachteil liegt weniger im Design als daran, dass der Kofferraum im Hybrid durch den hinter der Rückbank liegenden Batteriekasten erheblich kleiner geworden ist. Es passen zwar vier, wenn nicht sogar fünf Leute in den Fahrgastraum, aber mehr als drei Koffer schafft er nicht. Und auch dann geht der Kofferraum nur mit großer Anstrengung zu.
Das einzige Fahrzeug unter 200 km/h
Noch etwas zum Preis: In USA ist er mehrere tausend Euro bzw. Dollar billiger: Er steht dort mit rund 26.100 Dollar in der Liste. Das ist allerdings ein Nettopreis, es kommen noch unterschiedliche Steuern und Abgaben je nach Bundesstaat dazu. In Deutschland kostet er aber satte 36.550 Euro. Damit liegt er im oberen Mittelfeld der Preisspanne der deutschen Mondeo-Varianten. Sie beginnt bei 25.990 und endet bei 43.300 Euro. Beim Hybrid, der übrigens das einzige Fahrzeug aus der Reihe ist, dessen Top Speed mit 187 km/h unter 200 liegt (Werksangaben), gibt es aber hierzulande diverse Prämien, Boni und wie die Rabatte alle heißen, die den Preis deutlich drücken können.
Der Fusion hatte noch einigen Schnickschnack, den man zwar nicht zwingend braucht, der sich aber als angenehm erwies. Zum Beispiel Rückfahrkamera, Sitzheizung, Sirius-Radio, Bergabfahrhilfe in Form einer Motorbremse, die sich aber auch mit dem Tempomat realisieren lässt. „Keyless go“ treiben die Ford-Leute so weit, dass sie dem Auto eine fünfstellige PIN zugeteilt haben, mit der man es an einem Tastenfeld an der B-Säule der Fahrerseite auftippen kann. Dann nur noch reinsetzen und auf den Start-Stop-Knopf drücken, und er ist „Ready to Drive“. Ok?