Berlin, 05. April (ssl) Wer schon lange nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Fakten über Epidemien und Pandemien gesucht hat, und sei es nur, um sie Verschwörungstheoretikern weiterzuempfehlen, der wird mit „Die großen Epidemien“ aus dem Midas Verlag fündig. Von der Pest in vorchristlichen Zeiten, von Pocken, Kinderlähmung, Cholera, Ebola, Grippe bis hin zur derzeitigen Covid-19-Pandemie zieht sich der Bogen, den die italienische Journalistin Letizia Gabaglio spannt. Die Bilanz des Rück- und Ausblicks sind gute und weniger gute Nachrichten.
Die weniger gute lautet: Das Virus wird uns so schnell nicht verlassen, selbst wenn wir durchgeimpft sind. Nachdem es einmal global unterwegs war, wird es in verschiedenen Wirten lauern, bis es eine Lücke im Impfschutz entdeckt, und immer wieder zuzuschlagen versuchen, sei es in den bisherigen Variationen oder in neuen Mutanten. In manchen gesellschaftlichen Bereichen ist daher dauerhafte Vorsicht angeraten. Die Älteren kennen das von der Aids-Epidemie. Kaum war die sexuelle Freiheit von religiösen Verteufelungsritualen errungen, ging es darum, das HIV-Virus durch geschützten Geschlechtsverkehr und andere Vor- und Rücksichtsmaßnahmen abzuwehren, was dann doch wieder Einschränkungen etwa bei der Spontaneität zur Folge hatte. Aber schließlich arrangierten sich zumindest die wohlhabenderen Gesellschaften eben doch mit der Herausforderung.
Die gute Nachricht: Die Menschen können aus Pandemien lernen, und sie haben es, jedenfalls in der Vergangenheit, auch getan. Zum Beispiel, indem sie Impfstoffe entwickelten und flächendeckend einsetzten. Die Vergangenheit bestätigt: Impfen ist die beste Abwehrmaßnahme. Beispiele sind die Eindämmung der Pocken oder der Masern, wenngleich damit die Gefahr nach wie vor latent bleibt. Gabaglios Buch vertritt die These (und belegt sie auch), dass die zunehmende Ausbeutung, Veränderung und manchmal auch Vernichtung der natürlichen Umwelt eine wesentliche Ursache für die vermehrte Ausbreitung zoonotisch (also durch die Übertragung von Wirtstieren) begründeter Krankheitserreger ist.
Vor allem betont es, im Gegensatz zu mancher Medienberichterstattung, die Bedeutung von Wissenschaften wie Statistik, Mathematik, Kommunikation und Verhaltensforschung für das Gelingen einer Abwehrstrategie. Das ansprechend aufgemachte Buch ist erkennbar auf leichte Verständlichkeit angelegt. Nicht zu lang, aufgeteilt in nicht zu große Erkenntnishäppchen. Es verzichtet weitgehend auf wissenschaftliche Fachsprache, soweit möglich. Allerdings fehlen auch präzise Quellenangaben, sondern listet lediglich einige weiterführende Literatur auf. Wer auch nur die Grundzüge der Internet-Recherche beherrscht, kann diesem Mangel aber leicht abhelfen. Unter dem Strich ist es eine gute Argumentationshilfe und eine Waffe auch im Kampf gegen das Desinformationsvirus.
Gabaglio, Letizia: Die großen Epidemien. Geschichte – Gegenmittel –Impfstoffe. Mit Illustrationen von Maddalena Carrai. Zürich: Midas Verlag 2021. 128 Seiten, Paperback, Euro (D) 14.90 | Euro (A) 15.70 | CHF 22. ISBN 978-3-03876-541-7 (Midas Sachbuch)