Zwölf Take-aways vom Fachbesucher-Tag der digitalen Reisemesse „We Love Travel“ in Berlin
Berlin, 19. Oktober (ssl) Beteiligten und Betroffenen der Reisebranche hat die Corona-Krise ein tieferes Verständnis für die Werte, aber auch für die Risiken des Tourismus gebracht. Das ging aus allen Diskussionen am Fachbesuchertag des digitalen We Love Travel! Events hervor. Die Messe Berlin veranstaltete es zusammen mit dem Berlin Travel Festival vom 16.-18. Oktober; der erste Tag war Fachbesuchern vorbehalten. Er gab einen guten Überblick der Perspektiven des Reisens nach Corona. Ziehen Veranstalter, Dienstleister, aber auch Kunden aus dieser Krise die richtigen Konsequenzen, dann steht ihnen eine Zukunft bevor, die schwarze Unternehmenszahlen, hohe Kundenzufriedenheit und nachhaltig positive Auswirkungen auf Herkunfts- und Zielländer haben kann. Zwölf Take-aways vom Fachbesucher-Tag.
1. Die Verunsicherung ist das Hauptproblem
Von 1950-2019 ist die Zahl der Übernachtungen weltweit um das 60-fache gestiegen, wie Peter Kautz von Statista berichtete. „Doch dann kam Corona.“ Die Pandemie stelle mit einem (bisher!) weltweiten Umsatzrückgang von 55 Prozent der touristischen Aktivitäten alle bisherigen Krisen in den Schatten. Roland Gassner von Travel Data & Analytics ergänzte, der Einbruch sei zwar grob mit 9/11 oder der Finanzkrise vergleichbar, seine Dauer und Erholungsperspektiven aber nicht: Die Erholung dauere länger, und niemand weiß wirklich, wie lange.
2. Die Lage ist nicht hoffnungslos
Hört auf zu heulen, forderten viele Diskussionsteilnehmer. Denn „die Menschen wollen reisen“, sagte Michael Buller vom Verband Internet und Reisen VIR unter Verweis auf Umfragen. Erst recht, wenn sie es eine Weile lang nicht durften. Dazu kommt: „Sie haben Geld, Zeit und Lust, wieder zu verreisen“, wie Ulf Sonntag, Marktforscher am Kieler Institut für Tourismusforschung, ermittelte. Selbst wenn sie jetzt nicht überall dort hinreisen können, wo sie hin wollen, „buchen sie, was geht“. (Roland Gassner)
3. Messen sind möglich
David Ruetz, der Chef der ITB, verwies zu Beginn der Veranstaltung auf die erfolgreiche IFA mit 6.000 Teilnehmern. Es gelte jedoch, die Konzepte den veränderten Bedingungen anzupassen.
4. Mehr Kooperation ist gefragt
Die Krise hat alle Stakeholder getroffen, einige mehr, andere weniger. Vorbereitet war aber keiner, auch der Kunde nicht. Also sollten sie zusammenarbeiten, um wieder herauszukommen, sagte Christian Tänzler von Visit Berlin.
5. Compliance- und Diversity-Erfolge müssen über die Krise gerettet werden
„Reisen darf nicht aufhören“, erklärte Rika Jean-Francois, die CSR-Beauftragte der Messe Berlin. Es fördere bei den Reisenden die Erweiterung des Horizonts und damit das Verständnis für die Erhaltung der einen Welt und ihrer natürlichen und ethischen Werte. „Nur so können wir Diversity und Compliance-Erfolge über die Krise retten und weiterentwickeln.“ Martina von Münchhausen vom WWF forderte: „Jeder sollte seine Reise als besondere Mission ansehen und nicht einfach nur mal wieder zum Billigpreis in ein Flugzeug steigen.“
6. Das Bewusstsein für soziale Nachhaltigkeit ist gewachsen
Die Auswirkungen der ausgefallenen Tourismus-Einnahmen hat teils gravierende Folgen für Wohlstand und Menschenrechte in den Zielländern. „Wir müssen auch bedenken, was das für die Menschen vor Ort bedeutet“, sagte Dirk Inger vom Deutschen Reise-Verband. So wurde Corona ein Booster für alle anderen Krisen, wie es Professor Pechlaner von der Katholischen Universität Eichstätt ausdrückte.
7. Der Kunde hat ein erhöhtes Informations- und Sicherheitsbedürfnis
Das haben sowohl die Veranstalter als auch die Menschen in den Destinationen erkannt. „Der Kunde wird das nach Ende der Krise nicht aufgeben“, war sich Detlef Schroer von Schauinsland Reisen sicher. Das fordere die Anbieter heraus.
8. Reisen hat sich durch Corona geographisch entzerrt
Neben die klassischen Destinationen des Massentourismus sind neue, teils exklusivere Ziele getreten. Das kann positive Effekte auf die Nachhaltigkeit haben wie ein Ende des Massen- und Overtourism, aber nur, wenn die Stakeholder sich dieses Ziel auch zu eigen machen. Harald Pechlaner rät: „Die neu gefundenen Urlaubstrends – Inlandsurlaub zum Beispiel – müssen verstetigt werden.“ Auch wenn es nicht vorstellbar ist, dass alle Deutschen nur in Deutschland Urlaub machen, sollten die Destinationen, die nun einen neuen Aufschwung erfahren haben, alles tun, den Trend zu halten.
9. Online wird ein Trend bleiben
Jede Offline-Buchung ist mit Zeitverzug verbunden, was gerade in Zeiten täglich geänderter Corona-Restriktionen ein Risiko bedeutet, sagte Peter Kautz von Statista. Uwe Frers, ADAC Camping, ergänzte, die Überfüllung der Campingplätze in Deutschland während des Sommers habe das auch den letzten Traditionalisten gezeigt.
10. Wenn Preiskampf, dann kurz und erfolglos
Die traditionelle Margenschwäche der Tourismusindustrie lässt eigentlich keinen Preiskampf zur Rückgewinnung der Kunden zu, und er wäre auch nicht vernünftig, sagte Detlef Schroers von Schauinsland Reisen. Ein Hinderungsgrund sei, dass die Krise beim Kunden den Wunsch nach verschiedenen teuren Zusatzleistungen getriggert habe. Trotzdem sei nicht auszuschließen, dass es einige Anbieter versuchen werden.
11. Reisequalität steigt
Höherwertige Reisen sind wegen des mit ihnen verbundenen höheren Sicherheits- und Hygienegefühls im Trend, wie die Buchungen zeigen. Ganz allgemein werden neue Bausteine zum Reise-Erlebnis hinzukommen, zum Beispiel der Privat-Transfer.
12. Die Pauschalreise lebt
Ihr großes Plus ist laut Detlef Schroer von Schauinsland Reisen die größere Sicherheit für den Kunden in risikoreichen Zeiten. Der Kunde werde aber auch dafür zahlen müssen, sonst sei das nicht wirtschaftlich darstellbar.
(Hinweis: Der Autor hat beim We Love Travel!-Event im Auftrag der Berlin-Messe mitgearbeitet. Dieser Artikel erschien auch als Presssemitteilung.)