Die neuen Facetten des Autoverbandes

VDA mit überraschend offenen Pressemitteilungen

Berlin, 25. Juli (ssl) Der Verband der Automobilindustrie (VDA) scheint gerade selbst dabei zu sein, die von ihm vor einigen Wochen geforderte neue Unternehmenskultur der Mitglieder umzusetzen. Ob ihm das bewusst ist, lassen wir einmal unbeantwortet. Aber wer seine jüngste Pressemitteilung  bis zum Schluss liest, wundert sich schon über die nur noch schwach mit Compliance-Floskeln garnierte Selbstkritik.

Dieselgipfel: „Fort NOx“-Plakat von Greenpeace am Verkehrsministerium. Foto: Rietig

Die Überschrift „Wissmann: Umweltprogramm der deutschen Automobilindustrie findet breite Akzeptanz in der Bevölkerung“ lässt davon noch nichts ahnen. 52 Prozent der Bevölkerung finden die Prämien gut, heißt es da. Nun gut, 52 Prozent, das ist nicht viel besser als Regieren in Niedersachsen. Die Vorstellung, dass jemand seinen 10 Jahre alten Fünfer-BMW für lächerliche 2.000 Euro über Marktwert (denn so sind die Prämien doch wohl gemeint, oder?) gegen einen neuen sauberen Diesel im Wert von sagen wir 55.000 Euro eintauscht, ist schlicht albern. Die 2.000 Euro konnte er vorher mit Leichtigkeit beim Händler raushandeln, da die Dieselpreise eh im Keller sind.

Wie auch immer, 2.000 bis 10.000 Euro sind besser als nichts, wenn sich Otto Normalverbraucher denn einen Neuwagen kauft. Deshalb ist es kein Wunder, dass er die Prämie mehrheitlich gut findet. Er ist aber immer seltener unter den Kunden, weil er sich einen Neuwagen nicht leisten will oder kann, denn zwei Drittel der neuen Pkw werden hierzulande gewerblich zugelassen. Diese Entwicklung hat zahlreiche negative Folgen für die Umwelt, über die wir später einmal reden.

Interessant an der Pressemitteilung sind die Fristen, mit denen der VDA den Satz begründet: „Die technischen Maßnahmen zur Erreichung von Euro 6 und RDE wirken.“ RDE (Real Driving Emissions) ist das neue Testverfahren, nach dem Abgasmessungen zur Typgenehmigung ab September 2017 durchgeführt werden müssen. Es geht also um Messfahrten auf Prüfständen und in freier Straßenland. Nur nebenbei: Auch ab September dürfen die Grenzwerte bei diesen Messungen noch um 110 Prozent überschritten werden. Aber dann ist Schluss? Geht es „nur“ um Neufahrzeuge, also nicht um Typzulassungen, gilt diese magische 110-Prozent-Marke erst ab September 2019.

2020 „nur noch“ Überschreitungen an 39 von 144 Stationen

Dann aber ist es bald so weit, freut sich der VDA: „Bereits im Jahr 2020 werden nur noch 39 der 144 verkehrsnahen Messstationen den NO2-Grenzwert nicht einhalten. Fünf Jahre später (in Zahlen 2025, Red.) überschreiten dann noch 12 Stationen den Messwert.“ Immer noch zwölf Stationen. In acht Jahren. Ein Kind, das jetzt zehn ist, muss an diesen Stellen also bis zur Volljährigkeit seine Entwicklung in stickoxid-überlasteten Straßen verbringen? Da wünscht sich Mutti doch ein Fahrverbot für dreckige Diesel, mindestens vorübergehend. Eine Jahreszahl, wann auch die letzte Messstation grünes Licht für freie Fahrt geben kann, nennt der VDA beziehungsweise die von ihm mitverantwortete Studie aus dem Jahr 2016 gar nicht.

Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass in einer VDA-Pressemitteilung kritische Worte zu finden sind. Aus Anlass der Meldungen über mögliche kartellrechtliche Verstöße der großen deutschen Autobauer gab es Ende Juli schon einmal eine, die sozusagen noch während der geltenden Unschuldsvermutung die Konzernbosse zur Besinnung rief: „Sollten die Untersuchungen der Kartellbehörden die Vorwürfe bestätigen, wäre das nicht nur justiziabel, sondern auch ein Anlass für eine kulturelle Neudefinition innerhalb der betroffenen Unternehmen“, hieß es da. Hoffentlich ist diese Nachdenklichkeit wirklich da, nicht nur hineininterpretiert und nicht nur wahlkampfgetrieben.